Willkommen im Club der roten Dichter?

ES IST LEICHT, mit Anna Seghers (1900-1983) ins Gericht zu gehen. Der Schriftstellerin mit Sonderstatus als DDR-Star wirklich gerecht zu werden, kommt allerdings einem Kunststück gleich. Volker Weidermann gelingt es grandios, weil er nicht nur ein hervorragender Literaturexperte ist, sondern auch ein psychologisch feinfühliger Poet. So blickt er hinter die Kulissen und beleuchtet ein im Detail kaum bekanntes Kapitel aus Anna Seghers‘ Biografie: ihr Exil in Mexiko. Im ersten Moment war es nach der Flucht vor dem Krieg und der Verfolgung in Europa eine Notlösung, dann die große Liebe. Bei der Ankunft konnte Anna Seghers nicht ahnen, wie entscheidend die Jahre von 1941 bis 1947 sie prägen würden. In Mexiko-Stadt erfuhr sie vom Tod ihrer Mutter im KZ und überlebte selbst nur mit knapper Not einen Unfall. Sie lernte faszinierende Künstler und kritische Geister wie Pablo Neruda, Diego Rivera und Frida Kahlo kennen und wurde selbst weltberühmt durch den Roman „Das siebte Kreuz“, ihren wichtigsten literarischen Beitrag zu einer besseren Welt. Diese Idealvorstellung leitete sie auch als Mitbegründerin des legendären Heinrich-Heine-Klubs und als Kommunistin. Allerdings war diese geistige Heimat vermint und lehrte sie das Fürchten vor den eigenen Genossen, die die Linientreue überwachten und Abweichler an die Mächtigen in Moskau verpfiffen. Ein erzählerisch brillantes, facettenreiches Lebensbild einer Heldin voll innerer Widersprüche zwischen Sehnsuchtszielen, Schweigen im falschen Moment und dem unerschütterlichen Glauben an das Gute!​