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Seit einem Bühnengag zur Sendung „Hätten Sie heut‘ Zeit für mich“ im Jahr 1972 klebt „Vorsicht Glas“ an Uschi Glas – und sie nimmt es mit Humor. Aufgewachsen in Nachkriegsdeutschland, stand die Schauspielerin immer auf eigenen Beinen. Ihre Unabhängigkeit war und ist ihr ein hohes Gut. Hoffnungsträgerinnen hat sie nicht nur vor der Kamera verkörpert, sondern sie ist auch selbst eine geworden: Uschi Glas bildet sich ihre eigene Meinung und vertritt sie. Und sie steht auch mit 80 Jahren voll im Leben!
Was hat Sie animiert, Ihr aktuelles Buch zu schreiben?
Ich erzähle von wichtigen Stationen meines Lebens und von Menschen, die mich geprägt haben, vor allem von Frauen, die vorgelebt haben, wie wichtig es ist, unabhängig zu sein und sich nicht anzupassen. Mir ist es ein wirkliches Anliegen, den Leserinnen und Lesern Mut zu machen, in schwierigen Zeiten wie diesen niemals ihren Optimismus zu verlieren, und auch Nein zu sagen, wenn ihnen etwas nicht passt.
Auch als Mutter kleiner Kinder haben Sie gearbeitet und Filme gedreht, wie „Zwei Münchner in Hamburg“. Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?
Es war immer ein Spagat, aber ich hatte das Glück, es mir so einrichten zu können, dass ich weniger arbeite, um mehr bei der Familie zu sein. Außerdem hatte ich eine wunderbare Kinderfrau, auch eine der starken Frauen, von denen ich schreibe. Meine Situation war aber natürlich privilegiert, und nicht zu vergleichen mit der alleinerziehender Mütter heutzutage, die Unglaubliches leisten und viel zu wenig unterstützt werden.
„Ich wollte keine Abhängigkeit …“
Schauspieler:innen haben oft nur Zeitverträge oder sind Selbstständige, also kaum abgesichert. Wie hat Sie das beeinflusst?
Ich war immer freischaffend, immer selbständig, aber ich wollte auch keine Abhängigkeit, weder von einem Produzenten noch von einem Sender, geschweige denn von einem Mann.
Risiken haben Sie nie gescheut, auch nicht, als Sie in den 1970er Jahren eine Boutique für Kindermode eröffneten – wieder eine Selbstständigkeit mit voller Verantwortung. Was hat Sie dabei angetrieben?
Eine große Lust auf Mode. Damals gab es bei uns einfach keine schöne Kindermode, weshalb ich bekannte Damenmodemacher animierte, Kreationen für Kinder zu entwerfen. Die habe ich dann mit großer Freude in meinem Laden auch selbst verkauft. Wenn ich nicht drehte, stand ich im Laden.
Freiheit ist für Sie ein hohes Gut. Was verstehen Sie darunter?
Ohne Freiheit keine Demokratie. Ich war immer politisch interessiert und wäre niemals auf die Idee gekommen, bei einer Wahl nicht zu wählen. Dass unsere Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist, erfahren wir in diesen Tagen. Da ist jeder gefordert.
„ … auf Augenhöhe mit dem Gegenüber zu sein.“
Wie gleichberechtigt sind wir inzwischen?
Es hat sich viel verbessert, aber wir sind längst nicht am Ziel. Emanzipation bedeutet für mich, auf Augenhöhe mit dem Gegenüber zu sein. Das fängt beim gegenseitigen Respekt an und hört lange nicht bei einer gerechten Bezahlung auf. Es ist noch eine Menge zu tun.
Im Lauf Ihrer Karriere haben Sie zunehmend Rollen starker und selbstständiger Frauen übernommen. War das Zufall oder Absicht?
Jede meiner Rollen habe ich aus Überzeugung ausgesucht. Ja, es waren oft die Frauen, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließen. Aber nicht nur.
Ihre Film- und Schauspielkarriere ist reich an Highlights. In welcher Rolle steckt am meisten von Uschi Glas?
Ein Fünkchen steckt in jeder Rolle, und ich mag sie alle. Von der Apanatschi bis zur Anna Maria, und nicht vergessen die Lehrerin Ingrid Leimbach-Knorr in „Fack ju Göthe“.
„Ich erlaube mir, meine eigenen Gedanken zu haben.“
Sie attestieren sich selbst einen angeborenen Widerspruchsgeist. Wo zeigt sich der auch heute noch?
Ich nehme nichts für gegeben, erlaube mir, meine eigenen Gedanken zu haben und möchte mir mein eigenes Bild zu Themen machen. Dazu höre ich mir auch alle unterschiedlichen Meinungen an. Wenn ich mit etwas nicht übereinstimme, lege ich mein Veto ein. Das ist wirklich angeboren. Schon mit meinem Vater habe ich immer nur diskutiert.
Sie sind ein Mensch, der sich gesellschaftlich einmischt und vor allem engagiert. Zum Beispiel mit dem von Ihnen mitgegründeten Verein „brotZeit e.V.“. Was bedeutet Ihnen dieser Verein, dieser Einsatz?
Ich engagiere mich gern, mische mich gerne ein, auch wenn es unbequem ist. Mit „brotZeit“ versorgen wir täglich mehr als 15.000 Kinder mit einem gesunden Frühstück. Dass uns das gelingt, macht mich froh, aber glücklich wäre ich, wenn das alles gar nicht erst nötig wäre.
Seit Jahren engagieren Sie sich auch als Schirmherrin der Deutschen Stiftung Patientenschutz und plädieren dafür, „den Tod nicht auszugrenzen.“ Wie weit sind wir als Gesellschaft bei diesem Thema?
Seit den 90er Jahren hat sich viel getan, was Palliativmedizin und Sterbebegleitung betrifft. Viel, aber nicht genug. Fachpersonalmangel kommt heute erschwerend hinzu, und immer noch ist Sterben ein großes Tabu unserer Gesellschaft.
Ihr Vater gab Ihnen den Rat, so zu leben, dass Sie abends in den Spiegel schauen können. Daraus haben Sie ein persönliches Ritual abgeleitet. Wie wichtig ist Ihnen diese Zwiesprache mit Ihnen selbst?
Am Abend den Tag Revue passieren zu lassen, macht mir bewusst, was an diesem Tag wirklich wichtig und was nebensächlich war. Was mir gelungen ist, was ich falsch gemacht habe. Man lernt auf diese Weise, ehrlich mit sich zu sein und sich nichts schönzureden.
„Respektvoller Umgang miteinander ist wichtig.“
Sehr am Herzen liegt Ihnen respektvolles Verhalten. Was macht Sie zuversichtlich, dass Respekt erlernbar ist?
Ich erlebe es bei „brotZeit“ und durch Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern, wie wichtig ein respektvoller Umgang miteinander ist. Es soll nicht naiv klingen, denn der Alltag an deutschen Schulen kann ganz schön hart sein, aber dennoch: Kindern mit Respekt zu begegnen, setzt sich fort, auf dem Schulhof und bis in die Familien.
Auch heute noch sprühen Sie vor Energie. Was hilft Ihnen, Ihre Batterie aufzuladen?
Mein Mann, meine Kinder, meine Enkel und viele tolle Aufgaben, die ich auch mit 80 Jahren plane.