Lalena Hoffschildt ist von Kindesbeinen an dem Lesen verfallen – die Ausbildung zur Buchhändlerin, die sie 1995 bei Hugendubel am Marienplatz antrat, war quasi zwingend. Aktuell ist Lalena im Filialleitungsteam am Stachus tätig – und auf Instagram unter @lalenaparadiso aktiv. Die Interview-Serie #ZehnFragenAn entstand mehr oder minder durch Zufall. Heute interviewt sie für uns den Schriftsteller und Journalist Christoph Poschenrieder.

1. Wieder ist es soweit! Du hast einen Roman beendet, jetzt geht er hinaus in die Welt, verselbstständigt sich und ist dem Wohl und Wehe des Buchmarktes ausgesetzt. Wie fühlt sich das an?
Schrecklich. Vom letztlich doch souveränen Schaffensprozess in die total passive Rolle geworfen. Wie ein Reh auf der Waldlichtung bei Vollmond. Jeder darf auf dich ballern, mit oder ohne Jagdschein. Und dann die Frage: Mögen es die Leser/innen? Kaufen sie es? Wird es ein Erfolg/Achtungserfolg/Misserfolg/Flop? Ich wünschte, es wäre schon vorbei.


2. 
Was fasziniert dich an historischen Persönlichkeiten wie Schopenhauer in „Die Welt ist im Kopf“ oder jetzt in deinem neuen Roman „Der unsichtbare Roman“, Gustav Meyrink?
Es sind die Personen selbst, nicht das „Historische“ an ihnen, das läuft bloß nebenher. Irgendeine gemütliche historische Kulisse zu bauen, interessiert mich überhaupt nicht. Diese Figuren und die Situationen, in denen sie stecken, haben etwas ganz und gar Gegenwärtiges. Wer meine Bücher liest, sollte das Historische eigentlich komplett vergessen. Lesen ist jetzt.

3. 
Gesellschaftliche Themen wie in „Mauersegler“, oder „Kind ohne Namen“
gelingen dir ebenso mühelos. Wie findest du deine Stoffe, oder finden sie dich?
Vielleicht nicht so ganz mühelos … aber ja, das Schönste am Schreiben nach meiner Vorstellung ist das „weiße Blatt“ das am Anfang steht. Alles ist möglich. Da schweben Ideen herum, die mir schöne Augen machen. Aber prüfe, wer sich bindet, wenn auch nur für die Dauer einer Roman-Produktion. Es gibt sehr verführerische Ideen – aber tragen sie über 300, 400 Seiten? Ist letztlich alles Verhandlungssache zwischen mir und ihr.




4. Als Leserin bin ich besonders neugierig, was den kreativen Schreibprozess betrifft. Wie entstehen sie, die Sätze die so leichtfüßig daherkommen? Fließen die einfach, oder ist das harte Arbeit, ein Ringen um Worte?
Ringen? Bloß nicht. Ich denke, es ist allzu vieler gegenwärtiger Literatur anzusehen, dass sie irgendwie „errungen“ wurde, und das beklagenswerte Opfer dabei war die Sprache und/oder der Text. Natürlich braucht es ein Quantum Disziplin, um einen Roman zu schreiben, aber erzwingen kann man es nicht. Wenn ich spüre, es läuft gerade nicht, dann mache ich etwas anderes. Neuer Tag, neues Spiel. Ja, es ist ein Spiel, kein Kampf.

5. Was denkst du als Schriftsteller über den allseits beklagten Leserschwund? Hat das Einfluss auf dein Schaffen?
Wenn es überhaupt keine Leser mehr gäbe, dann würde ich auch nichts schreiben. Ich tue das ja nicht für mich selbst. Aber noch lesen sie, die Menschen. Und vielleicht schreib ich auch noch ein Buch. Und noch eins. Siehe Frage III …

6. Bestseller sind überlebensnotwendig für den Handel, machen sie doch so vieles andere möglich. Der Bestseller trägt das Besondere mit, heißt es ja immer. Uns nerven sie oft, da sie so austauschbar scheinen, bis es dann doch mal wieder ein literarischer Titel schafft.
Möchtest du gerne einmal Platz 1 der Spiegel-Liste ergattern?
Klar, solange ich dafür keinen Krimi schreiben muss. Die Wahrscheinlichkeit schätze ich allerdings auf etwa 0.001 Prozent. Es wäre wohl ein Wunder. Die passieren, aber darüber mache ich mir keine Gedanken. 



7. 
Du hast Philosophie studiert. Was bedeutet sie heute für dich?
Ich lese immer noch philosophische Texte, und um mit Schopenhauer zu reden: Sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der Trost meines Sterbens sein. Mit etwas weniger Pathos: Die Philosophen reizen die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache meist noch mehr aus als die Literaten. Wenn ich zwischen Literatur und Philosophie wählen müsste: Ich nähme die Philosophie.

8.
 Du bist in Boston geboren und hast in München und New York studiert. Warum ist gerade das beschauliche München zu deiner Heimat geworden?
Ich bin in der Gegend von München aufgewachsen, mein Vater ist hier geboren, meine Familie ist hier und meine Freunde. Und meine Frau stammt aus Bozen – das ist nur ein Sprung über den Brenner.

9. Das Computerprogramm „Todesengel“ aus deinem Roman „Mauersegler“ hast du tatsächlich selbst programmiert, ebenso wie ein Programm zum Check der Amazon-Rankinglisten. Schreiben und Programmieren, wie geht denn das zusammen? In meiner Vorstellung schreibt ein IT-Nerd natürlich allerhöchstens Science Fiction – es leben die Vorurteile …
Da gibt es mehr Übereinstimmung, als man annehmen möchte. Auch Programmieren ist eine Art Schreiben. Man kann das selbe Ergebnis mit mehr oder weniger Text erzielen, mehr oder weniger elegant. Natürlich gibt es da kein „zwischen den Zeilen“; Im Programm ist es entweder richtig oder falsch, schwarz oder weiß, niemals grau. Aber auch beim Schreiben von Romanen kann – sollte! – man sich Gedanken machen: Was, wenn ich nur eine einzige Möglichkeit hätte, diesen oder jenen Gedanken auszudrücken? Da blieben uns Lesern viele Phrasen, Floskeln und überflüssige Sätze erspart.


10. Einmal im Leben drei Wünsche frei haben, welche Vorstellung! Was würdest du damit anfangen?
Nach dem bewährten Muster: Erstens wünsch ich mir dies, zweitens das, und drittens bitte nochmal drei Wünsche … erstens dies, zweitens das, …