Sommer 1819: Die letzten verlorenen Romantiker sammeln Volksmärchen, um die Tradition zu bewahren. Aber die Lebensverhältnisse verändern sich rasant. Der Umbruch macht nicht einmal vor Westfalen halt, wo alles auf altehrwürdiger Herkunft beruht, besonders der Adel. Da ist die Zeit noch lange nicht reif für ein aus der Reihe tanzendes Freifräulein wie Annette von Droste-Hülshoff. Die 23-Jährige dichtet – zum Entsetzen ihrer Familie nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern mit dem brennenden Wunsch nach Austausch und Anerkennung. Überhaupt hat sie ihren eigenen Kopf. Wenn die Künstlerfreunde ihres Onkels August auf den Hülshoffschen Landsitz bei Münster kommen, ergreift Annette das Wort – ungefragt. Ihrer Schlagfertigkeit unterlegen, bekommt Wilhelm Grimm schon bei ihrem Anblick leichte Panik. Wie ihre Cousinen und Tanten Veilchen auf Taschentücher sticken? Annette klopft lieber in der freien Natur Steine nach Mineralien ab – mit Morast am Kleidersaum und Heinrich Straube im Schlepptau. Der aufgehende Stern der Göttinger Poetengilde wagt einen Annäherungsversuch. Und er bleibt nicht der Einzige, der um sie wirbt. Ein Gegenüber auf Augenhöhe? Einer, der sie so liebt, wie sie ist? Schwierig … Die grandiose Karen Duve erzählt die Lebens- und Liebestragödie Annettes inklusive familiärem Flächenbrand und schillerndem Aufgebot an Dichtern und Denkern – historisch genau, gnadenlos entlarvend, lakonisch, melancholisch und mit funkelnder Ironie. Ein Meisterwerk!