„HALLO, TAILLE – lange nicht gesehen …“ So kann nur jemand schreiben, der rundum positiv eingestellt ist. Und das ist Angelina Kirsch. Endlich eine Frau, die das Ideal der „Hungerhaken“ mit Witz und Selbstbewusstsein an die Wand spielt. Ob als Teilnehmerin bei „Let’s Dance“, als Jurorin in der Model-Show „Curvy Supermodel“ oder als Markenbotschafterin von Adler bis Zalando – Angelina Kirsch ist immer zu 100 Prozent sie selbst. Wie sie das macht? Lesen Sie selbst …

Ihre Entdeckung durch einen Agenten verdanken Sie nicht zuletzt einem riesigen Eisbecher. Wie war das genau?
Das war wirklich wie im Film! Ich hatte gerade einen wunderbaren Sightseeing-Tag hinter mir und wollte mich mit einem schönen Eisbecher belohnen. Als ich genüsslich und glücklich mein Eis aß, sprach mich plötzlich der Modelagent an und fragte, ob ich für ihn arbeiten wollte. Ein Wink des Schicksals, denn auch er kam aus Hamburg. Ich bedankte mich und sagte freundlich: „Nein“. Aber er blieb dran und ein halbes Jahr später war ich dann in seiner Agentur.

Topmodel war keineswegs Ihr Traumjob und das Angebot des Agenturchefs kam Ihnen zunächst alles andere als verlockend vor. Warum diese Skepsis?
Als der Agent mich ansprach, wusste ich nicht, dass er mich als Curvy Model wollte. Für mich bedeutete das Modelsein, immer Diät zu halten und sich verbiegen zu müssen. Ich war natürlich sehr überrascht, als es dann hieß: Du bist perfekt, so wie du bist. Bevor ich dann wirklich als Model angefangen habe zu arbeiten, habe ich mir selber das Versprechen abgenommen, immer bei mir zu bleiben und mich nicht verbiegen zu lassen. Und das hat wunderbar geklappt!

Diät ist ein Dauerthema, das für Sie nicht in Frage kommt. Warum nicht?
Meine Mutter hat da ganze Arbeit geleistet. Als ich in der Pubertät war und meine Kurven bekam, hat sie meine Unsicherheit bemerkt. Sie hat sich mit mir zusammen vor den Spiegel gestellt und mir gesagt, dass ich nun zur Frau werde und Frauen nun mal Kurven haben. Jeder Körper sei unterschiedlich, hat sie mir gesagt, und dass ich immer gut zu meinem sein soll, dann wäre alles in Ordnung. So hat sie mir die Liebe zu meinen weiblichen Kurven beigebracht. Diät war nie eine Option!

„Kilo-­Rou­lette macht schlechte Laune.“

Die Waage ignorieren Sie schlicht. Ihre gewichtigsten Argumente dafür?
Warum soll ich mir von einer Waage sagen lassen, wie ich mich heute fühlen soll? Ich habe ein Bewusstsein für meinen Körper und einen Spiegel. Dieses ewige Kilo-Roulette macht nur schlechte Laune!

Sie lassen sich nicht in die klassischen Modelmaße 90-60-90zwängen. Mit welchem Umfang – oder welchen Maßen – punkten Sie?
Meine Maße sind 105-76-113

Ist Ihr Erfolg ein sicheres Zeichen für eine Trendwende?
In Sachen Curvy und Plus-Size hat sich schon einiges getan. Viele Labels sind darauf aufmerksam geworden, dass die Kaufkraft in den Größen jenseits der 36 sehr stark ist. Also gibt es immer mehr tolle Schnitte und Designs für kurvige Frauen. Allerdings ist da noch viel Luft nach oben, bis Curvy-Models und alles, was dazu gehört, zur Selbstverständlichkeit werden.

Als Markenbotschafterin kommen Sie nicht nur groß raus, sondern wollen auch Mut machen. Wozu genau?
Ich möchte die Menschen und vor allem die Frauen dazu inspirieren, ihren Körper zu lieben! Dazu gehört, ein Gespür für den eigenen Körper zu entwickeln, auf ihn zu hören und sich nicht zu verbiegen, nur um einem unrealistischen Schönheitsideal nachzueifern. Wir sind alle einzigartig und wollen immer individuell sein. Warum dann nicht auch die äußere Individualität feiern?! Es gibt so viel wichtigere Dinge im Leben, als die Zahl, die auf einem Etikett in meiner Hose steht!

Ihr Buch bezeichnen Sie als „Herzensangelegenheit“. Inwiefern?
Es war mir wichtig, dass das Buch zu 100 Prozent ich bin. Meine Traumvorstellung ist, dass man beim Lesen das Gefühl bekommt, ich breite meine Arme aus und nehme den Leser in den Arm. Ich bespreche genau die Themen, die zur Selbstliebe dazu gehören und möchte neue Impulse geben. Dazu stelle ich Fragen, die man sich so nicht immer stellt, schlage Übungen vor und motiviere mit Geschichten und Anekdoten aus meinem Leben. Meine Anforderung war, eine Selbstliebe-Bibel zu schreiben. Wer das Buch aufschlägt, der soll etwas für sich mitnehmen können und dabei Spaß haben.

„… ich trenne mich von solchen Men­schen, die mir nicht gut tun.“

Lesen wir Ihr Buch als klares Bekenntnis zu den eigenen Schokoladenseiten richtig?
Ja! Ich möchte dazu anregen, sich selbst wieder richtig wahrzunehmen. Dazu gehört dann auch, für die vermeintlichen Schwachstellen oder Problemzonen Liebe zu entwickeln. Ich habe das geschafft und möchte dabei helfen, dass auch meine Leser das schaffen.

Sie erzählen u.a. Ihre eigene Geschichte. Darin kommen nicht nur Komplimente vor …
Ich musste schon früh mit Bodyshaming umgehen. Als Kind macht man sich keine Gedanken über den Körper und was da richtig oder falsch ist. Aber wenn dir ein Mensch, der dir nahesteht, sagt, dass du nicht seinem Ideal entsprichst, dann verletzt das. Ich habe für mich entschieden, dass ich mich von solchen Menschen trenne, die mir nicht gut tun. Und das ziehe ich bis heute durch. Natürlich muss man damit rechnen, dass man auch mal negative Rückmeldungen bekommt, vor allem wenn man in der Öffentlichkeit steht. Da hilft eine gewisse Lockerheit. Ich stehe zu dem, was ich tue und wer ich bin. Wer mich nicht mag, der kann weg schauen. Man muss sich davon frei machen, immer allen gefallen zu wollen. Auch dazu habe ich ein paar gute Tipps in meinem Buch.

Sie schreiben, dass Sie alles an sich lieben. So im Einklang mit sich selbst dürften die wenigsten sein. Was tun, wenn man kein so positives Selbstbild hat?
Jede Beziehung bedeutet Arbeit, also auch die Beziehung zu mir selbst. Es ist ein Prozess, der den einen mehr und den anderen weniger Zeit kostet. Aber wenn man nicht anfängt, dann kommt man nie zu dem Punkt, an dem man stolz durch die Welt geht und gern in den Spiegel schaut. Ich habe viele Wege und Möglichkeiten für das Stärken der Selbstliebe in meinem Buch festgehalten. Anfangen muss aber jeder selbst und das am besten sofort!

Wie überzeugt man sich selbst von den eigenen Stärken?
Am wichtigsten ist es, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen! Wir sind mehr als Äußerlichkeiten. Sicher ist es schön, wenn wir uns wohl in unserer Haut fühlen, aber die wahre Schönheit ist das Strahlen von innen heraus! Wenn wir von innen heraus gestärkt sind, können wir den Problemzonen mit viel mehr Liebe und weniger Stress begegnen. In meinem Buch möchte ich verschiedene Wege zu dieser entspannten Einstellung zeigen.

„Wahre Schön­heit ist das Strahlen von innen heraus.“

Krisengebiet Umkleidekabine: Wenn beim Anprobieren der Saisonkollektion jedes Teil kneift, schrumpft sogar XXL-Selbstbewusstsein. Was tun? Die Flucht ergreifen?
Ich sehe das eher von der romantischen Seite: wenn etwas einfach nicht passen will, dann ist es wohl nicht für mich gemacht. Dann wartet irgendwo noch ein viel schöneres Teil auf mich! Wenn ich mich trotzdem so sehr verliebt habe in das Kleid, das nicht über meinen Po passen will, dann gehe ich zu meiner besten Freundin, der Schneiderin. Sie weiß immer einen Trick 😉

Treffender als „Plus-Size“ finden Sie „curvy“. Warum?
Ich finde der Begriff „curvy“ zu deutsch „kurvig“ ist in keinster Weise negativ, sondern nur positiv! Frauen sind Frauen, weil sie Kurven haben. Kurven können groß oder klein sein, aber sie sind etwas Schönes und daher ist für mich auch das Wort „curvy“ ein positives Attribut!

Die Bezeichnung „Übergröße“ finden Sie wahrscheinlich auch nicht besonders schmeichelhaft. Was gefällt Ihnen besser? Oder sollte man das einfach mit Humor nehmen?
Wir Menschen brauchen Kategorien, um uns zurechtzufinden. Das ist für mich ok. Ich finde es nur schade, dass dabei die Nase gerümpft wird! Wer bestimmt denn, was normal ist und was über dem Maß liegt? In der Modewelt ist alles ab Größe 38 aufwärts eine Übergröße. Das finde ich krank, denn die durchschnittliche Konfektionsgröße der deutschen Frau ist 42. Ich denke, der beste Weg ist auch hier, eine gewisse Leichtigkeit mit dem Thema an den Tag zu legen.

„Wer be­stimmt denn, was normal ist?“

Zu den Schönheitsschlagworten mit Schreckgespenstwirkung gehört auch der Body Mass Index, kurz: BMI. Sie setzen Body Positivity entgegen. Was hat es damit auf sich?
Body Positivity bezieht sich auf das Gefühl zum eigenen Körper. Ich möchte aufrufen, unseren Körper als Freund und nicht als Feind zu sehen, ihm Gutes zu tun und nicht zu streng mit ihm zu sein. Wir sollten dankbar sein, dass unser Körper uns durchs Leben trägt, und ihm kleine Fehler auch mal verzeihen, so wie er uns auch Fehler verzeiht (und die machen wir doch alle). Wenn ich also ungestraft mal eine Nacht weniger schlafe als sonst, dann darf mein Oberschenkel doch auch ein paar kleine Dellen haben. Das sollte uns nicht davon abhalten, unser Leben zu genießen!

Welche Kleidungsirrtümer fallen Ihnen am häufigsten bei fülligen Frauen auf?
Viele großartige Frauen verstecken sich und großen, schwarzen Walla-Walla-Gewändern. Das ist so schade, denn es gibt für jede Figur das passende Kleidungsstück! Versteckt euch nicht, sondern genießt die Mode!!!

Im Modekapitel Ihres Buches ignorieren Sie alle angeblichen Verbote für Frauen mit Kurven. Was macht die Kombination aus Overknees, Volant-Minirock und Querstreifenpulli für Sie so unwiderstehlich?
Diese Kombination zeigt meine Figur und unterstreicht die Vorzüge. Ich liebe meine Taille und betone sie, indem ich das Oberteil in den Rock stecke. Die Querstreifen haben etwas Französisches und betonen ganz toll meine Oberweite. Der rote Volantrock bringt das gewisse etwas, zeigt meine Beine und ist einfach wow! Durch die Overknees wirken meine Beine länger und ich fühle mich mit ihnen zum Minirock angezogener als in Pumps. Ich sage nicht, dass jetzt jeder diese Outfit tragen soll. Ich möchte einfach nur zeigen, dass man nicht blind für Dinge und Trends sein soll, die einem vielleicht doch schmeicheln. Probieren geht über studieren ist hier die Devise!

Was sind tatsächlich Outfit-No-Gos in ihren Augen?
Ich mag für mich einfach keine Leggings! Die tun für keine Figur etwas, denn sie sind meistens aus einem sehr dünnen Stoff und zeigen unseren Körper nicht besonders vorteilhaft. Zipfel sind auch so ein Thema. Das sind so eselsohrartige Stofffahnen, die an Oberteilen zu finden sind. Gerade bei Übergrößen finde ich noch viel zu viele Designs, die in meinen Augen an kleinen Kindern gut aussehen, aber nicht an erwachsenen Frauen!

Sie haben mit Begeisterung bei „Let’s Dance“ teilgenommen und sind alles andere als unsportlich. Was bringt Bewegung fürs Körpergefühl? Und wie würden Sie bei all jenen Lust wecken, die sich schwer tun, die bequeme Couch zu verlassen?
Wichtig ist es in erster Linie, dass man etwas findet, das einem auch Spaß macht. Ich liebe es zu tanzen! Let’s Dance hat in mir die Leidenschaft für diesen Sport geweckt und alles, was Spaß macht, kommt uns nur halb so anstrengend vor! Durch Bewegung lerne ich meinen Körper kennen, entdecke Grenzen und bin überrascht über Talente und Leistung, die er in sich birgt. So stärke ich das Gefühl und die Beziehung zu meinem Körper. Für mich gehört es einfach zur Lebensqualität dazu zu wissen, dass ich auch in den zweiten Stock die Treppe nehmen kann, ohne aus der Puste zu kommen.

Ihr allerwichtigstes Schönheitselixier?
Meine positive Lebenseinstellung! Egal, ob die Frisur nicht sitzt oder mein Outfit nicht perfekt ist, ein Lächeln macht so viel mehr! Als ich in Rom entdeckt wurde, war ich verschwitzt, die Haare sahen aus wie Spaghetti und mein Mascara war auf halb acht. Aber das Glück und die Freude über meinen Eisbecher waren so groß, dass der Modelagent dieses strahlen gesehen hat und alles andere erstmal gar nicht richtig wahr genommen hat.

„Du bist schön, so wie du bist!“

Welchen Satz würden Sie Frauen als Mantra mitgeben, die Ihr Buch lesen?
Du bist schön, so wie du bist! Trau dich, die Augen zu öffnen und das zu erkennen!

Und was würden Sie als ganz konkreten ersten Schritt auf dem Weg zu einem neuen Selbstbild empfehlen?
Wichtig ist, dass man offen für sich selbst ist! Der Weg ist für jeden unterschiedlich lang, man muss nur beschließen den ersten Schritt zu machen. Auch der kann für jeden anders sein. Ein guter Anfang ist sicherlich, mein Buch aufzuschlagen und sich auf den Prozess einzulassen 😉