MERHABA, SERVUS ODER GRUEZI? Es bieten sich noch mehr Begrüßungen an bei Adnan Marals Bindestrich-Biografie: 1968 geboren in Ostanatolien, aufgewachsen in Frankfurt am Main, Karriere in Berlin und nun mit seiner Schweizer Ehefrau und drei Kindern am oberbayerischen Ammersee zu Hause. Seine Berufung hat der Familienmensch, Schauspieler, Filmproduzent und Bestsellerautor als Brückenbauer zwischen den Kulturen gefunden.

Der große Karrierekick für Sie war „Türkisch für Anfänger“, genauer gesagt: Ihre Rolle als Kommissar Metin Öztürk. Das Tolle daran?
Metin ist für mich ein Mensch, der vieles verkörpert beziehungsweise verbindet. Es gelingt ihm, mit beiden Kulturen klarzukommen und eine große Offenheit zu leben: also mit dem Türkischen vertraut zu sein und zugleich das Deutsche total anzunehmen. Er wächst da auch in seiner Patchwork-Familie – im Umgang mit den Kindern. Spannend war das für mich auch, weil ich damals selbst zum ersten Mal Vater geworden bin. Bei den Dreharbeiten habe ich einiges gelernt.

Was hauptsächlich?
Gelassenheit! Die Kinder so annehmen und akzeptieren wie sie sind – auch, wenn sie mal in eine andere Richtung gehen als man selbst. Metin hat viel Liebe und Vertrauen in seine Kinder. So entwickeln sie Selbstbewusstsein, Stärke und Selbstständigkeit, also perfekte persönliche Startbedingungen, um unterschiedliche Seiten des Lebens kennenzulernen und auszuprobieren, was für einen richtig ist.

Seit „Türkisch für Anfänger“ sind Sie so bekannt, dass Sie auf der Straße angesprochen werden. Das Erfolgsgeheimnis?
Ganz klar: Die Menschen haben sich wiedererkannt. Einen wie Metin Öztürk – meine Rolle – hat es vorher im deutschen Fernsehen ja nicht gegeben. An den Reaktionen habe ich stark gespürt, wie sehr sich die Zuschauer genau so jemand wie Metin gewünscht haben: einen, der wirklich etwas mit ihnen zu tun hat. Einen, an den sie andocken können, weil er in einer ähnlichen Situation lebt wie sie und eben nicht nur in einer Kultur Wurzeln hat, sondern in mehreren.

Ein Beispiel bitte!
Absolut typisch war ein Taxifahrer, der mich angesprochen hat. Sein Kommentar: „Wir lieben diese Serie. Das ist fast wie bei uns. Meine Frau ist Italienerin, ich bin Iraner. Da kannst du dir vorstellen, was los ist …“ Und es geht ja nicht nur um deutsch-türkische Ehen und Familien, sondern um das Zusammenleben aller Kulturen.

„Adnan wird Süperopa!?

Fast ein bisschen wie in Ihrer Familie, oder? Was bekommt man bei den Marals daheim zu hören?
Mit unseren drei Kindern spricht meine Ehefrau Franziska neben Hochdeutsch auch Schitzerdütsch, ich Türkisch. Ein bisschen Hessisch babble ich auch gern mit ihnen, denn es gehört zu meiner Geschichte. Und natürlich auch Bayerisch. Durch uns Eltern und die Großeltern werden die Kinder vertraut mit den verschiedenen Wurzeln unserer Familie.

Welche Überzeugung steckt dahinter?
Ich liebe diese kulturelle Vielseitigkeit. Sie macht uns reicher. Da sind meine Frau und ich uns ganz einig. Sprachen sind die Brücke zwischen Menschen und Kulturen. Genauso wichtig ist Offenheit … oder noch besser: Neugier auf unterschiedliche Lebensweisen. Je mehr ich davon mitbekomme, desto glücklicher macht es mich. Und je mehr ich kennenlerne, desto mehr kann ich auch weitergeben – ob an unsere Kinder, vor der Kamera oder in meinen Büchern.

Ihr neues Buch „Süperopa“ hat es in sich. Es beginnt wie ein Abenteuerroman in einem „Jäger des verlorenen Schatzes“-Setting und bewegt sich zwischen Wissenschaftsthriller und Komödie. Aber für Sie ist die Hauptsache etwas anderes, oder?
Genau, hauptsächlich geht es mir um eine 3-Generationen-Geschichte: Großvater Kenan, sein Sohn Tan und sein Enkel Tobias alias Mert. Von Anfang an hatte ich die Verfilmung vor Augen … Und immer auch das Thema Superhelden. Damit bin ich aufgewachsen, ob im Comicformat oder im Kino, damals in Frankfurt als Teenie. Ich war so begeistert von Superman. Dass er fliegt, hat mich total fasziniert. Aus dieser Tradition fand ich es toll, einen Superhelden zu erfinden. Ich wollte ihn aber im Gegensatz zu den Comic- und Kinolegenden mit viel mehr relevanten Themen erfüllen. Außerdem fiel mir auf, dass es unter den berühmten Vorbildern keinen betagten Helden gibt, der Superkräfte bekommt. Das wollte ich unbedingt ändern.

Kenan, der in Ihrem Roman zu „Süperopa“ wird, dürfte zur selben Generation gehören wie Ihre Eltern …
Ja, mein Vater war damals unter den ersten Gastarbeitern, die nach Deutschland kamen, meine Mutter folgte ihm mit uns Kindern nach. Diese Generation hat wirklich hart gearbeitet, aber ich wollte sie eben nicht auf dieses Klischee vom schweren Leben reduzieren, sondern ihnen meine Anerkennung zeigen. Sie haben eine Hommage verdient, denn meine Eltern sind für mich Helden!

„Die Brücke zwischen Menschen und Kulturen

Was imponiert Ihnen besonders?
Meine Eltern haben alles für unsere Zukunft getan. Sie standen in der Fabrik, um uns eine möglichst gute Bildung zu ermöglichen. Gleichzeitg ließen sie uns eine große Freiheit, viel auszuprobieren und kennenzulernen. Das finde ich um so beeindruckender, weil sie selbst ja aus einem kleinen Dorf kamen …

Anscheinend kein Hindernis, sondern ein Ansporn für die beiden …
Kneifen kam für meine Mutter und meinen Vater jedenfalls nicht in Frage. Ein schönes Beispiel war die Reaktion meiner Eltern, als ich die Chance bekam, nach Berlin zu wechseln, und herumdruckste, ob es nicht sicherer wäre, im vertrauten Frankfurt zu bleiben. Aber da hatte ich die Rechnung ohne meine Eltern gemacht: „Wir kommen aus Anatolien nach Deutschland und du schaffst es nicht von Frankfurt nach Berlin? Das gibt’s ja nicht. Los jetzt! Zurückkommen kannst du ja notfalls immer noch.“ Gewagt und gewonnen habe ich dank meinen Eltern.

Was ist das Maral-Erfolgsgeheimnis für Familienglück und konstruktives Miteinander?
(lacht) Es hilft, sich selbst nicht für den absoluten Maßstab zu halten, sondern die eigene Position zu hinterfragen. Bloß nicht auf Prinzipien beharren, sondern reflektieren. Meine Frau und ich sind immer im Gespräch, was uns wichtig ist und welche Werte Bedeutung haben für unsere Familie. Weil sich das im Lauf der Zeit wandelt, muss es immer wieder auf das Hier und Jetzt abgestimmt werden. Das gilt nicht nur für unseren Maral-Mikrokosmos, sondern lässt sich auch auf die Gesellschaft übertragen.

 

„Eine große Freiheit, viel ausprobieren …

Nicht gerade ein Herz und eine Seele ist die Romanfamilie in „Süperopa“. Was ist da los?
Eigentlich wollen wir ja alle irgendwie Helden für die eigenen Kinder sein. Ich auch. Als meine Söhne kleiner waren, konnte ich sei beeindrucken, indem ich ihre Fahrräder reparierte. Da muss ich mir jetzt schon mehr einfallen lassen. Wenn es mir gelingt, macht es mich glücklich. Genau da gibt es im Roman ein Defizit zwischen den Generationen, aber sie können voneinander lernen. So macht beispielsweise der Enkel Tobias-Mert dem Großvater Kenan bewusst, wieviel er Menschen geben kann – und die ihm.

Der Roman-Sohn Tan wirkt ein bisschen neben der Spur. Kein Wunder, weil es Männer heute generell nicht leicht haben, ihre Rolle zu finden? Oder hat es Tan besonders schwer?
Leichter sagen lässt sich, dass Tan eine starke Frau hat. Ina weiß, wo es lang geht. Im Gegensatz dazu leidet Tan an seiner Zerrissenheit. An Klarheit fehlt es ihm nicht zuletzt, weil er sich nie mit dem Türkischsein auseinandergesetzt hat. Als Polizist ist Tan für die Einhaltung der Gesetze verantwortlich. Sein Beitrag, um Teil der deutschen Gesellschaft zu sein – er will unbedingt dazugehören. Tja, Ina würde wahrscheinlich sagen, das es für ein besseres Zusammenleben nötig ist, dass alle sich erst einmal selbst finden: Großvater Kenan, Tan und dessen Sohn Tobias alias Mert.

Wie haben Sie eigentlich das Schreiben für sich entdeckt?
Geschichten habe ich schon immer geliebt. Als Kind war ich immer ganz Ohr, wenn meine Eltern Besuch bekamen und alle aus dem Dorf erzählten. Und ich war ständig in der Stadtbücherei. Später habe ich mich hingesetzt und meine Erfahrungen zu Papier gebracht, beispielsweise, was es für mich heißt, deutsch zu sein.

 

„Sich alles von der Seele schreiben“

Schreiben als Klärungsprozess?
Ja, total. Ich habe schnell gemerkt, wie gut es tut, sich alles von der Seele zu schreiben und dabei Geschichten zu erzählen, ob selbst erlebte oder erfundene. Das war der Anfang.

Der japanische Schriftsteller und Marathonteilnehmer Haruki Murakami hat Parallelen zwischen dem Schreiben und dem Laufen entdeckt und ein Buch darüber geschrieben. Wie sind da so ihre Erfahrungen, wenn sie mit ihrem Hund durch die Gegend joggen?
Oh, mein Hund ist inzwischen zu betagt für sportliche Herausforderungen. Aber ich selbst jogge regelmäßig. Laufen scheint eine Grundphilosophie des Lebens zu sein. Man lässt etwas hinter sich und läuft der Zukunft entgegen. Ob laufen oder radeln, Bewegung macht den Kopf wunderbar frei – so wie Meditation. Die Dinge kommen einem zugeflogen. Beim Laufen habe ich die Ideen zu „Süperopa“ entwickelt.

Um den Kopf frei zu bekommen, machen Sie ja auch Yoga …
Yoga gibt wahnsinnige Ruhe und zugleich Energie. Es hilft, sich zu zentrieren – wie Meditation. Entdeckt habe ich es durch meine Ehefrau Franziska. Oft starten wir beide zusammen mit Yoga in den Tag – eine schöne Art, Beziehung zu leben und weiterzuentwickeln. Wir gehen alles partnerschaftlich an – ob Familie oder unser altes Bauernhaus, das wir miteinander renoviert haben. Als wir es entdeckten, hatten wir sofort eine Vision. Und sie ist wahrgeworden. Wir haben beispielsweise aus dem Stadel eine Wohnküche gemacht, wo wir alle gemeinsam kochen, zusammensitzen, essen und einander viel erzählen.

Was ist momentan Ihre größte Baustelle?
Die Verfilmung von „Süperopa“.

Und wen stellen Sie sich da in der Titelrolle vor?
Drei Mal dürfen Sie raten …