Hüter des verlorenen Wortschatzes

ALS WOHL wichtigster Naturschriftsteller unserer Zeit beflügelt Robert Macfarlane regelmäßig Rezensenten zu Lobeshymnen. So schrieb etwa John Banville: „Macfarlane hat ein poetisches Auge und eine Prosa, die jeden Romancier vor Neid erblassen lässt.“ Unterwegs in seiner englischen Heimat, auf Wanderschaft irgendwo auf der Welt oder als leidenschaftlicher Baumkletterer auf seinem Ausguck im Buchenhain nahe seines Wohnhauses bei Cambridge – Macfarlanes Blick entgeht nichts. Seine Wahrnehmungen schildert er präzise, pittoresk und gern mit Worten, die für eine Region so charakteristisch sind wie die beschriebene Natur. Doch wie Pflanzen- und Vogelarten sind auch die Wörter auf dem Rückzug, wie der zweifache Vater Macfarlane feststellte: Im „Oxford Junior Dictionary“ wurden z.B. Chatroom, Celebrity und Voicemail aufgenommen, während Naturbezeichnungen wie Acorn (Eichel), Fern (Farn) und Willow (Weide) weichen mussten. Die Aktualität mag dafür sprechen, ein Alarmzeichen aber ist es allemal. Macfarlanes großartige Idee: sein „Buch der Beschwörungszauber“ mit eigenen Gedichten, deren Zeilenanfänge sich jeweils zum verlorenen Wort zusammenfügen: von Glockenblume bis Kastanie und von Eisvogel bis Zaunkönig – Sprachschätze, die zu Naturerkundungen einladen. Entwickelt hat der Autor das großformatige, liebevoll ausgestattete Werk mit der Malerin Jackie Morris, auf deren wundervollen Aquarellen z.B. Goldzeisige flattern, Efeu rankt, eine Natter sich in ihrem Nest kringelt und Buchstaben wie Pusteblumensamen schweben. Ein Buch, das Natur- und Sprachliebhaber jeden Alters begeistert!