Femme fatale zwischen Feen und Furien

WAS SIE WOLLTE und was nicht, wusste die weibliche Ikone des Surrealismus schon immer: Zur Tochter aus gutem Hause taugte die aus einer englischen Industriellenfamilie stammende Leonora Carrington (1917-2011) einfach nicht. Statt sich mit standesgemäßen Heiratskandidaten abzugeben, arbeitete sie an ihrem „Handbuch des Ungehorsams“. Und tatsächlich schaffte sie es, ihrem Vater die Erlaubnis zum Kunststudium in London abzutrotzen. Okay, nun lebte sie von der Hand in den Mund, aber sie tat, wofür ihr Herz schlug: mit offenen Augen träumen und malen, was sie sah – Frauen, die Freiheit auskosteten, und fantastische Wesen wie die Feenvölker aus den irischen Mythen ihrer Nanny. Wie neu geboren fühlte sich Leonora – erst recht, als sie 1937 auf den Surrealismus-Star Max Ernst traf. Eine Begegnung wie ein Blitzschlag, Blicke und Berührungen, die die Luft vibrieren ließen. Er führte sie in seine Kunst und in die Pariser Bohème ein: Dalí, Miró, Picasso & Co., Genies mit gewaltigem Ego, an deren Seite Frauen höchstens als Muse glänzten. Aus dieser Nebenrolle machte Leonora den großen Auftritt: als geborenes Enfant terrible beim öffentlichen Striptease, aber auch als künstlerische Partnerin Max Ernsts. Als der Zweite Weltkrieg das Paar auseinanderriss, verlor Leonora fast den Verstand – doch dann emanzipierte sie sich zur eigenständigen Künstlerin. Ihre außergewöhnliche Geschichte erzählt die amerikanische Autorin und Malerin Michaela Carter mit betörend bildhafter Sprachkraft. Eine funkelnde Hommage an eine faszinierende Frauenpersönlichkeit!