Poetisches Labyrinth der Kindheit

IN CHRISTIAN KRACHTS frühem Meisterwerk „Faserland“ irrt der Erzähler, ein junger Mann, durch das Deutschland des Jahres 1995. Häufig ist er betrunken, ständig ist er angewidert, von den Menschen, dem Land, der Zeit. Halt hat er keinen, aber vermeintlichen Stil. Am Ende steht er in Zürich am Grab von Thomas Mann, dann verlieren sich seine Spuren auf dem Zürichsee. Der Roman ist in die Literaturgeschichte eingegangen wie J. D. Salingers „Fänger im Roggen“. Wer hätte gedacht, dass dieser Erzähler nach 25 Jahren an den Zürichsee zurückkehrt und nun mit seiner sterbenskranken Mutter im Schlepptau eine höchst kuriose Reise durch sein Kindheitsland, die Schweiz, antritt? Wieder führt der Weg zu einem Schriftstellergrab, dem Grab des argentinischen Sprachzauberers Jorge Luis Borges in Genf. Und wie bei Borges führt uns der Erzähler durch ein Spiegelkabinett von Geschichten, die uns als Leser in einen abenteuerlichen Schwindel aus Fiktionen und Realität versetzen. „Eurotrash“ ist ein bitterböser, doppelbödiger Heimatroman, ein wütend-komischer Familienroman, der bis in die NS-Zeit und die Aufbruchsjahre der Bundesrepublik zurückschaut, ein zarter Liebesroman zwischen Mutter und Sohn und ein poetischer Blick in die Geschichte des unvergleichlichen Erzählers aus „Faserland“.

Als langjähriger Verleger und Lektor des Werks von Christian Kracht bin ich voll der Bewunderung für die sprachliche und erzählerische Brillanz dieses Buchs, auf das sich alte und neue Leser Christian Krachts freuen können.
Helge Malchow