Gewaltlos zum Sieg

GESCHICHTE GESCHRIEBEN hat Bernd-Lutz Lange nicht nur in seinen Romanen, sondern auch im wirklichen Leben – damals, als um Freiheit gerungen wurde und Deutschland sich tiefgreifend veränderte. Der Schriftsteller und Kabarettist war in Leipzig im Epizentrum dabei, als der 9. Oktober 1989 zum Schicksalstag der friedlichen Revolution gegen die DDR-Diktatur wurde. Und er übernahm eine Schlüsselrolle, als die Lage sich zuspitzte. Die SED-Führung wollte als Nachhall des 40-jährigen DDR-Staatsjubiläums ihre Macht beweisen, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Stunde der Entscheidung rückte näher – die Volksarmee ebenfalls. Die friedfertige Opposition aber ließ sich nicht einschüchtern, im Gegenteil: Immer mehr Menschen versammelten sich zum traditionellen Friedensgebet und zum Demonstrationszug. Dann am Innenstadtring die Konfrontation: martialisch ausgerüstetes Militär samt Bereitschaftspolizei gegen 70.000 Zivilisten, vereint unter der Maxime „Wir sind das Volk!“ Die Eskalation schien unausweichlich. Doch bevor etwas passierte, zog sich die haushoch überlegene Staatsmacht rätselhafterweise zurück. Ein völlig unerwarteter Sieg des friedlichen Widerstands – zu verdanken ist das auch dem Aufruf zur Besonnenheit der „Leipziger Sechs“, darunter Bernd-Lutz Lange. Seine Erinnerungen schildert er im Gemeinschaftswerk mit seinem Sohn, dem Historiker Sascha Lange, der Quellen erschließt und rekonstruiert, was sich an den Schaltstellen des Staatsapparats abspielte. Das eindrucksvolle Zeugnis eines „kolossalen Akts der gewaltlosen Selbstbefreiung“ und ein wegweisendes Hoffnungssymbol.