Ruhen Sie meistens in sich selbst oder ringen Sie mitunter auch um Gelassenheit?
In einer so unruhigen Welt wie aktuell fällt mir Gelassenheit oft schwer. Aber ich weiß, was Menschen alles Gutes bewirken können, wenn sie wollen. Das stimmt mich zuversichtlich – und beruhigt mich.
Ist Ihr Buchtitel „Gute Nacht, Gehirn“ eine liebevolle Aufforderung oder ein (selbst)ironisches Stoßgebet?
Es soll auf humorvolle und leichte Weise daran erinnern, wie sehr wir selbst mitbestimmen können, was wir in unseren Kopf lassen und womit wir unser Gehirn am Ende eines Tages beruhigen.
„Informationsmist ist kein guter Gedankendünger.“
Warum sollten wir uns auch als Erwachsene Gutenachtgeschichten gönnen?
Weil sich gute Gedanken am Abend in der Nacht in eine Lösung für ein Problem verwandeln können, oder in eine gute Idee, die uns am nächsten Morgen in eine Aufbruchstimmung versetzt. Informationsmist ist dagegen kein guter Gedankendünger.
Wer Ihr Buch als Schlafratgeber versteht, liegt falsch, oder?
Ja. Meine Gedankensammlung ist kein medizinisches Fachbuch über Schlaf. Stattdessen sind dort viele spannende und unterhaltsame Inhalte aus der Welt von Geist und Gehirn enthalten, die die Leserinnen und Leser auf eine positive Weise anregen und unterhalten sollen.
Wie man sich bettet, so liegt man, sagt der Volksmund. Was sagen Sie?
Ein wesentlicher Grund für Unruhe ist die Informationslast. Schicksale, Krisen und Katastrophen einerseits, aber auch Aufgaben, Verpflichtungen und Termine andererseits. Unser Geist ist heute hyperaktiv, so dass er kaum noch aus dem Denken herauskommt. All das kreist in unserem Kopf, lässt uns abends immer schwerer abschalten und bringt uns zunehmend mehr ins Grübeln und Sorgen.
Den Weg zu innerer Ruhe betten Sie in ein ganzheitliches Konzept. Zu welcher Lebenshaltung oder Lebensphilosophie möchten Sie verhelfen?
Ein Schlüssel ist die Aufmerksamkeit! Es ist heute wichtiger denn je, sich auf das zu fokussieren, was relevant, wichtig und gut ist, auf das, was zu einem gelingenden Leben beiträgt. Statt sich aufwühlen zu lassen von den Dingen, die einen permanent runterziehen und die Lust auf die Zukunft rauben.
„Gedanken, die wir abends pflanzen, verhalten sich wie eine Saat.“
Wie können wir unser Gehirn zu unserem Verbündeten machen, um leichter Ruhe zu finden?
Geschichten vom gelingenden Leben, von den Chancen, die man hat, von den Möglichkeiten, die einem das Leben bietet, können etwas in Gang bringen, was unser eigenes Leben auf eine gute Weise beeinflusst. Der Zeitraum vor dem Zubettgehen eignet sich hierfür hervorragend. Denn Gedanken, die wir abends pflanzen, verhalten sich wie eine Saat. Mit etwas Glück gehen sie in der Nacht auf und blühen am nächsten Morgen.
Schon am Anfang empfehlen Sie ein allabendliches „Selbst-Feedback“. Wie funktioniert dieses Ritual und wie hilft es?
Ich empfehle, sich am Ende eines Tages ein paar Dinge ins Gedächtnis zu rufen, die einem geglückt sind und zu denen man selbst beigetragen hat. Das schafft eine „faire Bilanz“ zwischen dem Drama in der Welt, an das man in den Medien tagtäglich erinnert wird, und den guten Seiten des Lebens, die leider allzu schnell in Vergessenheit geraten. Außerdem erinnern uns kleine Geschichten des Gelingens an die Fähigkeit, dass wir im Leben weitaus mehr Herausforderungen bewältigen können, als wir es uns selbst oft eingestehen wollen.
„Rituale helfen, Stress zu reduzieren.“
Rituale spielen eine große Rolle in Ihrem Buch. Aus welchen guten Gründen?
Weil ein paar gute Gewohnheiten in schweren Zeiten immens dabei helfen können, Stress zu reduzieren und innerlich zur Ruhe zu kommen. In Zeiten der Veränderung vergessen wir oft, wie wichtig Rituale sind, damit wir nicht unsere Mitte verlieren. Gewohnheiten können also etwas sehr Gutes sein. Daran möchte ich in einem Kapitel erinnern.
Wie hängt unser Bauchgefühl mit der „Bibliothek im Gehirn“ zusammen und was hat es damit überhaupt auf sich?
Es handelt sich um unsere Erlebnisse und Eindrücke, die unser Gehirn sehr sorgfältig in verschiedenen Regionen speichert – wie Bücher in einer Bibliothek. Diese gesammelten Erfahrungen sind der Dreh- und Angelpunkt unserer Intuition. Unsere innere Stimme ist allerdings in der Flut an Reizen und Informationen oft gar nicht mehr hörbar. Deshalb beschreibe ich in meinem Buch, wie wir unserem Bauchgefühl wieder mehr Gehör verschaffen können.
Apropos Bibliothek: Gute Bücher können einen in Nullkommanichts in eine andere Gemütslage versetzen. Wie kann Lesen guten Schlaf fördern?
In der reizreichen Welt des Tages müssen wir uns meistens körperlich anstrengen und geistig konzentrieren. Die Nacht ist dagegen eine Traumwelt, die von Bildern und Vorstellungen geprägt ist. Lesen hilft bei diesem Übergang. Die Geschichten lassen uns sanfter hinübergleiten – und fördern den Schlaf.
Ein Schlüsselwort – und zugleich für viele ein Fremdwort – ist „Philautia“. Was ist das und wie hilft uns diese Haltung, mit uns und der Welt im Einklang zu leben?
Es ist ein alter griechischer Begriff für etwas, das wir heute „Selbstliebe“ nennen: Eine wohlwollende und barmherzige Haltung, die davon geprägt ist, zu sich selbst freundlich zu sein und mit seinen Fehlern und Schwächen nachsichtig umzugehen. Menschen, die im Kindesalter durch ihre Eltern wenig Liebe geschenkt bekamen, verfügen oft über ein niedriges Selbstwertgefühl. Ihre Philautia hat sich nie entfalten dürfen. In dem Buch zeige ich, wie Betroffene trotz einer solchen Vergangenheit Selbstliebe entwickeln können.
„Wichtig ist … den Sinn IM Leben zu finden.“
Welchen Perspektivenwechsel schlagen Sie rund um den Sinn des Lebens vor?
Wichtig ist, nicht DEN Sinn des Lebens finden zu wollen (das haben Philosophen selbst in 2.500 Jahren nicht geschafft), sondern vielmehr den Sinn IM Leben. In dem entsprechenden Kapitel stelle ich dar, aus welchen Komponenten SINN überhaupt besteht und wie man ihn im beruflichen und privaten Alltag findet. Dabei ist oft gar nicht so entscheidend, wie bedeutsam es ist, was wir tun, sondern etwas ganz anderes.
Nicht zuletzt animieren Sie zum Sammeln von Glücksmomenten. Worauf kommt es dabei an?
Glück ist ebenfalls ganz stark abhängig von unserer Aufmerksamkeit. Die Forschung zeigt: Viele Menschen könnten deutlich mehr Glücksmomente erleben, wenn sie ihre Umwelt besser wahrnehmen würden. Aber in einer Welt voller Ablenkungen entgehen uns viele dieser Momente schlichtweg. Anhand von mehreren rührenden Geschichten möchte ich das in meinem Buch zeigen. Das Kapitel über Glück lag mir besonders am Herzen.
Jedes Buchkapitel beenden Sie mit einem „Schlusslicht“. Was ist das und wie entfaltet es Strahlkraft?
(lacht)… Das war, ehrlich gesagt, eine ziemlich spontane Idee, da mir einmal auffiel, dass ich unmittelbar vor dem Einschlafen oft die besten Ideen habe. Seitdem liegen ein Block und ein Stift auf meinem Nachtkasten. Wenn die Kraft noch reicht, schreibe ich diesen Gedanken auf. Mein persönliches Schlusslicht ist also der letzte „gute Gedanke“ des Tages. Das wollte ich meinen Leserinnen und Lesern auch schenken.

