ALS PROPHET GILT Ta-Nehisi Coates durchaus etwas im eigenen Land – der Autor afro­amerikanischer Herkunft wird in den USA sogar gefeiert. Seine Bücher sind sagen­hafte Erfolge. „Zwischen der Welt und mir“ wurde zwei Millionen Mal verkauft und mit dem „National Book Award“ ausge­zeichnet. Im Alltag aber empfindet er Amerika wegen der weißen Vorherrschaft als ein hartes Pflaster für Schwarze und Rassismus als Geißel – das Lebensthema von Coates, auch in seinem imposanten Debütroman „Der Wassertänzer“, Nr. 1 der „New York Times“-Bestsellerliste.

Die Liebe zu Büchern: Das ist eine der Gemeinsamkeiten zwischen Coates und seinem Romanhelden Hiram Walker. Der als Sklave zur Welt gekommene Hiram entdeckt sie durch zweifelhafte Privilegien – im Haus seines Besitzers und leiblichen Vaters, eines der Plantagenbarone von West Virginia, wo es so viele Sklaven gab wie in keinem anderen US-Bundesstaat. Wie hypnotisiert ist der elfjährige Hiram in der Bibliothek, für ihn – wie für alle Sklaven – eine verbotene Welt: Bildung wird ihnen vorenthalten, weil Wissen zum Widerstand ermutigen könnte. Für Hiram bedeutet die Lektüre von Walter Scott und Charles Dickens den ersten Schritt in Richtung geistiger Freiheit …

Ta-Nehisi Coates, 1975 in Baltimore geboren, wurde die Begeisterung für Bücher in die Wiege gelegt. Sein Vater war Bibliothekar und Verleger für afroamerikanische Literatur – die Druckerpresse stand daheim im Keller und überall im Haus waren Bücher. Bald begann Ta-Nehisi selbst zu schreiben. Bekannt wurde er als herausragender Essayist beim Magazin „The Atlantic“.

„Man darf nicht vergessen!“

Coates beweist Vielseitigkeit: von Gedichten über den Slang der Rapper in der Geschichte über seine Jugend bis zum Marvel-Kult-Comic „Black Panther“ um den schwarzem Superhelden T’Challa. Trotz großen Erfolgs von Anfang an: Es wirkt fast, als wäre das alles ein Anlauf gewesen für sein Romandebüt „Der Wassertänzer“. Zehn Jahre hat er daran gearbeitet und alle Register gezogen. Sofort in den Bann zieht Coates‘ ganz eigener Ton, „der dem Lied abgehört wurde, den Sklavenliedern, ein mit dem Blues unterlegter Sound, der vom Rhythmus lebt“, so Bernhard Robben, der den Roman ins Deutsche übertragen hat: eine Glanzleistung.

Wichtig war Coates, all den in der offiziellen Historiografie Amerikas Vergessenen und Unterschlagenen eine eigene Stimme zu verleihen: den schwarzen Sklaven, auf deren Ausbeutung über 250 Jahre der Wohlstand in den USA beruht. Zugleich ist es Coates ein Anliegen, Vorurteile über Schwarze zu korrigieren und ihre Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft zu zeigen – auch und gerade unter dem Joch der Sklaverei, die oft genug willkürlich Eltern und Kinder auseinanderriss. Eines der wunderbaren Beispiele für Fürsorglichkeit ist Thena, die trotz ihres eigenen tragischen Schicksals dem verwaisten Hiram in seiner Verlassenheit beisteht – und die sein Bewusstsein für die eigene Geschichte weckt: „Die Hölle für mich. Die Hölle für dich.“ Und ganz im Sinn von Ta-Nehisi Coates: „Man darf nicht vergessen.“ Toni Morrison: „Ich habe mich gefragt, wer die Lücke schließen kann, die James Baldwins Tod hinterlassen hat. Jetzt weiß ich es: Ta-Nehisi Coates.“