Lalena Hoffschildt ist von Kindesbeinen an dem Lesen verfallen – die Ausbildung zur Buchhändlerin, die sie 1995 bei Hugendubel am Marienplatz antrat, war quasi zwingend. Heute ist Lalena als Sortimentsmanagerin am Stachus tätig – und auf Instagram unter @lalenaparadiso aktiv. Die Interview-Serie #ZehnFragenAn entstand mehr oder minder durch Zufall. Durch ihre Posts und das Netzwerken kommt sie mit Autoren in Kontakt, deren Bücher ihr gerade besonders am Herzen liegen. Und so entsteht oftmals ein reger und interessanter Austausch. Lalena, die sich selbst ironisch als Quasselstrippe bezeichnet, wird die büchermenschen also auch zukünftig an ihren aktuellen Leseerfahrungen teilhaben lassen – Sie dürfen gespannt sein! Wir starten heute mit einem Gespräch zwischen Lalena Hoffschildt und Takis Würger:

1. Im Februar 2017 ist dein Debütroman „Der Club“, in dem kleinen aber feinen Verlag „Kein & Aber“ erschienen. Das ist jetzt fast 2 Jahre her. Wo standest du damals und wo siehst du dich heute?
Das ist erst zwei Jahre her? So viel ist passiert seitdem. Ich habe gelacht, gelitten, geliebt, geweint, gehofft, ich habe im Meer vor Tel Aviv gebadet, bin auf der Frankfurter Buchmesse in einem Schwesternwohnheim erwacht, habe einen Menschen namens „Lendle“ kennengelernt, bin nach Berlin gezogen, habe in einem Schloss am Wannsee gewohnt, Crossfit angefangen, Drop Coffee entdeckt, ein Bild von Steffen Lenk in meine Wohnung gehängt, eine Catio gestreichelt, zwei Monate mit meiner Mutter zusammengewohnt, zu meditieren begonnen, Julia getroffen und „Stella“ geschrieben.

2. Du hast einen Überraschungsbestseller gelandet, dein Buch hat es auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft, es gibt eine Theateradaption, es wurde und wird in andere Sprachen übersetzt und derzeit wird „Der Club“ sogar verfilmt, wie gehst du mit diesem Erfolg um?
Ich versuche, mich mit Menschen zu umgeben, die mich mögen, weil ich bin, wer ich bin, nicht weil ich Bücher schreibe. Mein ältester Freund sagte mir jüngst: „Also, dein zweites Buch werde ich lesen, denke ich.“ Das erste hatte er gehört. Lesen war ihm zu nervig.

3. Du bist Journalist, Spiegel-Redakteur und dauernd unterwegs, wann und wie schaffst du es auch noch Romane zu schreiben?
Nachts.

4. Die Frage, die mich als Leserin immer umtreibt: Was war der Auslöser, was hat dich getriggert, einen Roman zu schreiben? Und ist das Handwerkszeug eines Journalisten hinderlich oder hilfreich beim Schreiben?
Ich glaube, ein guter Satz ist ein guter Satz. Egal, wer ihn schreibt, Journalistin oder Schriftstellerin. Einen Auslöser gab es bei mir nicht. Ich war einfach neugierig, wie das ist, Romane zu schreiben.

5. Du bist in allen sozialen Netzwerken aktiv, gibst deine E-Mail-Adresse preis und bittest um persönliche Meinungen, bist ein Autor zum Anfassen. Als Buchhändlerin stelle ich dieses Phänomen zwar erfreulicherweise vermehrt fest, aber längst nicht alle Autoren dieser Generation betreiben oder wollen das. Was treibt dich da um?
Ich verstehe Schriftsteller, die unsichtbar bleiben wollen. Manchmal beneide ich sie. Aber heute Morgen habe ich eine E-Mail einer Buchhändlerin bekommen, die mir schrieb, sie finde den letzten Satz in „Stella“ zu pathetisch. Das ist kostbare Kritik. Ich hoffe, dass ich als Autor wachsen kann, dafür brauche ich diese Kritik.

6. Dein zweiter Roman „Stella“ ist ja jetzt gerade erschienen. Würdest du sagen, du hast dich stilistisch weiterentwickelt?
Nein.

7. „Stella“ erscheint im renommierten Hanser Verlag. Wie kam es zu dem Velagswechsel?
Hanser war ein Traum für mich. Viele meiner Vorbilder veröffentlichen dort: Whitehead, Seethaler, Kurbjuweit. Glavinic ist bei Hanser groß geworden. Und dann war es vor allem der Verleger, der mich begeistert hat. Jo Lendle hat mir gezeigt, welchen Weg er mit mir gehen will und was Hanser tun kann, damit ich vielleicht der Schriftsteller werde, von dem ich träume, es zu sein. Jo ist heute mein Lektor, er hat „Stella“ betreut und zu dem gemacht, was es ist.

8. Das Kernthema von „Stella“ ist meines Erachtens eine „Schuldfrage“, denn Stella Goldschlag war während der schrecklichen Zeit des Naziregimes eine Denunziantin am eigenen Volk. Du beziehst dich auf und verwendest auch Auszüge der Prozessakten aus dem Landesarchiv Berlin. Wie bist du zu diesem Stoff gekommen, oder anders gefragt: Wie findest du als Schriftsteller dein nächstes Thema?
Ein Freund hat mir von Stella Goldschlag erzählt. Wir saßen auf dem Bürgersteig in Berlin an einem heißen Sommerabend. Ich wusste im gleichen Moment: Über diese Frau will ich ein Buch schreiben. Ich glaube, es gibt kein System, wie ich zu meinen Themen komme, dafür habe ich zu wenig geschrieben, bisher war wohl alles Zufall.

9. Peter Wyden, ein deutsch-amerikanischer Journalist und interessanterweise sogar Mitschüler von Stella Goldschlag, hat 1992 ein Buch über ihr Leben herausgebracht. 1993 ist es dann auf deutsch bei Steidl erschienen, wie ich schon deinen Quellenangaben im Buch entnehmen konnte. Warum möchtest du ihre Geschichte neu erzählen?
Wyden hat ein großartiges Sachbuch geschrieben. Leider ist es nur antiquarisch zu bekommen, aber ich hoffe, Steidl legt es neu auf. Fantastischer Verlag übrigens. Die Bücher von Steidl riechen so gut. Peter Wydens Buch ist ein Sachbuch. Es trägt alle Fakten über die historische Stella Goldschlag zusammen. Es war eine wunderbare Quelle. Meine „Stella“ ist ein Roman. Er beschäftigt sich mit der Frage, was passiert, wenn man sich in einen Menschen verliebt und dann erfährt: Alles was ich über diesen Menschen weiß, war gelogen.

10. Stell dir vor du hast 3 Wünsche frei, welche wären das?
Erstens, dass mein Blumenladen um die Ecke auch im Sommer Mimosen verkauft. Zweitens, dass Deutschland ans Mittelmeer verlegt wird. Drittens, dass ich mal zusammen mit Benedict Wells lesen darf. Den bewundere ich.