YUVAL NOAH HARARI ist der Weltstar unter den Historikern und einer der gefrag­testen Gesprächs­partner bei den Gipfel­treffen der Mächtigen. Mindestens ebenso wichtig sind dem israelischen Autor seine zig Millionen Leser rund um den Globus. Sicher, seine inter­nationalen Bestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ und „Homo Deus“ sind faszi­nierende Darstell­ungen dessen, was der Mensch zu leisten vermag – einschlie­ßlich Risiken und Neben­wirkungen. Vor allem aber liegt Harari daran, zentrale Aspekte und Anregungen zum Weiter­denken zu bieten – das Rüstzeug, um an den bedeutenden Debatten unserer Zeit teil­zuhaben. Das gilt besonders für sein aktuelles Buch.

Ein Ausnahmephänomen ist Harari in vielfacher Hinsicht. Zu dem unkonventionellen Universalhistoriker passt es perfekt, wie er seine Haltung zur Welt und sein einzigartiges Werk begründet. Wer da eine rein akademische Antwort erwartet, darf sich auf Überraschungen gefasst machen. 1976 in der israelischen Hafenstadt Haifa geboren, schildert er sich in seiner Jugend als sorgenschweren Sinnsucher. Seine Hoffnung: Horizonterweiterung an der Universität. Doch diese Erwartung erfüllte sich keineswegs während seines Studiums der Geschichtswissenschaft, weder in Jerusalem noch in Oxford. Die Standard-Sinnstiftungsversuche – ob kapitalistisch, kommunistisch, religiös oder romantisch – stellten ihn einfach nicht zufrieden. „Es war extrem frustrierend.“ Die Wendung zum Positiven erlebte er ausgerechnet da, wo er es überhaupt nicht vermutete. Ein Jahr lang musste ihn ein guter Freund überreden, bis Harari sich auf einen Meditationskurs einließ. Die Methode: „Vipassana“, in der altindischen Sprache Puli das Versprechen dessen, was Harari suchte: „Einsicht“: „Diese Erfahrung öffnete mir die Augen.“ 

„Was zählt? Mentale Resilienz und emotio­­nale Intelli­genz.“

Hararis Bilanz seiner Vipassana-Premiere im Jahr 2000: „Ich glaube … ich habe mehr über mich und über die Menschen allgemein gelernt, als bis dahin in meinem ganzen Leben.“ Womöglich war das auch die wichtige Weichenstellung, die die Gedankengänge und Geschichtsentwürfe des regelmäßig meditierenden Universalhistorikers Harari bis heute prägt. Ob er über unsere steinzeitlichen Vorfahren, das chinesische Song-Reich im Jahr 1016 oder über die Cyborgs der vielleicht gar nicht so fernen Zukunft schreibt: Der menschliche Geist ist für Harari der Maßstab, höchstes Gut, faszinierender Forschungsgegenstand – und der Generalschlüssel des Lebens. Kein Wunder, dass er oft gefragt wird, welches Upgrade wir brauchen, um auch künftig nicht nur konkurrenzfähig zu bleiben, sondern möglichst gut zu leben. Harari: „Niemand kann wirklich sagen, wie die Welt und der Arbeitsmarkt 2040 aussehen werden … Wahrscheinlich wird ein Großteil dessen, was jemand heute in der Schule lernt, irrelevant sein, wenn er oder sie 40 ist.“ Aber was gibt man Kindern mit auf den Weg, um sie bestmöglich auf Unwägbarkeiten und Umbrüche vorzubereiten? „Ich kann nur raten, sich auf mentale Resilienz und emotionale Intelligenz zu konzentrieren.“ Harari ist kein Schwarzseher, sondern eher eine Art Lotse, der Lust zum Mit- und Weiterdenken weckt: als philosophisch, psychologisch und historisch gleichermaßen bewanderter Impulsgeber, der auch komplexe Zusammenhänge leicht nachvollziehbar vermittelt, und als brillanter Anekdotenerzähler mit entlarvendem schwarzen Humor.