Aufschwung für die Wahrheit

ÄRMEL HOCHKREMPELN, die Trümmer des Zweiten Weltkriegs wegräumen und von ein bisschen Wohlstand träumen. Nierentischlein, deck dich. Im VW-Käfer einer besseren Zukunft entgegen. Kaum ein Kapitel der deutschen Geschichte ist im kollektiven Gedächtnis und in den Geschichtsbüchern so positiv verankert wie Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Und sah die Welt im Schein der Tütenlampen nicht wirklich viel rosiger aus als in den Kriegsjahren? Durchaus, räumt die Expertin Ulrike Herrmann ein. Vor allem aber findet sie, dass es höchste Zeit ist, die deutsche Wirtschaftsgeschichte genauer zu beleuchten. Als gelernte Bankkauffrau und „taz“-Wirtschaftskorrespondentin mit Studium der Geschichte und Philosophie nimmt die Bestsellerautorin die entscheidenden Punkte und Protagonisten kritisch in den Blick. In ihrem neuen Buch klärt sie, welche Mythen wir nicht für bare Münze nehmen sollten, z.B. das Wirtschaftswunder und dessen „Vater“ Ludwig Erhard sowie die Bundesbank als „Hüterin der D-Mark“. Im Fokus: unser gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Leitbild, die „soziale Marktwirtschaft“. Wer das als Versprechen von sozialem Ausgleich deutet, dem öffnet Herrmann die Augen. Von der Vorgeschichte im Deutschen Reich über die Währungsreform im Schlüsseljahr 1948 über den Preis der Wiedervereinigung 1989 bis in die Gegenwart reicht das große Panorama. Die Autorin forscht und fragt konsequent: Leistung lohnt sich? Für wen? Wer paktiert und profitiert? Ein mutiges Debattenbuch, das zum Abschied von Legenden aufruft und wichtige Lektionen für die Zukunft liefert.