„WÄRE ICH EINE Speise, dann wohl Gyros mit Bratkartoffeln. Ich bin Europäerin“, lacht Linda Zervakis, wenn sie auf ihre zwei Pässe angesprochen wird. Keine Seltenheit, seit die in Hamburg geborene Tochter griechischer Gastarbeiter 2013 Sprecherin der Tagesschau-Hauptausgabe wurde. Als Autorin bereits erfolgreich mit „Königin der bunten Tüte“, autobiographischen Geschichten aus dem Hamburger Kiosk ihrer Eltern, spürte sie für ihr neues Buch den Wurzeln ihrer Familie in Griechenland nach.

Sie werden oft in Talkshows eingeladen – und dort nicht selten zum Ouzo-Testen gebeten. Würden Sie sich mal über Abwechslung freuen?
Finde ich ehrlich gesagt besser als nur Salzstangen. Im Ernst, das ist doch eine schöne Geste. Vielleicht schlage ich beim nächsten Mal eingelegte Weinblätter, Weißbrot und Olivenöl vor, um an schöne Griechenland-Urlaube zu erinnern.

Ihr Tagesschau-Ich definieren Sie als „seriös, neutral, hanseatisch“. Wie würden Sie sich jenseits der Kameras charakterisieren?
Zuverlässig, aufgeweckt und meistens gut gelaunt.

„Glücklich mit dem, was wir hatten“

Viele kennen Sie als „Königin der bunten Tüte“ aus Ihrem gleichnamigen Buch über Ihren Familien-Kiosk. Was haben Sie in schönster Erinnerung? Was weniger?
Die schönste Erinnerung ist eigentlich die, dass wir jeden Tag irgendwas Spannendes erlebt haben und glücklich waren mit dem, was wir hatten. Weniger schön waren die Erlebnisse, wenn Betrunkene im Kiosk einkaufen waren und extrem nach Alkohol rochen.

Mitte Juni haben Sie Ihren wöchentlichen Spotify-Podcast“ gestartet: „Linda Zervakis präsentiert gute Deutsche“. Was ist Ihre Grundidee?
Ich wollte gerne diese Schwere aus dem Thema „Mensch mit Migrationshintergrund“ nehmen und anhand von prominenten Beispielen zeigen, dass diese Menschen zwar auch einen Migrationshintergrund haben, aber deswegen ja keine schlechteren Menschen bzw. schlechtere Deutsche sind und damit auch so etwas wie Symbolfiguren sein können für Menschen, die auch andere Wurzeln in sich tragen.

Nun haben Sie eine Art „Alles auf Anfang“ in eigener Sache nachgeholt: die Geschichte Ihrer Familie. Wie kam es dazu?
Meine Eltern haben immer hart gearbeitet und deshalb habe ich sie tagsüber nur selten zu Gesicht bekommen. Als mein Vater starb und meine Mutter 15 Stunden am Tag im Kiosk stand, war auch nicht wirklich Zeit, um in Ruhe auf all die Teaser, also die kleinen Geschichten aus ihrem Leben, einzugehen. Als meine Mutter in Rente ging, ist sie zum ersten Mal seit langem zur Ruhe gekommen und hatte Zeit, ihre Memoiren aufzuschreiben.

Was macht „Etsikietsi“ für Sie zum idealen Titel?
Etsikietsi bedeutet ja „so lala“ oder „mal so, mal so“. Das war und ist der rote Faden in meinem Leben. Es lief eigentlich sehr lange nur so lala. Und auch heute passt dieser Gemütszustand ziemlich gut, denn ich bin weder nur Deutsche noch nur Griechin, sondern irgendwas dazwischen.

Sie widmen „Etsikietsi“ Ihrer Mutter Chrissi. Wofür sind Sie ihr besonders dankbar?
Meine Mutter hat wenig von den schönen Seiten des Lebens mitbekommen. Ich bewundere sie, dass sie all das überstanden hat und auch noch drei Kinder groß gezogen hat. Ich habe größten Respekt vor ihrem Leben und deswegen ist das ein Dankeschön an Sie.

Was genau war der Auslöser für Sie, Ihre Familiengeschichte mütterlicherseits zu ergründen? Was hat es Ihnen so wichtig gemacht?
Ich habe meine Großeltern nicht mehr richtig miterlebt, weil sie gestorben sind, als ich noch ein kleines Kind war. Seit meine Mutter in Rente gegangen ist, hat sie vermehrt von ihren Eltern gesprochen, und ich habe gemerkt, dass ich darüber einfach mehr wissen wollte.

Wie war die erste Reaktion ihrer Mutter auf Ihr Buchprojekt?
Ich habe ihr immer wieder Zwischenergebnisse vorgelesen – in der Hoffnung, dass sie damit einverstanden ist. Ich würde sagen, das kam alles gut an.

„… in eine griechische Göttin verwandelt“

Am Anfang lesen sich die Erzählungen von Ihrer Mutter wie eine Art Mosaik griechischer Spezialitäten. Wie hat sich das Bild Ihrer Mutter für Sie im Lauf Ihres Buchprojekts verändert?
Meine Mutter hat sich von einer griechischen Spezialität in eine griechische Göttin verwandelt.

„Etsikietsi“ ist die Geschichte einer gemeinsamen Reise. Welchem Kompass sind Sie gefolgt?
Da ich ein absoluter Bauchmensch bin, war es auch dieses Mal der Bauch. In meinem Kopf hatte ich den Besuch bei meiner Tante grob eingeplant, wusste aber nicht, wie und ob wir das hinbekommen. Von meiner Tante, der Schwester meiner Mutter, hatten wir schon lange kein Lebenszeichen mehr gehört, weil sie kein Telefon mehr besaß. Also war der Plan, persönlich nachzuschauen.

Was hat Sie am meisten berührt und erstaunt bei Ihren Familienrecherchen? Was haben Sie als glücklichsten Moment erlebt?
Ich war erstaunt darüber, wie sehr die Nazis in Griechenland gewütet haben. Das wusste ich zwar, aber ich dachte, dass meine Großeltern vielleicht nicht so stark davon betroffen waren. Diese Themen wurden bei uns immer umgangen und am Abendbrottisch nicht groß thematisiert. Der schönste Moment: als meine Mutter ihre totgeglaubte Schwester in den Armen hält und ich sie sehe, wie ihr vor Glück die Tränen im Gesicht runterlaufen.

„Wie ein Traum“

Sie waren nicht nur aus privaten Gründen in Griechenland unterwegs, sondern auch hochoffiziell. Wie kam es zu dem Staatsbesuch und welchen Stellenwert hat er für Sie?
Frank-Walter Steinmeier hat mich zu einer dreitägigen Reise eingeladen, ich sollte ihn gemeinsam mit Vicky Leandros und einer ganzen Delegation nach Griechenland begleiten, weil ich – sinngemäß – eine Brücke zwischen beiden Ländern darstelle. Das war wirklich wie ein Traum. Ich habe ihn erst realisiert, als Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender an Bord des Luftwaffen-Airbus´ mir persönlich die Hand gereicht haben.

In der Presse tauchte auf, dass Sie mit zwei Ideen spielen: eine TV-Unterhaltungsshow und eine Frühstückspension in Griechenland. Wann laden Sie zur Premiere und zur Eröffnung ein?
Vielleicht kombiniere ich beide Ideen. Die Frühstückspension ist die Location für die TV-Show. Ein schöner Ort, an dem ich Menschen zum Essen einlade. Also zum Frühstück. Denn kochen kann ich immer noch sehr schlecht für eine Griechin.

Wie lautet Ihr liebstes griechisches Sprichwort?
Και με τα χίλια βάσανα, πάλι η ζωή γλυκιά ‘ναι. Heißt übersetzt: Auch mit tausend Sorgen bleibt das Leben süß.