SICH AUF NEULAND wagen – im Leben und in der Literatur: Diese Stärke ist das Markenzeichen von Petra Durst-Benning und zeichnet ihre Bestseller aus. Ob St. Petersburg, die Glasbläserstadt Lauscha oder Schauplätze im heimischen Schwabenland: Die Autorin lässt die besondere Atmosphäre lebendig werden. Aufbruchstimmung prägt den vielversprechenden Auftakt der neuen Saga über die junge Wanderfotografin.

Ihre Romanheldinnen reichen von der Glasbläserin über die Champagnerkönigin bis zur Zarentochter. Sehen Sie selbst eine Gemeinsamkeit? Welcher Frauentyp interessiert Sie ganz besonders?
Kluge, mutige Frauen, die ihren Weg gehen. Dumme Hascherl, die ständig von einem starken Mann gerettet werden müssen (wollen), sind nicht mein Ding.

Mit Ihren Romanschauplätzen nehmen Sie es sehr genau. Für „Die russische Herzogin“ sind Sie nach St. Petersburg gereist. Was macht Ihnen die Vor-Ort-Recherche so wichtig?
In meinen Augen ist es ein Unding, Schauplätze zu beschreiben, die man lediglich aus Büchern, Filmen oder dem Internet kennt – die Zeiten, in denen Karl May übers wilde Kurdistan schrieb, ohne je dort gewesen zu sein, sind nun wirklich vorbei! Ich möchte einen Schauplatz mit allen Sinnen erleben! Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen! Und dann alles auf der inneren Festplatte einbrennen, so dass ich es beim Schreiben abrufen kann.

Mit Ihrer neuen Saga in fünf Bänden haben Sie sich viel vorgenommen. Wie lässt sich Ihr literarisches Vorhaben auf den Punkt bringen?
Meine Geschichte rund um die Fotografin Mimi Reventlow beginnt im Jahr 1905. In fünf spannenden Bänden begleite ich Mimi auf ihrem Weg, auf dem sie sich – bedingt durch den Wandel der Zeit – immer wieder neu erfinden muss, um überleben zu können. Wer beim Lesen Parallelen zum Hier und Jetzt entdeckt: Diese sind durchaus beabsichtigt …

„Ich schätze kluge, mutige Frauen.“

Ihr Romanprojekt hat eine lange Vorgeschichte. Sie erwähnen im Nachwort das Antiquitätengeschäft Ihrer Eltern. Welche Kindheitserlebnisse verbinden Sie damit? Welche inspirierten Sie?
Im Antiquitätengeschäft lernte ich, dass Historie nichts mit Zahlen, Daten und Fakten zu tun hat, sondern immer mit Menschen. Das hat meiner Art zu schreiben immer gut getan, glaube ich.

Inzwischen haben Sie selbst eine Sammlung historischer Fotografien. Wie dürfen wir uns die vorstellen?
Angefangen hat es mit ein paar Fotografien, die ich meinem Vater als junges Mädchen abgeschwatzt hatte. Dann fing ich an, auf Flohmärkten, Messen und in Antiquariaten historische Fotografien zu den Themen meiner Romane zu sammeln. Ich freue mich, dass der Blanvalet-Verlag sich bereit erklärt hat, einige meiner Fotografien hinten ins Buch zu drucken, damit sich nun auch unsere Leser an den schönen Kunstwerken erfreuen können.

„Wie wertvoll kleine Alltagsfluchten waren …“

Was genau fasziniert Sie so an historischen Fotografien?
Im Fotostudio von damals war alles möglich! Die Magd wurde zur feinen Dame, der Knecht zum feschen Matrosen. Man kann auf den Gesichtern der Fotografierten ablesen, wie wertvoll diese kleinen Alltagsfluchten für sie waren.

Henri Cartier-Bresson scheint Sie besonders zu beeindrucken, denn Sie zitieren ihn mehrfach. Was bewundern Sie an ihm?
Cartier-Bresson gehört zu den größten Fotografen des letzten Jahrhunderts. Er entwickelte sich sein ganzes Leben lang weiter – genau wie meine Romanheldin Mimi!

Cartier-Bresson fasst im Zitat am Anfang des Auftaktromans eigentlich genau das in Worte, worum es auch Ihrer Romanheldin Mimi geht, oder? Was ist die Quintessenz?
Ganz schlicht gesagt vielleicht: „Liebe liegt im Auge des Betrachters.“

Der Auftaktband „Am Anfang des Weges“ beginnt im Jahr 1905 – mit einem Heiratsantrag. Die grundsätzlichen Missverständnisse dabei sind keine Loriot-Hommage, sondern machen wie eine Ouvertüre mit Motiven vertraut. Welche sind Ihnen besonders wichtig?
Viele sogenannte „Frauen“-Romane enden mit einem Heiratsantrag, meine Geschichte beginnt mit einem. In der von Ihnen genannten Szene steht meine Romanheldin Mimi an einer Weggabelung. Den einen Weg sieht sie genau vor sich, der andere liegt völlig im Nebel, so dass sie nicht mal abschätzen kann, was sie erwartet! Eine spannende Entscheidung also …

Bei Ihnen im Roman gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei. Worauf legen Sie Wert bei Ihrem Zeitgemälde beziehungsweise Gesellschaftsporträt?
Ob im zeitgenössischen oder im historischen Roman: Ich mag Figuren mit Ecken und Kanten! Und ich mag Grautöne …

„Sich ein wenig mehr zutrauen!“

Mimi ist alles andere als ein typisches Kind ihrer Zeit. Worauf kommt es Ihnen bei ihrer Charakterisierung und Entwicklung an?
Mimi entwickelt sich trotz aller Widrigkeiten ständig weiter. Sie hat oft Angst vor der eigenen Courage, aber dennoch wagt sie immer, den nächsten Schritt zu gehen. Ich denke, Mimi kann viele Leserinnen inspirieren, sich selbst auch ein wenig mehr zuzutrauen.

Mimis Eltern sind keineswegs von gestern – und fürchten trotzdem, dass ihre Tochter von allen guten Geistern verlassen ist. Warum?
Weil sie Angst haben um ihre Tochter. Weil ihre eigene Fortschrittlichkeit ihnen auch Angst macht. Das ist menschlich und allzu verständlich, sollte aber nicht die Grenze sein, von der wir uns beschränken lassen im Leben.

Aus Berlin kehrt Mimi freudig in ihre alte schwäbische Heimat zurück. Spricht Ihnen Ihre Heldin da aus dem Herzen? Wie würde sich Ihre eigene Liebeserklärung an das Schwabenland anhören?
Wenn ich morgens mit den Hunden spazieren gehe und auf meine geliebte Schwäbische Alb blicke, dann ist für mich die Welt in Ordnung. Ich mag das Karge, das Offene der Landschaft. Oben auf der Alb ist man dem Himmel ein Stückchen näher. Und sich selbst auch.

Als Wanderfotografin hat es Mimi alles andere als leicht, aber in Baden-Baden bekommt sie eine unverhoffte Chance. Was brachte Sie auf diese glamouröse Idee?
Ich kenne die Stadt an der Oos sehr gut durch meine Recherchen zu „Floras Traum“. Und für diese alles entscheidende Szene erschien mir die Kurstadt einfach perfekt. Es freut mich, dass ich meine Leser endlich mal wieder nach Baden-Baden mitnehmen kann!

Sie beschränken sich nicht auf Mimis Schicksal, sondern ziehen größere Kreise, etwa in Richtung Laichingen. Was macht diese kleine Stadt für Sie interessant und nach welchen Kriterien suchen Sie die Milieus aus?
Ich möchte stets über Schauplätze und Hintergründe schreiben, die noch frisch und unverbraucht sind. Schließlich will ich meine Leser nicht langweilen, sondern bestens unterhalten. Und die Leinenweberei in Laichingen ist in meinen Augen hochinteressant – eine blütenweiße Industrie, die durchaus auch ihre Schattenseiten hatte.

Wie würden Sie das Lebensgefühl beschreiben? Wie das Stimmungsspektrum zwischen Verzweiflung und Aufbruch?
Ich glaube, die Menschen der damaligen Zeit hatten so viel mit der Alltagsbewältigung zu tun, dass sie sich über solche Fragen keine Gedanken gemacht haben. Überleben! Und dabei der bleiben, der man ist, ohne sich zu verbiegen. Darum ging es und das möchte ich auch aufzeigen.

„Was getan werden muss, einfach tun!“

Onkel Josef war bisher das große Vorbild für Mimi, nun ist er schwer krank. Was bewirkt diese Erfahrung?
Mimi ist keine Superheldin, die jede Aufgabe perfekt meistert. Aber Kneifen gilt bei Mimi nicht, deshalb wagt sie sich auch an diese Aufgabe heran. Das, was getan werden muss, einfach tun und nicht ewig herumlamentieren – nach diesem Motto lebe ich selbst auch!

In Laichingen gibt es eine Art weibliches Grundgesetz. Daran halten sich die Frauen auf Gedeih und Verderb. Wie würden Sie es auf den Punkt bringen? Mit Sofie Merkles Worten?
Nicht nur in Laichingen lebten die Frauen damals fast immer das Leben, das auch ihre Mütter gelebt hatten. Spielraum und Selbstverwirklichung, wie wir sie kennen, gab es damals keine.

Bei insgesamt fünf geplanten Bänden über die Fotografin sind Sie gerade mitten in der Arbeit. Was bereitet Ihnen das größte Vergnügen?
Mimi Reventlow und ich sind uns sehr ähnlich, sie hat sogar am selben Tag Geburtstag wie ich! Ich kenne sie in- und auswendig, weiß genau, wie sie denkt und fühlt. Und ich liebe es, Mimi auf ihrem Weg zu begleiten und mit ihr gemeinsam zu wachsen, Wandel zu erleben, zu lieben, zu leiden und die eigene Stärke zu erfahren. Noch nie steckte so viel Durst-Benning in einer Geschichte wie in dieser Saga. Ich wünsche mir, dass meine Leser diese Intensität zwischen den Zeilen spüren und sich daran erfreuen.