Was Nummer-1-Bestseller anbelangt, ist Sebastian Fitzek ein Serientäter. Ob Thriller wie „Das Kalendermädchen“ oder Romane wie „Elternabend“, seine Bücher sind sagenhafte Erfolge. Sein neuester Coup: „Horror-Date“, eine grandiose Mischung aus Drama, Situationskomik, originellen Dialog-Duellen und existenziellen Fragen – mit überraschenden Wendungen bis zur letzten Seite.

Sind Sie Romantiker oder Realist?
Als Realist weiß ich, dass nur romantische Phantasten die Welt verändern.

Sie scheinen (fast) darauf zu wetten, dass „Horror-Date“ die schlimmsten Vorstellungen von uns Leser:innen übertrifft. Was macht Sie da so sicher?
Dass das Leben „Stranger Than Fitzek“ ist, habe ich sehr oft beim Schreiben meiner Psychothriller erfahren müssen. Meine Recherche lehrt mich jedes Mal, dass die Welt bizarrer, verrückter und leider oft auch grausamer ist als das, was ich mir am heimischen Schreibtisch auszudenken vermag. Insofern könnten Sie Recht haben, dass es Menschen gibt, die noch weitaus schlimmere Dating-Erfahrungen gesammelt haben als Julius und Nala.

Ihr Mix aus Humor und existenziellen Fragen ist gewagt. Warum finden Sie diese Kombination ideal für Ihren Roman?
Ich finde das überhaupt nicht gewagt, sondern – im Gegenteil – absolut notwendig. Ich kann nur über Themen schreiben, die ich für relevant halte. Und was gibt es für uns Menschen Relevanteres als die Endlichkeit des Lebens? Schon in meinem Roman „Elternabend“ habe ich ein Zitat von Mark Twain vorangestellt, das da lautet: „Die verborgene Quelle des Humors ist nicht Freude, sondern Kummer.“

„Es geht immer um das Leben.“

Es geht auf eine ganz andere Art und Weise um Leben und Tod als in Ihren Thrillern. Welche Fragen haben Sie am meisten beschäftigt?
Auch hier wage ich sanft zu widersprechen: In meinen Thrillern behandele ich ganz ähnliche existenzielle Fragen. Im Kern geht es bei mir immer darum, wie wir als Menschen im Bewusstsein der Sterblichkeit versuchen, unser Leben so sinnvoll wie möglich zu gestalten. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass es in einem Psychothriller schwerpunktmäßig um Blut, Mord und Gewalt geht. Es geht immer um das Leben und wofür es sich lohnt, dieses gegen einen tödlichen Angriff zu verteidigen.

Was gefiel Ihnen an der Idee, dass auf „The Walking Date“ (TWD) zwei Kranke mit den Profilnamen Exupérya und PetitPrince35 zusammenfinden?
Julius und Nala sind keine Reißbrett-Figuren, die nach meiner Pfeife tanzen, sondern sie haben sich während des Schreibprozesses zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickelt. Ich habe sie auf ihrer Reise lediglich beobachtet. Nicht ich, sondern die beiden haben sich „Der kleine Prinz“ ausgesucht. Wäre es nach mir gegangen, hätten die beiden sich Clarice und Hannibal genannt …

Glauben Sie auch im wirklichen Leben daran, dass man durch Bücher das richtige Gegenüber finden kann?
In „Das Horror-Date“ gibt es ja noch ein zweites Datingportal: „Das Lesen ist schön“. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Menschen, die ein ähnlich sortiertes Bücherregal haben, auch andere Gemeinsamkeiten besitzen. Und das ist doch schon mal eine gute Voraussetzung für ein schönes Date.

Hinter Exupérya verbirgt sich die 34-jährige Nala. Welche drei Stichworte charakterisieren sie am treffendsten?
Humorvoll, selbstreflektiert und familiär.

„Sie will fortan das Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen.“

Nala hat eine niederschmetternde Diagnose bekommen. Was ist an ihrer Reaktion typisch für sie?
Typisch an ihrer Reaktion ist, dass sie fortan das Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen will. Nala will sich weder von Ärztinnen oder Ärzten noch von ihren Klienten oder anderen diktieren lassen, wie sie ihre letzten Tage zu verbringen hat.

Wieviel hilft der Beziehungstherapeutin Nala ihr professionelles Wissen bei ihren privaten Herzensangelegenheiten?
So sehr sie mit ihrem fundierten Fachwissen anderen zu helfen vermag, so sehr steht sie sich selbst mental im Weg. In der konkreten Situation ist sie zu rational und zu analytisch, um sich mit Julius auf etwas einzulassen, das so gar nicht ihrer Erwartungshaltung entspricht.

Wie stellen Sie sich Raphael alias Petitprince35 vor?
Exakt so wie im Roman beschrieben.;)

Was ist an der Verbundenheit von Raphael und Julius typisch für Männerfreundschaften?
Ich hatte und habe das große Glück, Freundschaft zu Menschen zu pflegen, die auf den ersten Blick wenig mit mir gemeinsam haben. Weder vom Lebensentwurf her noch von gemeinsamen Hobbys oder allgemeinen Ansichten. Uns ist es dennoch gelungen, oft über Jahrzehnte hinweg, auf das zu fokussieren, was uns verbindet. Das ist oftmals der Humor und die Gnade, sich auf den jeweils anderen hundertprozentig verlassen zu können. In jeder Lebenssituation. Das ist auch das, was Julius und Raphael verbindet.

„Völlig unterschiedliche Charaktere in unmöglichen Situationen …“

Raphael, Julius und dessen Freunde Anselm und Stulle verbindet ihr rabenschwarzer Humor. Was hat Ihnen beim Schreiben am meisten Spaß bereitet?
Mir hat am meisten Spaß gemacht, beobachten zu dürfen, wie diese völlig unterschiedlichen Charaktere in unmöglichen Situationen aufeinandertreffen.

Manchmal zweifelt Julius daran, ob er sich auch wirklich genug in seinen sterbenskranken Freund Raphael hineinversetzen kann. Wie haben Sie selbst sich in die Situation von Raphael und Nala eingefühlt?
Ich habe leider schon einige gute Freunde viel zu früh verloren. Insofern schöpfe ich hier aus dem Erfahrungsschatz, der auch immer wieder in meine Psychothriller einfließt.

Nala fühlt sich als Psychologin getriggert von Julius´ Verhalten. Worauf springt sie am stärksten an?
Sie, die im Leben keine Zeit mehr zu verlieren hat, triggert am meisten, dass jemand mit Oberflächlichkeiten seine und damit auch ihre Zeit verplempert.

„Handelnde Figuren tanzen (leider) auch nicht nach meiner Pfeife.“

Julius geht mit einem Video viral, auf dem er sich um Kopf und Kragen redet. Warum mussten Sie ihn dadurch an seine Schmerzgrenze bringen?
Noch mal: Das ist keine bewusste Entscheidung. Das geschieht beim Schreiben. Ich habe (zum Glück) nur wenig mit den handelnden Figuren gemein. Und sie tanzen (leider) auch nicht nach meiner Pfeife.

Julius bleibt nichts anderes übrig, als Nala zu einem Fest auf einem schlossartigen Anwesen zu begleiten. Was hat Sie bei der Erschaffung dieses Szenarios und der Gesellschaft geleitet?

Auch auf diese Frage kann ich nur antworten: Ich lasse mich von der Handlung und den Figuren treiben. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich nicht plotte und strukturiere. Das geht aber nur insoweit, als dass ich den ersten Akt und die handelnden Figuren skizziere. Sobald ich dann die Beteiligten ins kalte Wasser werfe, bin ich zum Beobachter degradiert und oft selbst erstaunt, wenn mich die Handlung zum Beispiel auf ein Schloss führt. Es ist genau die Neugier zu erfahren, welche Personen ich dort antreffe, die mich täglich an den Schreibtisch führt. Wüsste ich im Vorhinein schon exakt alles, was passiert, wäre das Schreiben nur noch Arbeit und kein Vergnügen mehr für mich. Insoweit ist das Schreiben für mich wie das Leben an sich: ein Erkenntnisprozess.

„So gesehen, haben uns Bücher zusammengebracht.“

Sie sind glücklich verheiratet. Dürfen wir Sie fragen, wie Sie Ihre Ehefrau kennengelernt haben?
Ich habe meine Frau in einem völlig überfüllten ICE auf der Fahrt von Leipzig nach Berlin kennengelernt. Beim Buch-Stalking! Sie saß mir gegenüber, und ich habe versucht herauszufinden, welches Buch da aus ihrer Handtasche herauslugt. Sie hat meine ulkigen Verrenkungen amüsiert kommentiert, und wir kamen ins Gespräch. So gesehen, haben uns Bücher zusammengebracht. Auch wenn ich bei dem Titel in ihrer Handtasche vielleicht vorgewarnt hätte sein müssen. Es war nämlich „Generation Beziehungsunfähig“ von Michael Nast.

Ist das Ende von „Horror-Date“ für Sie eher ein Happy End oder ein Showdown?
Es ist (wie alles im Leben) lediglich das Ende einer Reise, die wiederum den Anfang einer neuen Reise markiert.