Lalena Hoffschildt ist von Kindesbeinen an dem Lesen verfallen – die Ausbildung zur Buchhändlerin, die sie 1995 bei Hugendubel am Marienplatz antrat, war quasi zwingend. Heute ist Lalena im Filialleitungsteam am Stachus tätig – und auf Instagram unter @lalenaparadiso aktiv. Die Interview-Serie #ZehnFragenAn entstand mehr oder minder durch Zufall. Heute interviewt sie für uns den deutscher Historiker, Journalist und Schriftsteller Simon Strauß.

1. Wer bist du? 
Wer willst du sein? 
Diese Fragen stellst du in deinen beiden Romanen, in „Sieben Nächte“ genauso wie in deinem neuen Buch „Römische Tage“. Das ist die Quintessenz, oder? 
Stellst du dir diese Frage selbst, oder hast du sie für dich schon gelöst?
Ja, ich stelle mir sie. Und nein: Ich habe sie noch nicht gelöst. Es gibt ja auch nicht nur ein „Ich“, sondern sehr viele verschiedene. Das macht die Sache so schwierig. Das Schreiben hilft nicht dabei, sich selbst zu finden. Es führt eher dazu, dass man noch mehr „Ichs“ in seinem Inneren entdeckt.

2. Du schreibst über Männer, denkende, suchende, sensible, zweifelnde Männer. Sind dies Prototypen des modernen Mannes, des Mannes in der Krise der Männer?
Ich weiß nicht. Ich kenne eigentlich keine Männer, ich kenne nur unterschiedliche Charaktere und Herzenstypen. Manchmal denke ich, dass das viele Reden über „den“ Mann und „die“ Frau das eigentliche Anzeichen einer Krise ist. Einer emotionalen Krise. Aber es stimmt schon, mich hat immer der weinende James Dean mehr interessiert als der schwitzende Marlon Brando. Ich habe mehr Vertrauen zu Männern, die zweifeln und suchen, als zu denen, die selbstüberzeugt Kommandos geben.

3. Das Erscheinen von „Sieben Nächte“ löste im Feuilleton eine heftige Debatte aus, mit dem Vorwurf, du spieltest den Rechten in die Hände mit deiner romantischen Ästhetik.
 Wie bist du damit umgegangen?
Ich habe mich mit den Vorwürfen beschäftigt und sie für mich unterschiedlich eingeordnet. Einige Kritikerinnen und Kritiker waren einfach nur missgünstig und mit Ressentiment geladen, aber andere haben mich durchaus vor interessante Fragen gestellt: Wie politisch ist die Romantik? Kann man heute neoromantisch schreiben und sich nach Leidenschaft und Ernsthaftigkeit sehnen, ohne tagespolitische Gesinnungstests abzulegen?

4. Schreibende Schriftstellerkinder haben es oft schwer, wenn ich da an das prominente Beispiel der Familie Mann denke. Hat dich dein Vater, der Schriftsteller Botho Strauß beeinflusst, gefördert, oder hast du dich im Stillen entwickelt …?
Er hat mich sicherlich beeinflusst, vor allem als Vater und als ebenso fördernder wie fordernder Gesprächspartner. Zum Schreiben hat mir aber in erster Linie meine Mutter Mut gemacht, die übrigens auch eine wunderbare Autorin ist.

5. Oft passt kein Blatt Papier zwischen dich und den Leser, dann entsteht wieder Distanz, ein andauerndes Spiel zwischen Realität und Fiktion. Weshalb verwendest du das autofiktionale Schreiben? Ist das eine Notwendigkeit, dich zu zeigen, zu reflektieren? Ist es nicht leichter, sich zu verbergen?
Im Moment kann ich nur so schreiben, wie ich es gerade tue. Ich brauche das „Ich“, auch wenn es ein erfundenes ist – die Realität ist für mich das Sprungbrett, auf dem ich kurz hüpfe und dann kopfüber in das Becken der Fantasie springe.

6. „Römische Tage“, dein neuer Roman, Rom also. Wie kam es zu diesem Buch? Du hast dort gelebt und daran geschrieben. Bist du schon mit der Absicht, vielleicht sogar dem Entwurf in der Tasche dorthin gereist?
Nein, im Gegenteil – ich wollte mich dort eigentlich von dem ganzen Wirbel um „Sieben Nächte“ erholen. Aber dann hat mich die Stadt mit voller Wucht gepackt und für zwei Monate vollkommen aufgesogen. Tagsüber bin ich in der Hitze durch die Straßen und verschiedenen Zeiten geschlendert und nachts habe ich geschrieben und nach Sprachbildern für meine Empfindungen gesucht.

7. Welches ist dein Lieblingsplatz beim Schreiben und gibt es eine bevorzugte Zeit?

Ich habe meine beiden Bücher nachts geschrieben. Vielleicht, weil ich immer noch unsicher bin und mich am Tag nicht trauen würde, so zu schreiben, wie ich es in der Nacht tue. Ich kann nur schreiben, wenn niemand es sieht, wenn ich allein bin mit den Wänden und einem Tisch am offenen Fenster.

8. Kannst du dich noch erinnern, wann du das erste Mal im Theater warst und welches Stück gezeigt wurde? Hat es etwas mit dir gemacht?

Ich weiß noch, wie ich als Kind zum ersten Mal in der Oper war, bei „Hänsel und Gretel“, kurz vor Weihnachten. Und was für eine Angst ich vor der Hexe hatte. Ich wollte mich gar nicht mehr auf meinen Stuhl setzen, so aufgewühlt war ich von dem Geschehen auf der Bühne. Manchmal spüre ich diese Aufregung auch heute noch, wenn in einem Theater plötzlich etwas Großartiges passiert.

9. Nein, ich frage nicht nach den Schriftstellern, die dich am meisten beeinflusst haben, das findet der Leser heraus, der deine Romane liest, aber ich frage dich, was du als nächstes schreiben willst oder sogar schon begonnen hast …?
Im Moment arbeite ich an einer Anthologie von „vergessenen Theaterstücken“, die ich bei Tropen herausgeben will. Das Buch soll „Spielplan-Änderung“ heißen und ein Potpourri an Stücken bieten, die man jetzt sofort wieder auf einer Bühne gespielt sehen will.


10. Die letzte Frage lautet bei mir immer gleich: Stell dir vor du hättest, durch welche Wendung des Schicksals auch immer, 3 Wünsche frei – welche wären das?

  • Zusammen mit klugen Herzensmenschen eine europäische Akademie gründen.
  • Ein Jahr in Rom (oder Triest) leben.
  • Die schönen Tage nicht vorbeigehen lassen.

Lesen Sie hier auch unsere Rezension zu „Römische Tage“: