Vor 10 Jahren suchte Melanie Pignitter eine chronische Schmerzerkrankung heim. Nach einer Ärzte- und Behandlungsodyssee war klar, dass keine physischen Ursachen vorlagen. Der Schmerz blieb aber. Da begann die ausgebildete Mentaltrainerin, zwischenzeitlich auch psychosozialer Diplom-Coach, sich auf ein gesundes, freies Leben zu fokussieren. Mit ihrem Blog „honigperlen.at“ schrieb sie sich frei und zugleich in die Herzen von Tausenden Leser:innen. 

Ihre Karriere als Autorin begann 2017 mit „Honigperlen“, einem Ratgeber aus dem Bereich Lebenshilfe. Jetzt erscheint mit Ihrem neuesten Buch eher ein Roman – was hat Sie dazu bewegt?
„Wiedersehen mit mir selbst“ ist nicht ganz ein klassischer Roman – es ist eher ein erzählendes Sachbuch. Ich liebe es, mit Geschichten zu lernen, und auch in meinen Ratgebern nutze ich gern Metaphern oder Anekdoten aus dem echten Leben. In diesem Buch habe ich inspirierende Impulse für den eigenen Weg in eine herzerwärmende Geschichte gepackt. Die Protagonistin Eva steht für uns alle – ihre Themen sind viele, die wir selbst kennen. Der Auslöser für diesen neuen Weg? Einfach die Lust am Schreiben und das Verlangen nach einer Herausforderung. Und ein bisschen hat mich auch das 12-jährige Mädchen in mir getrieben, das von Liebesromanen träumte. PS: Es ist kein klassischer Liebesroman geworden, sondern viel, viel schöner!

Wie unterschied sich die Arbeit an diesem Roman von der an Ihren vorherigen Büchern?
Das Schreiben von Ratgebern war für mich schon Routine, aber bei diesem Roman ging’s richtig ans Eingemachte! Ich habe mich voll reingeworfen, ein paar Seiten als Test geschrieben und mich gefragt: „Kann ich das überhaupt?“ Und ja, ich konnte! Es war definitiv eine größere Herausforderung – normalerweise schreibe ich ein Buch in 5 bis 8 Wochen, dieses hier hat 10 Wochen gebraucht. Aber je weiter ich kam, desto mehr machte es Spaß! Ich konnte meine Fantasie ausleben, meine Vorlieben wie Aperol einfließen lassen und auch Erlebnisse aus meinem Leben und den Geschichten meiner Leserinnen einbauen. Es war ein echtes Abenteuer – und am Ende fühlte sich das Schreiben unglaublich frei und fließend an.

„Eva ist eine Mischung aus mir und vielen wunderbaren Frauen.“

Warum haben Sie sich für eine Protagonistin entschieden, die sich gerade in einer schwierigen Lebensphase befindet?
Eva ist eine Mischung aus mir und vielen wunderbaren Frauen, mit denen ich in den letzten Jahren als Selbstliebe-Trainer und Dipl. psych. Coach zusammengearbeitet habe. Deshalb glaube ich auch, dass sich viele Leserinnen in ihr wiederfinden werden. Eva ist chaotisch, liebenswert und anfangs unsicher. Sie zweifelt an sich und will es jedem recht machen – dabei läuft in ihrem Leben so einiges schief: Job weg, der Mann auch und dann noch der Pflichtbesuch bei der italienischen Familie, die irgendwie kein Taktgefühl hat. Genau wie im echten Leben eben auch oft. Aber Eva hat Potenzial! Sie hat so viel mehr drauf, als sie denkt, und wird am Ende lernen, wie sie all diese Herausforderungen meistert. Das soll meine Leser:innen dazu inspirieren, dass auch in ihnen diese wundervolle Kraft steckt.

„Eva bekommt langsam Torschlusspanik.“

Wir treffen Eva zu einer Zeit, in der sie das Gefühl plagt, „den letzten Zug verpasst zu haben“. Was macht ihr zu schaffen?
Eva ist Ende 30 und fühlt und bekommt langsam Torschlusspanik. Kein Partner, keine Kinder, kein eigenes Zuhause – all das, was sie sich immer gewünscht hat, scheint plötzlich unerreichbar. Als sie dann auch noch ihren Job verliert, wird ihr Gefühl, „nicht gut genug“ zu sein, immer stärker. Sie fragt sich, wie sie jetzt noch einen Mann finden soll, der in der kurzen Zeit, die ihr die biologische Uhr noch lässt, auch noch ein Kind haben möchte. Die Unsicherheiten in ihren Beziehungen und die gesellschaftlichen Erwartungen setzen ihr ziemlich zu. Doch dann kommt der Wendepunkt: Sie fängt an zu erkennen, dass es für viele Dinge – vor allem für das Wiedersehen mit sich selbst – nie zu spät ist. Eva merkt, dass sie viel mehr Potenzial in sich hat, als sie sich je zugestanden hat, und dass sie noch immer jede Menge Chancen im Leben ergreifen kann.

Eva plant eine Auszeit mit mehreren Reiseetappen – erstmals geht sie alleine auf Reisen. Was übermannt sie dabei?
Zuerst ist da die Sorge: Was werden die Leute denken, wenn ich allein im Restaurant sitze? Die Angst, sich einsam zu fühlen und als „alte Jungfer“ abgestempelt zu werden. Doch gleichzeitig überkommt sie auch der Mut, es einfach mal zu wagen. Und die Hoffnung, dass alles viel besser wird, als sie erwartet.

Wenn man Evas Gedanken folgt, merkt man schnell, dass sie sich in Szenarien hineinsteigert, die noch gar nicht eingetreten sind. Macht das ihre Sorgen nur noch größer?
Eva macht das, was viele von uns tun: Sie sorgt sich über Dinge, die nie passieren werden. Sie kreiert Negativ-Szenarien und übersieht dabei, dass rund 95% dieser Sorgen völlig unnötig sind, weil sie nie Realität werden. Und ja, das verstärkt natürlich ihre Ängste und bremst sie aus. Viele Chancen hat sie dadurch schon verpasst. Aber wie wir an Eva sehen, ist ein Umdenken durchaus möglich.

„Was, wenn es tatsächlich besser wird?“

Jedes Roman-Kapitel endet mit einer Affirmation – zum Beispiel nach dem Kapitel über Reiseüberlegungen: „Meistens kommt es besser als gedacht.“ Was hat Sie dazu bewegt, das so zu gestalten?
Das war mir besonders wichtig, weil ich glaube, dass die Kraft der positiven Gedanken uns wirklich verändern kann. Unsere Gedanken haben einen riesigen Einfluss auf unser Leben. So sollen die Affirmationen am Ende jedes Kapitels Leser:innen dazu anregen, sich bewusst auf das Positive zu fokussieren – auch in unsicheren oder herausfordernden Momenten. Es ist leicht, sich in negativen Gedanken zu verlieren, besonders wenn man sich in einer schwierigen Situation befindet. Aber wie wir oft sehen, entwickelt sich vieles besser, als wir es uns zu Beginn ausmalen. Mit diesen Affirmationen biete ich an, das eigene Denken zu hinterfragen und die Perspektive zu wechseln – von „Was, wenn alles schief geht?“ hin zu „Was, wenn es tatsächlich besser wird?“. So können die Affirmationen helfen, das Vertrauen in sich selbst und in das Leben zu stärken.

Wie würden Sie „Affirmation“ in einem Satz definieren?
Affirmationen sind kraftvolle Sätze, die uns helfen, uns auf das Positive zu fokussieren – ja, es sogar zu erwarten. Sie beeinflussen unser Unterbewusstsein nachhaltig, und das ist großartig, denn wir leben zu einem Großteil aus unserem Unterbewusstsein heraus. Unsere Gedanken, unsere Worte, unser Handeln – das meiste davon kommt aus dem Unbewussten. Affirmation sind also ein einfaches aber wirksames Werkzeug, um uns neu zu programmieren.

„Wir sehen bei anderen nur die Highlights …“

Evas erster Stopp ist der Besuch ihrer besten Freundin Heike. Beide stellen fest: „Das Gras ist auf der anderen Seite nicht grüner.“ Hilft Eva diese Erkenntnis?
Ja, das hilft ihr tatsächlich. Wir tendieren dazu, uns falsch zu vergleichen. Wir sehen bei anderen nur die Highlights und vergleichen sie mit unserem „Behind-the-Scenes“. Dabei übersehen wir oft, dass hinter dem scheinbar perfekten Leben der anderen auch Probleme und Herausforderungen stecken. Diese Erkenntnis kann befreiend und heilsam sein.

Auf einer langen Fahrt mit ihrem geerbten VW-Bus „Berta“ beginnt Eva, fast ein Zwiegespräch mit dem Bus zu führen. Was ist das Faszinierende an diesem Gedankenaustausch?
Ob der Bus wirklich spricht oder ob das Quietschen und Rattern nur Evas Interpretation ihrer eigenen Gedanken ist, bleibt offen. Das ist das Charmante daran – es zeigt, dass wir die richtigen Zeichen bekommen, wenn wir bereit sind, sie zu sehen. Und natürlich sind die Gespräche zwischen Eva und Berta humorvoll, was nicht nur Eva, sondern auch Leser:innen zum Schmunzeln bringt.

„Bin ich das wirklich?“

Eva liebt Aperol Spritz – am liebsten mit einer großen Scheibe Orange. Nach dreien dieser Drinks verlässt sie ohne lange zu überlegen ihre Komfortzone. Welche Erfahrung macht sie dabei?
Eva fühlt sich plötzlich selbstbewusster und fängt an, mit ihrem Freund Lucca auf offener Straße zu tanzen. Während sie das tut, bleibt sie einen Moment lang stehen und fragt sich: „Bin das wirklich ich?“ Sie fragt sich, warum sie sich gerade keine Gedanken darüber macht, was die anderen Menschen denken könnten. Aber dann lächelt sie, bleibt ganz im Moment und fühlt sich einfach gut. In diesem Hochgefühl sagt sie Lucca auch zu, eine Rolle in seinem italienischen Theaterstück zu übernehmen, weil jemand kurzfristig ausgefallen ist. Sie fühlt sich grenzenlos und ihre Selbstzweifel scheinen wie weggeblasen. Doch, wie es im Leben oft ist: Am nächsten Tag bereut sie nicht nur die Aperol Spritz, sondern auch ihren Übermut. Es ist einer der Momente, in denen sie erkennt, dass Selbstbewusstsein nicht immer nur von Dauer ist.

Ein Fixpunkt auf ihrer Reise in den Süden ist ein längerer Besuch bei ihrer italienischen Großfamilie. Was befürchtet Eva, und was erwartet sie tatsächlich?
Evas Befürchtungen werden im ersten Moment wie immer wahr. Sie kennt das ja schon: Ihre Familie mischt sich ungefragt in ihr Leben ein, übergriffige Kommentare wie „In deinem Alter wird es aber langsam schwierig, einen Mann zu finden“ und das ungefragte Verplanen ihrer Zeit sind an der Tagesordnung. Doch dann erinnert sich Eva an alles, was sie inzwischen gelernt hat. Sie schmiedet einen Plan – genauer gesagt, schreibt sie sich Schritt für Schritt eine praktische Anleitung, wie sie ihrer Familie klar, freundlich und bestimmt Grenzen setzen kann. Natürlich klappt das nicht von Anfang an – wie im echten Leben eben. Aber Eva lernt und schließlich kommt der Moment, in dem sie erkennt: „Ich werde auch geliebt, wenn ich Nein sage.“

„Aber gute Nachrichten: Unser Gehirn ist formbar!“

Eva neigt dazu, sich selbst kleinzureden, was ihr Leben erschwert. Geht uns das nicht allen so?
Ja, definitiv! Unser Gehirn neigt dazu, sich auf das Negative zu fokussieren – und das gilt oft auch für uns selbst. Wir tendieren dazu, uns kleiner zu machen, als wir wirklich sind. Besonders, wenn diese Gewohnheit über Jahre gewachsen ist. Aber gute Nachrichten: Unser Gehirn ist formbar! Wir können diese Muster ändern und nach und nach lernen, an uns zu glauben – bis es irgendwann ganz automatisch klappt!

Auf ihrer Reise lernt Eva immer mehr, kindliche Freude zu empfinden. Ist das der Schlüssel zur Heilung?
Ja, das ist ein wichtiger Bestandteil davon. Diese unbeschwerte Leichtigkeit, die viele von uns aus der Kindheit kennen, ist im Erwachsenenleben oft verloren gegangen, verdrängt von all dem Ernst und den Herausforderungen des Lebens. Aber ein echtes Wiedersehen mit uns selbst bedeutet auch, genau diese Freude wieder zu entdecken und zum Leben zu erwecken.