FREIHEIT, GLEICHHEIT … Solche Grund­rechte sind für viele Menschen – vor allem für Frauen – nach wie vor Wunsch­träume. Um zur Verbesserung der Lebens­beding­ungen weltweit beizutragen, gilt es erst einmal, sie kennenzu­lernen. Beste Gelegen­heit bietet das internationale Buch­projekt „200 Frauen. Was uns bewegt“ mit Fotoporträts und ganz persönlichen Antworten auf fünf einfache und zugleich essenzielle Fragen. Unter all den interessanten Frauen eine Wahl zu treffen, ist uns nicht leicht gefallen. Aus aktuellem Anlass präsentieren wir Auszüge aus dem Interview mit Margaret Atwood: Sie bekam in diesem Herbst den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.

Was ist Ihnen wirklich wichtig?
Das ist eine unmöglich zu beantwortende Frage, weil so vieles wichtig ist. Ich glaube, es ist entscheidend, wann man geboren wurde, denn das bestimmt, was um einen herum passierte, als man zehn war, als man zwanzig war usw. Es bestimmt, an was man sich aktiv erinnern kann und was nur noch im Land der Legenden fortbesteht … In den Fünfzigern war ich ein Teenager.Die Menschen waren mit dem Kalten Krieg, Stalin und Russland beschäftigt. Die häufigste Angst dieser Zeit war, von einer Atombombe in die Luft gejagt zu werden, gefolgt von der Furcht, schwanger zu werden. Und weil es damals die Pille noch nicht gab, herrschte eine völlig andere Moral. Es herrschte die Meinung vor, Frauen sollten zu Hause bleiben, ihnen wurde eingebläut, dass sie ohne vier Kinder und eine Waschmaschine mit Trockenfunktion keine Erfüllung im Leben finden würden … Ich bin sehr stolz auf meine Arbeit. Es ist erstaunlich zu sehen, wie mein Roman „Der Report der Magd“ heute eine ganz neue Dringlichkeit bekommt, in einer Zeit, in der die Rechte der Frauen wieder zurückgenommen werden. All das ist beängstigend, denn man kann die Situation der Frauen nicht umgestalten, ohne dass sich dabei auch etwas für die Männer ändert.

Was macht Sie glücklich?
Die Suche nach dem Glück hat sich schon immer als Nebelkerze erwiesen, denn Glück an sich ist kein Ziel – es ist eher ein Nebenprodukt. Dinge zu tun, die man wirklich mag, mit Menschen zusammen zu sein, mit denen man auch wirklich zusammen sein will, und Ziele zu verfolgen, für die es sich zu kämpfen lohnt, wird einem wahrscheinlich Glück bescheren … Ich bin von Geburt an ein fröhlicher Mensch. Bei all dem Düsteren, über das ich schreibe, könnte man meinen, dass ich oft deprimiert wäre. Aber das ist nicht der Fall.

Was empfinden Sie als tiefstes Leid?
Tiefstes Leid wird in jedem Augenblick erlebt, auch in diesem. Die Menschheit hat sich jahrhundertelang die Hölle vorgestellt, sie ist deshalb sehr gut darin, sie selbst zu erschaffen. Leider fällt es uns schwerer, den Himmel entstehen zu lassen.

Was würden Sie in der Welt verändern, wenn Sie könnten?
Das Wichtigste für uns ist aktuell, dass wir das Sterben der Ozeane aufhalten … Könnte ich einen Zauberstab schwingen, würde ich die Ozeane entsäuern. Und ich würde all das Plastik entfernen. Es ist schwer, Plastik zu umgehen, bedenkt man, wie viel aus Plastik besteht: unsere Telefone, unsere Computer, viele Autoteile und Gegenstände in unserem Zuhause. Wir müssen unbedingt eine Lösung dafür finden, was auf lange Sicht mit dem Plastik geschehen soll. Ich bin zwar anstrengend positiv gestimmt, das bedeutet aber nicht, dass es Grund zur Hoffnung gibt. Die meisten Menschen sind wohl von Natur aus hoffnungsfroh, denn eine Spezies ohne Hoffnung würde wohl nicht lange überleben. Also hoffen wir auf den Durchbruch, der Menschen dazu motiviert, weiter etwas in Bewegung zu setzen …

Ein Wort, das Sie beschreibt?
Und. Denn es bedeutet, da ist immer noch mehr.