LEIDENSCHAFT IST DAS Lebenselixier von Andrew Hozier-Byrne, ob als Künstler oder privat. 1990 am St. Patrick’s Day in der irischen Küstenstadt Bray geboren, gehört sein Herz dem Folkrock und Blues, als dessen Retter er gefeiert wird. Sein Durchbruch als Songwriter, Sänger und Musiker: „Take me to Church“, die Hymne auf die Liebe eines homosexuellen Paares, auf Menschlichkeit und Freiheit – und ein Aufschrei gegen Intoleranz. Der Song wurde zum Welterfolg. Daran knüpft Hozier nun mit seinem neuen Album „Unreal Unearth“ an. Kein Wunder, dass es ihm auch als Leser um Essenzielles wie die Liebe geht, oder?

Was ist das erste Buch, das du uns heute vorstellst?
Das erste Buch ist Dantes „Inferno“, das ich zum ersten Mal in der Anfangszeit der Pandemie gelesen habe. Es gab einige Passagen, die mich sehr berührten. Zu Beginn der Pandemie, als ich jeden Tag die Nachrichten über die Zahl der Todesopfer verfolgte, lag Angst in der Luft. Da ist diese Stelle am Anfang, als er in das Portal eintritt. „Durch mich geht’s ein zu den verlorenen Menschen.“

Hat dich das Buch besonders für dein neues Album „Unreal Unearth“ inspiriert?
Bestimmte Elemente haben mich inspiriert, das Album in neun Kreise zu gliedern. Das Album beginnt mit einem Abstieg. Die Songs sind in neun Themen gegliedert, die mit diesen neun Kreisen in Resonanz stehen. Es gibt auch einen Song namens „Francesca“, in dem es um die Entscheidung geht, jemanden zu lieben, obwohl einem die ewige Verdammnis droht. Arm in Arm für die Ewigkeit mit jemandem, für den man buchstäblich sterben und den höchsten Preis zahlen würde, ist keine wirkliche Strafe.

Schreibst du deine Songs häufig zu bestimmten Themen?
Wenn man das Thema oder das Konzept den Song leiten lässt, ist der Song selbst manchmal schwächer als das Ergebnis, der Song muss etwas sein, das auf seinen eigenen zwei Beinen stehen kann. Wenn du es schaffst, dass das Thema zwischen den Zeilen mitschwingt, hast du am Ende etwas, das ein bisschen tiefer ist, ein bisschen persönlicher, ein bisschen erfüllender.

„Ich fixiere mich auf ein Buch und vertiefe mich wirklich darin …“

Gibt es ein Buch, das dir nicht mehr aus dem Kopf geht?
Ich habe vor Jahren von jemand mir Nahestehendem das Gesamtwerk von Oscar Wilde geschenkt bekommen. Vor allem die Geschichte, „Der Fischer und seine Seele“. Ein Fischer verliebt sich Hals über Kopf in eine Meerjungfrau. Sie singt ihm jedes Mal etwas vor, wenn er fischt, und die Fische springen in sein Boot. Er will sie heiraten, aber man sagt ihm, dass er das nicht kann, weil Meerjungfrauen keine Menschen sind. Solche Märchen sind sehr typisch für Oscar Wilde. Und ja, sie sind definitiv in meinem Kopf eingemauert.

Bist du ein Vielleser?
Ich bin kein hingebungsvoller Leser, aber, wenn ich von etwas besessen bin, dann lasse ich zu, dass es mein Leben ruiniert. Ich fixiere mich auf ein Buch und vertiefe mich wirklich darin, nehme mir Zeit damit und versuche, so nah wie möglich an die Essenz heranzukommen. Es ist schwierig, wenn man unterwegs Bücher mit sich herumträgt, wenn der Koffer voller Leben ist. Und ich bin kein großer Fan von Kindles.

„Eine so unglaublich intime Art, das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu erfahren.“

Welches Buch hat dich in deiner Jugend beeindruckt?
„1984“. Ich habe das mit 14 oder 15 gelesen. Ich erinnere mich, dass ich mich damals ein wenig in Winston Smith verliebt habe. Er ist in vielerlei Hinsicht so mutig, in seinem eigenen Selbst, in seinem Widerstand, den er erreichen will. Und er scheitert, er ist am Ende gebrochen. Das hat mich sehr beeindruckt, wie er sich immer weiter von seinem radikalen Widerstand gegen das System, in dem er lebt, entfernt.

Was im Buch ist besonders hängen geblieben?
Im Buch gibt es einen Abschnitt, in dem der Stil wechselt. Winston fällt das Manifest des Widerstands in die Hände, es wird beschrieben, wie der Krieg als Mittel funktioniert, die Menschen bei der Stange zu halten. Die Menschen brauchen ein größeres Problem, über das sie sich Sorgen machen können. In meiner Generation habe ich den Irak-Krieg miterlebt, den Afghanistan-Krieg und konnte mir keinen Reim darauf machen. All die Erzählungen, die damals gesponnen wurden, die Sprache, die verwendet wurde, z.B. „Operation Freedom“. Ich erinnere mich, dass mich das als Teenager sehr beeindruckt hat, und zwar aus einer Antikriegsperspektive.

Was würde deiner Meinung nach passieren, wenn die Menschen mehr lesen würden?
Ich denke, die Menschen könnten ein breiteres Verständnis für verschiedene menschliche Erfahrungen gewinnen. Es ist ein Kommunikations- und Informationsinstrument, so wie die sozialen Medien es auch sind. Man kann mit einem Werkzeug ein Haus bauen. Oder aber einen Schädel zertrümmern.