Lalena Hoffschildt ist von Kindesbeinen an dem Lesen verfallen – die Ausbildung zur Buchhändlerin, die sie 1995 bei Hugendubel am Marienplatz antrat, war quasi zwingend. Aktuell ist Lalena im Filialleitungsteam am Stachus tätig – und auf Instagram unter @lalenaparadiso aktiv. Die Interview-Serie #ZehnFragenAn entstand mehr oder minder durch Zufall. Heute interviewt sie für uns den Schriftsteller Bov Bjerg.

1. Der Name Bov Bjerg klingt absurd, am ehesten finnisch, ist der echt?
Bov ist die Abkürzung von Borislav. In meiner Jugend wurde ich „Boris“ gerufen, aber als im Jahr 1985 ein 17jähriger Leimener Wimbledon gewann, war dieser Spitzname, naja, ich will nicht sagen kontaminiert, aber doch vergeben. Bjerg ist ein ganz normaler dänischer Nachname. Ich glaube, es war mein Ururgroßvater, der damit irgendwann in Deutschland gelandet ist.

2. 
Mit „Serpentinen“ liegt nun nach „Auerhaus“ dein neuer Roman vor, der sich als Vater-Sohn-Geschichte liest, aber auch als Kampf gegen Depression und Suizid. Dein Protagonist kehrt zurück an den Ort seiner Kindheit, der eben jenes Dorf aus „Auerhaus“, deinem Vorgängerroman, ist. Trotz der düsteren Thematik ist der Humor ein ständiger Begleiter. Ist das angeboren oder erarbeitet?
Angeboren ist ja wenig, außer, wenn man Glück hat, zwei Arme und zwei Beine und ein Kopf. Nein, im Tragischen das Lächerliche zu sehen, ist eine lang geübte Methode, sich gegen die Zumutungen zu imprägnieren, die so ein Leben einem immer wieder vor die Nase setzt.

3. 
„Auf der Aufbau-Taschenbuchausgabe vom „Auerhaus“ klebt ein begehrtes Schildchen: „Bestseller“ steht da drauf. Da freut sich die Buchhändlerin, wenn es wieder mal gelungen ist, ein Stück Literatur so weit zu streuen. Was sagt der Schriftsteller dazu?
Das läuft auf Komplimentfischerei hinaus, nicht? Na gut. Der Schriftsteller sagt dazu: Ohne Buchhändlerinnen wären wir komplett im Arsch. Ist wirklich so. Die Buchhändlerinnen empfehlen nicht nur die Bücher des Schriftstellers, nein, sie haben auch noch die phänomenale Gabe, ihre Kundinnen und Kunden zu bewegen, zu Lesungen zu kommen. Wie machen sie das? Ist es die Peitsche oder ist es Telekinese? Man weiß es nicht.

4. „Auerhaus“ wurde 2019 verfilmt. Wie fühlt sich das an, wenn der eigene Roman zu Bild und Ton wird?
Neele Vollmar hat einen sehr stimmigen Film gemacht, mit großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern und an Orten, die gruselig echt nach BRD der achtziger Jahre aussehen. Aber wie fühlt sich das an? Interessant, aber auch relativ weit weg. Ein Film muss sich festlegen, eben in dem einen Bild und dem einen Ton. Dadurch ist er natürlich weniger offen für die eigenen Vorstellungen, die man sich beim Schreiben (wie beim Lesen ja auch) von Personen, Orten, Handlung macht. Und es gibt wegen des damit verbundenen Aufwands eben nur den einen Film. Die Bühnenfassungen des Romans dagegen dürfen vielfältiger sein, auch radikaler.

5. Weshalb bist du mit „Serpentinen“ nochmal in das Dorf aus „Auerhaus“ zurückgekehrt, oder anders gefragt: Was gibt dir den Impuls zu schreiben?
Die Gegend hätte auch eine ganz andere sein können. Den Albtrauf kenne ich nun einmal. Ich fand es auch reizvoll, die enormen Veränderungen anzudeuten, die dort in den letzten dreißig Jahren stattgefunden haben. In der Gesellschaft, wie überall, aber in dieser Gegend eben auch sehr sichtbar in der Landschaft. Zurzeit wird die Gegend zwischen Stuttgart und Ulm ja völlig umgegraben und durchlöchert. Das fand ich als Hintergrund des Romans ganz passend.

6. In den 80ern, in denen „Auerhaus“ angesiedelt ist, war es noch schwer, aus den dörflichen Strukturen auszubrechen und z. B. Abitur zu machen. Wie schätzt du das heute ein, in unserer vernetzten Welt. Gibt es da immer noch so ein Stadt-Land-Gefälle?
Ich denke, das ist kein Stadt-Land-Gefälle, sondern einfach ein sozialer Unterschied. Dem Bildungsbürger ist es egal, ob er auf dem Land wohnt oder in der Stadt, seine Kinder werden so oder so auf die Uni gehen. Und ein Schulabbrecher bleibt auch mit einem noch so dicken Glasfaseranschluss ein Schulabrecher.

7. Bei dir ist das Dorf keine heile Welt, hier gibt es Gewalt, Stumpfsinn und Alkoholismus. Ja wo ist sie denn, die Idylle? Gibt es die etwa nicht?
Aber sicher doch! Die Landschaft ist an manchen Stellen noch wunderschön!

8.
 Wieviel kannst du deinen Lesern zumuten, ist das ein Gedanke, der dich beeinflusst beim Schreiben?
Ich habe mich eher gefragt: Wieviel kann ich mir selbst zumuten? In den „Serpentinen“ habe ich mir ziemlich viel zugemutet, manchmal auch zu viel.

9. Schauspieler, Autor, Koch … habe ich im geschwätzig weiten Netz gelesen. Das mit dem Autor geht klar, Schauspieler kann ich mir prima vorstellen, Koch macht mich neugierig. Was kochst du denn so?
Alles, was keine Augen hat. Ich habe ab und zu für eine Theatergruppe gekocht, während der Proben an einem Stück. Der Hinweis, dass ich mal Koch gewesen sei, hält sich hartnäckig im Netz. Was viel zu selten erwähnt wird: Dass ich auch schon als Feuerwehrmann, Pirat und Astronaut gearbeitet habe.

10. Stell dir vor, du hättest aus einem märchenhaften Grund drei Wünsche frei, welche wären das?
Exakt drei? Das ist einfach. Dass es meinen Kindern immer gut gehen möge, dem ersten wie dem zweiten wie dem dritten.