Deutschlands Psychologin Nr. 1: Diesen Status bestätigt Stefanie Stahl immer aufs Neue – aktuell zum 10-jährigen Jubiläum ihres Welterfolgs „Das Kind in dir muss Heimat finden“, seit 2016 „Spiegel“-Bestseller – 8 Jahre in Folge „Spiegel“-Jahresbestseller, zudem z.B. BookTok Community Buch des Jahres 2023. Wie sehr der Ratgeber zahllose Menschen anspricht, zeigen auch zigtausende persönlicher Feedbacks. Viel positives Echo für die Autorin mit dem einzigartigen Talent, komplexe psychologische Zusammenhänge klar, lebensnah und alltagstauglich darzustellen. Ideal für Selbsthilfe und Balsam für die Seele!

Wie fühlt es sich an, zum Jubiläum auf 10 Jahre Erfolgsgeschichte Ihres Weltbestsellers „Das Kind in dir muss Heimat finden“ zu blicken?
Es freut mich total. Ich hätte mit diesem giga Erfolg nicht gerechnet, einfach auch, weil der Buchmarkt, was psychologische Ratgeber betrifft, so gigantisch ist. Da draußen gibt es Millionen von Menschen, die sich mit Hilfe des Buchs effektiv aus ihrer Misere gezogen haben. Mir sind Menschen, darunter vor allem Männer, begegnet, die mir sagten, dass sie ohne das Buch nicht mehr am Leben wären. Solche Rückmeldungen sind zutiefst bewegend. 


Wodurch zeigt sich für Sie am deutlichsten, wie sehr Ihr Buch die Menschen inspiriert und weiterbringt?

Viele Menschen schreiben oder sagen mir, dass sie sich zum ersten Mal verstanden fühlen, alte Wunden heilen konnten und sie sich endlich annehmen können, so wie sie sind. Der Grund ist meines Erachtens, dass das Buch wie eine Problemlöse-Struktur angelegt ist. Unsere Probleme sind ja nur scheinbar individuell. Dahinter verbergen sich die immer gleichen Grundstrukturen und diese tiefe Einsicht vermittle ich in dem Buch. Deswegen kann sich jeder mit seinem eigenen Problem dort wiederfinden und es lösen.


Die Jubiläumsausgabe besticht durch einen Farbschnitt (golden) und auch durch ein neues Vorwort. Worauf kommt es Ihnen da bei der Akzentsetzung an?
Mir war wichtig, im Vorwort den Menschen zu danken, die dieses Buch zu dem gemacht haben, was es ist. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung an meine Leser und Leserinnen. Und auch eine Einladung, das Buch noch einmal neu zu entdecken. Der Inhalt selbst ist geblieben, weil seine Kraft in der Klarheit und Beständigkeit liegt und ich dem Inhalt, auch nach 10 Jahren, tatsächlich nichts hinzufügen kann, weil die Grundstruktur der Psyche und damit auch eines psychischen Problems sich nicht verändert hat.

„Das innere Kind ist kein esoterisches Konstrukt, sondern psychologische Realität.“

Was macht Ihr Konzept vom inneren Kind so universell und daueraktuell, dass es weltweit Menschen anspricht?

Weil es uns alle betrifft: Jedes Menschen Gehirn wird durch seine Kindheitserfahrung geprägt. Diese Prägungen haben einen enormen Einfluss auf unsere Gefühle, Gedanken, unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Bleiben sie unbewusst, sind wir die Sklaven und Sklavinnen unseres Gehirns – wir glauben dann fast alles, was wir denken und fühlen. Das innere Kind, als Metapher für diese Gehirn-Physiologie, ist also kein esoterisches Konstrukt, sondern psychologische Realität.

Sie sagen: „Das innere Kind wohnt in uns allen.“ Können tatsächlich alle Ihr Buch nutzen – auch ohne Vorkenntnisse?

Ja, absolut. Das war mir besonders wichtig. Ich wollte ein Buch schreiben, das psychologisches Wissen so vermittelt, dass es jeder verstehen und anwenden kann – unabhängig von Vorwissen oder Bildungsgrad. Selbstreflexion sollte kein Luxus sein. Eine leichte Lesbarkeit ist übrigens ein Anspruch, den ich an alle meine Bücher stelle.

„Mindestens 50 Prozent der Menschen sind überangepasst.“

Woran erkennen wir, dass unser inneres Kind dringend Aufmerksamkeit braucht?

Wenn wir uns oft gekränkt, überfordert oder abgelehnt fühlen – besonders in Alltagssituationen, die das eigentlich nicht rechtfertigen – dann spricht in diesen Momenten oft das verletzte innere Kind. Auch Dauerschleifen im Denken oder überzogenes Kontroll- und Perfektionsstreben können Hinweise sein. Mindestens 50 Prozent der Menschen sind überangepasst. Sie wollen Erwartungen erfüllen, es allen recht machen und sind konfliktscheu. Auch da steckt ein verletztes inneres Kind dahinter. Genauso wie bei jenen, die das Gegenteil praktizieren: Die sehr Freiheitsliebenden, stark Autonomen, die sich mit Ellenbogen und Egoismus durchs Leben bewegen.

Was ist der Kern unserer Psyche, an dem Ihre Methode ansetzt?

Der zentrale Punkt ist unser Selbstbild, das sich in der frühen Kindheit durch Bindungserfahrungen formt. Daraus entstehen sogenannte Glaubenssätze – also unbewusste Überzeugungen über uns selbst. Wenn die Eltern gestresst sind und das Kind zu wenig Aufmerksamkeit und Liebe bekommt, dann verinnerlicht das Kind, dass es der Liebe seiner Eltern nicht wert ist und Beziehungen nicht verlässlich sind. Das prägt sich tief als ein mangelndes Urvertrauen ein und wird als psychisches Programm ins Erwachsenleben übernommen. Der Erwachsene verfügt dann über ein geringes Selbstwertgefühl und strengt sich an, es allen recht zu machen. Oder er entscheidet sich unbewusst für die gegenteilige Strategie und denkt: „Ihr könnt mich alle mal“, und verhält sich dann auch dementsprechend.

„Glaubenssätze sind wie unsichtbare Filter.“

Ganz wichtig ist Ihnen der Begriff der „Glaubenssätze“. Was hat es damit auf sich und was macht sie so folgenreich?
Glaubenssätze sind wie unsichtbare Filter, durch die wir die Welt betrachten. Wenn ich unbewusst glaube „Ich bin nicht gut genug“, dann werde ich mich auch so verhalten – und genau das ständig bestätigt bekommen. Deshalb ist es so wichtig, diese Sätze zu entlarven und zu korrigieren. Zudem sind mit Glaubenssätzen ganze Glaubenssysteme verbunden, das heißt, die Glaubenssätze lösen Gefühle aus (zum Beispiel Scham oder Angst), und sie führen zu Selbstschutzstrategien (zum Beispiel Perfektionsstreben). Das alles gehört in meinen Ansatz zum inneren Kind dazu, den ich mit dem Schatten- und Sonnenkind neu entwickelt habe.

Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit solchen Glaubenssätzen? Haben Sie sie auch nach Ihrem Konzept behandelt?
Ich hatte das große Glück, ein geliebtes Kind zu sein. Deswegen hatte ich nicht so viele Baustellen. Aber ein Glaubenssatz hat mich begleitet: ich bin die Kleine. Ich komme aus einer Patchwork-Familie und war die Jüngste. Den habe ich aber sehr gut mit meinen eigenen Methoden aufgelöst. Der wichtigste Schritt ist da ja immer, ihn als solchen zu identifizieren und ihn auf seinen Wahrheitsgehalt für die Gegenwart zu hinterfragen.

„Selbstwirksamkeit ist ein riesiger Schlüssel!“

Welche Bedeutung messen Sie der Selbstwirksamkeit bei und wie kann dieses Potenzial mit Ihrer Anleitung umgesetzt werden?
Selbstwirksamkeit ist ein riesiger Schlüssel! Sie bedeutet: Ich kann etwas bewirken. Ich bin nicht ausgeliefert. Viele Menschen fühlen sich ihren Gefühlen und Verhaltensmustern hilflos ausgeliefert – so, als wären sie bloß Zuschauer ihres Lebens. Mein Konzept zeigt: Du kannst dich selbst verstehen und verändern. Wer seine Glaubenssätze erkennt, sein Schattenkind liebevoll in den Arm nimmt und das Erwachsenen-Ich stärkt, spürt ganz praktisch: Ich bin handlungsfähig. Ich kann mir selbst helfen. Und genau dieses Gefühl macht uns innerlich frei.

Was ist für die Befreiung von negativen Glaubenssätzen der erste Schritt?
Der erste Schritt ist immer das Erkennen. Denn solange uns unsere Glaubenssätze unbewusst steuern, laufen wir auf Autopilot. Ein guter Hinweis sind wiederkehrende Konflikte oder Gefühle – etwa: „Warum fühle ich mich immer zurückgewiesen, obwohl objektiv nichts passiert ist?“ Oder: „Warum werde ich bei Kritik sofort wütend oder klein?“ Dahinter liegt oft ein alter Satz wie: „Ich bin nicht gut genug.“ Wenn wir das durchschauen, können wir beginnen, diesen Satz zu entkräften – und durch etwas Neues zu ersetzen.

„Deine Gefühle sind nicht falsch – sondern alt.“

Wie verhelfen Sie Ihren Leser:innen zum entscheidenden Perspektivenwechsel, „sich selbst nicht mehr als Problem, sondern als Lösung zu sehen“?
Indem ich ihnen zeige, dass ihre Gefühle nicht falsch sind – sondern alt. Und dass diese Gefühle ein guter Hinweis auf ungestillte Bedürfnisse aus der Kindheit sind. Wenn man versteht: „Ah, da spricht gerade mein Schattenkind, das sich ungeliebt oder alleingelassen fühlt“, kann man aus der Opferrolle rausgehen und ins Erwachsenen-Ich wechseln. Es geht also nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Nicht: „Ich bin kaputt“, sondern: „Ich habe Prägungen – und ich kann sie verändern.“ Genau das ist der Perspektivwechsel.

Welche Rolle spielt bei Ihrem Konzept das Modell der drei Instanzen, das auf Freud zurückgeht, und wie haben Sie es erneuert und praktischer gemacht?
Ich habe das Modell alltagstauglich übersetzt. Das Schattenkind entspricht dabei dem Es – unseren unbewussten, emotionalen Anteilen. Das Sonnenkind steht für ein gesundes Selbstwertgefühl und positive Glaubenssätze. Und das Erwachsenen-Ich übernimmt die Rolle des Ichs – es ist der bewusste, reflektierte Anteil in uns, der Entscheidungen treffen und sich regulieren kann. So wird aus einem abstrakten Modell eine konkrete, innere Bühne – mit klaren Rollen, die man verstehen, trainieren und stärken kann.

„Übungen helfen, neue emotionale Erfahrungen zu machen.“

Worauf zielen die von Ihnen entwickelten Übungen ab?
Die Übungen helfen, neue emotionale Erfahrungen zu machen. Denn kognitives Verstehen allein reicht nicht – wir müssen auch fühlen, dass wir heute erwachsen sind und uns selbst schützen und versorgen können. Deshalb arbeite ich mit Visualisierungen, Briefen ans Schattenkind oder kleinen Alltagstrainingseinheiten. Das stärkt das Mitgefühl mit sich selbst und macht aus theoretischem Wissen gelebte Veränderung.

Sie zeigen den Weg von Schutzstrategien zu Schatzstrategien. Was zählt dazu?
Schutzstrategien entstehen aus Angst – etwa Perfektionismus, Rückzug oder Anpassung. Sie waren in der Kindheit vielleicht überlebenswichtig, aber heute schränken sie uns ein. Schatzstrategien dagegen entstehen aus Selbstwert – sie fördern Verbundenheit, Echtheit und Freiheit. Dazu gehört zum Beispiel: gesunde Grenzen setzen, offen sprechen, sich zeigen, Hilfe annehmen. Der Weg dahin ist kein Schalter, den man umlegt – aber eine Richtung, die sich mit jedem Schritt leichter anfühlt.

Was tun, wenn man doch mal wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt?
Dann bitte keine Selbstverurteilung! Rückfälle sind menschlich – und oft sogar hilfreich, weil sie uns zeigen: „Da ist noch ein schwacher Punkt in mir, der Aufmerksamkeit braucht.“ Die Kunst ist, sich nicht zu verurteilen, sondern sich liebevoll zu fragen: „Was hat mich da gerade so getriggert?“ Oder: „Was hätte mein inneres Kind in diesem Moment gebraucht?“ Genau solche Fragen holen uns zurück in die Selbstverbindung und geben uns eine neue Chance.

Welche Stichworte würden Sie heute zu Ihrem eigenen „Sonnenkind“ notieren?
Ich hatte schon immer sehr viel Lebensfreude. Das ist bis heute so geblieben.