Bestsellerlisten-Spitzenplätze sind Jan Weiler so gut wie sicher, seit er vor über 20 Jahren sein literarisches Debüt gab mit „Maria, ihm schmeckt’s nicht“. Längst hat sich der ehemalige Chefredakteur des SZ-Magazins seinen Status als einer der erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands erschrieben: Ob seine „Pubertier“-Trilogie oder „Älternzeit“, seine Kolumne „Mein Leben als Mensch“ oder seine Romane: Weilers Werke zeichnen sich aus durch das Dreifach-Prädikat „Geistreich, tiefsinnig, humorvoll“. Und das gilt nun auch für die Selbsterforschung von „Munk“.

Ihr Titelheld heißt Peter Munk – wie die Hauptfigur aus Wilhelm Hauffs Märchen „Das kalte Herz“. Inwiefern sind die Namensvetter auch Geistes- oder Seelenverwandte?
Ich liebe das „Kalte Herz“. Und der Kohlenmunk-Peter aus dem Märchen war immer eine meiner literarischen Lieblingsfiguren. Ich hatte schon lange den Wunsch, den Namen „Peter Munk“ einmal zu verwenden, einfach weil ich ihn so mag, auch vom Klang her. Bei diesem Projekt passte es dann auch inhaltlich. Mehr möchte ich dazu aber nicht verraten.

Was war der Auslöser oder die Grundidee zu „Munk“?
Die Grundidee bestand darin, einen Mann anhand seiner Beziehungen zu porträtieren. Mit jeder neuen Verbindung lernen wir dazu. Wir verändern und entwickeln uns. Das wollte ich erzählen.

Peter Munk gerät erst mal in Verlegenheit, wenn er Auskunft über sich selbst geben soll. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Er ist im Grunde ganz normal. Wie die meisten Menschen beschäftigt er sich nicht allzu ausgiebig mit seinem Inneren. Und kann deshalb auch nicht viel über sich selbst sagen. Es beginnt dann ein schwieriger und hoffentlich sehr unterhaltsamer Prozess.

Würden Sie sagen, Munk ist mit seiner Arbeit als Architekt verheiratet? Ist das für ihn Erfüllung? Oder eine Fluchtwelt?
Eher Erfüllung. Er hat das Glück, beruflich das zu machen, was er am besten kann. Auch wenn er darüber nicht viel nachdenkt, ist das doch sehr zufriedenstellend.

„Man braucht immer ein Bötchen, in das man seinen Helden setzen kann.“

Warum beginnt „Munk“ für Ihren Titelhelden mit einem Herzinfarkt?
Weil das spannend ist und weil es ihn dazu bringt, sich mit seinem Leben auseinanderzusetzen. Man braucht immer ein Bötchen, in das man seinen Helden setzen kann. Dann gibt man ihm einen Schubs und die Reise geht los.

Munks erste Reaktion nach dem Zusammenbruch auf der Rolltreppe ist Empörung. Verwunderlich? Oder doch eher verständlich?
Aus seiner Sicht ist das völlig verständlich. Er ist es gewohnt, zu funktionieren.

Was ist Munks erste wichtige Selbsterkenntnis?
Das möchte ich ungern vorwegnehmen.

Gilt für Munk das Krise-als-Chance-Prinzip?
Im Grunde nicht. Er hat zwar Erfahrungen mit Krisen, aber bis hierhin nicht viel daraus gelernt. Das ändert sich erst in dem Moment, wo es ihm wirklich schlecht geht.

Warum muss es für Munk bei der Reha ausgerechnet der Schwarzwälder „Mönchhof“ sein? Was zeichnet dieses Resort aus?
Es ist nicht so weit weg von seinem Zuhause, es ist luxuriös und bietet eine erstklassige medizinische Versorgung.

„Da verschränkt man schon mal die Arme.“

Munk beschließt, die Psychotherapie bei Dr. Grenzmann mit verschränkten Armen abzusitzen. Was sträubt sich so in ihm?
Er hat sich noch nie jemandem geöffnet. Und nun soll er dies ausgerechnet einem völlig fremden Arzt gegenüber tun. Da verschränkt man schon mal die Arme.

In einer Talkrunde bei „3 nach 9“ haben Sie mal gesagt: „Ich bin meine eigene Selbsthilfegruppe.“ Ist das bei Munk auch so? Woran versucht er sich bei seiner Selbsttherapie?
Es ist ja zunächst keine. Er möchte herausfinden, was zu seinem Herzinfarkt geführt hat. Der erscheint ihm einfach nicht logisch. Immerhin ist er kerngesund, er raucht und trinkt nicht, treibt Sport und ist nur in Maßen beruflich unter Druck.

Was ist Munks absolut wunder Punkt beziehungsweise sein Kernthema bei der Selbsterforschung?
Seine Unfähigkeit sich zu binden vielleicht. Und die nötigen Maßnahmen dagegen zu ergreifen.

„Sonst würde der arme Kerl ja immer wieder dasselbe erleben.“

Was spiegeln die 13 Frauen wider, die auf Munks Aufarbeitungsliste stehen?
Sie sind zunächst einmal sehr unterschiedlich. Das ist ja oft im Leben so. Das war das Kriterium für die Auswahl. Es sollten lange und kurze Beziehungen dabei sein und er sollte sehr unterschiedliche Erfahrungen machen. Und natürlich ist es abwechslungsreich. Es bieten sich viel mehr gute Geschichten an, wenn die Protagonisten sich stark unterscheiden. Sonst würde der arme Kerl ja immer wieder dasselbe erleben. Das gibt es zwar mitunter auch, aber ich fand das nicht reizvoll.

Was für ein Beziehungstyp ist Munk eigentlich? Wie würden Sie sein Ideal von Liebe auf den Punkt bringen?
Das Ideal beruht wohl im Wesentlichen darauf, dass es halt laufen soll, wie man so sagt. Er hat kein wirkliches Ideal. Er stolpert eher durch seine Beziehungen, als dass er sie gestaltet. Er wüsste auch gar nicht, wie das geht. Was das betrifft, ist er womöglich etwas naiv.

„Er denkt Beziehungen immer vom Ende her.“

Munk hat einen „Zweckpessimismus“ entwickelt. Hilft ihm seine Haltung irgendwie? Oder wird sie zur self-fulfilling prophecy?
Natürlich. Er denkt Beziehungen immer vom Ende her. Im Grunde wartet er nur darauf, dass sie scheitern. Was ja dann auch immer geschieht.

Ein wichtiges Stichwort ist „Leistungsträger“. Was macht es so bedeutsam und zugleich so fragwürdig, dass es Munk zum Widerspruch provoziert? Womit spricht er Ihnen aus dem Herzen?
Das kommt mehrfach im Buch vor, wenn sich Menschen so bezeichnen, die Munk nicht als solche sieht. Für ihn sind Altenpflegerinnen eher Leistungsträger als Firmenerben, die am Ende im Gegensatz zu Altenpflegerinnen nicht einmal Steuern zahlen. Ich kann der Einstellung meiner Hauptfigur bei diesem Thema durchaus etwas abgewinnen.

Wie verändern Munk die acht Wochen Selbsterforschung?
Da würde ich ungern vorgreifen, weil es ein wenig den Schluss verraten würde. Sagen wir es so: Seine Selbsterforschung macht ihn nicht zu einem Universalgenie in Sachen Liebe.

Das letzte Wort hat nicht etwa Munk. Warum nicht?
Weil es nicht richtig wäre. Es wäre nur der halbe Spaß. Und ich möchte unbedingt, dass die Leserinnen und Leser bis zum Ende, besonders am Ende, gut unterhalten werden. Dafür ist es ganz wichtig, am Ende noch einmal grundsätzlich die Perspektive zu wechseln. Mehr sollten wir darüber aber nicht verraten.

„Satire und Humor machen zusammen 41,4 Prozent aus.“

Munk trinkt Algen-Brokkoli-Smoothie und Apfel-Sellerie-Saft. Wenn Ihr Roman ein Cocktail wäre: Welchen Anteil haben Satire und Humor und welche Komponenten sind Ihnen noch wichtig?
Satire und Humor machen zusammen 41,4 Prozent aus. Hinzu kommen noch Gesellschaftskritik (16,7 Prozent), zeithistorische Bezüge (13,5 Prozent), große Gefühle (21,2 Prozent) und Spannung (7,2 Prozent).

Zum Finale zünden Sie ein Feuerwerk an Überraschungen. Was hat Ihnen am meisten Vergnügen bereitet?
Das Vergnügen besteht einfach darin, noch mal alles auf links zu drehen, Erwartungen zu übertreffen und mit den Überraschungen vielleicht auch die Erkenntnisse der vorangegangenen Erzählung zu konterkarieren. Das macht natürlich viel Freude. Welche Erkenntnis daran am meisten funkelt? Ich bin doch nicht verrückt und verrate das hier!