Auch als eBook auf Hugendubel.de erhältlich
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KEIN ABER MEHR! Anpacken! Nichts und niemand kann uns davon abhalten, glücklicher und erfolgreicher zu sein und ein erfüllteres Leben zu führen – außer wir selbst. Da ist sich Veit Lindau sicher, aus persönlicher sowie professioneller Erfahrung in fast 30 Jahren als Coach und führender Experte für integrale Selbstverwirklichung. Seine Berufung: Begleitung bieten bei der Entdeckung und Entfaltung persönlicher Potenziale, ob in Vorträgen, Podcasts und Videos mit Millionen Klicks oder in seinen Bestsellern.
Auf Ihrer Homepage stellen Sie sich vor als „gelebtes Paradox“. Was bedeutet das in der Praxis? Was vereinen Sie?
Im Grunde genommen ist jeder Mensch ein gelebtes Paradox. Wenn wir authentisch und wach leben, bemerken wir, dass wir so viele – scheinbare – Widersprüche vereinen. Wir haben einen göttlichen Kern, ein knickriges Ego, ein wütendes Tier in uns. Wir sind fragil und verletzbar und zugleich in der Tiefe unberührbar und megastark. Etwas in uns entwickelt sich permanent weiter. Etwas anderes ist ewig still. Menschen sind Wunder.
Sie sind „führender Experte für integrale Selbstverwirklichung des Menschen“. Was hat es damit auf sich?
Ich arbeite jetzt seit mehr als 28 Jahren mit Menschen und habe relativ früh realisiert, dass wir unsere großen Probleme und Fragen nicht aus dem Gesamtzusammenhang reißen können. Es reicht zum Beispiel nicht aus, in der Meditation Frieden zu suchen, wenn ich mich zeitgleich in einem sinnlosen Job aufreibe und / oder keine erfüllende Liebesbeziehung erfahre. Alles hängt miteinander zusammen. Es dauert vielleicht etwas länger, aus dieser integralen Perspektive heraus Lösungen zu erarbeiten, doch sie wirken wesentlich nachhaltiger.
Trotz 28 Jahren Erfahrung als Coach betrachten Sie sich als „stinknormaler Mensch“. Klingt, als würden Sie auch hin und wieder mit sich selbst ringen. Woran arbeiten Sie?
Oh, wie viel Zeit haben Sie? 😉 Es wird ja so viel Schein auf Coaches und Ratgeberautor*innen projiziert. Mir ist es wichtig, meinen Leser*innen zu vermitteln, dass ich neben ihnen und nicht irgendwo auf einem Sockel stehe. Ich darf jeden Tag an meiner nicht vollkommenen Persönlichkeit arbeiten, an der Integration dessen, was ich lehre, in mein eigenes Leben. Kein Ende des Trainings in Sicht.
„Jede*r von uns hat ausreichend Talent.“
Obwohl Sie Hallen nicht nur füllen, sondern zum Toben bringen, haben Sie nicht vergessen, wie Sie angefangen haben. Inwiefern verstehen sie das als Ermutigung für sich selbst und andere?
Na, ich hoffe, dass die Menschen, wenn sie meine normale Geschichte der Aufs und Abs hören, daraus schließen, dass sie es auch schaffen können. Jede*r von uns hat ausreichend Talent. Was wir brauchen, sind Passion für ein Thema und ein langer Atem. Und dann können reale Vorbilder sehr ermutigend sein.
Wie würden Sie Ihr Selbstverständnis bzw. Ihre Haltung als Coach auf den Punkt bringen?
Ich würde sagen: Ich bin ein guter Ausbilder für Coaches, aber selbst kein guter Coach. Mir fehlt nämlich die so wichtige Geduld. Ich betrachte mich eher als stürmischen, visionären, lauschenden, liebevoll herausfordernden Freund für die Menschen, die mir ihr Vertrauen schenken.
Was ist der Grundimpuls, den Sie in Ihren Podcasts, Seminaren und Büchern ins Spiel bringen?
Du stirbst. Beginne zu leben.
Fast so sicher wie das Amen in der Kirche ist bei Ihnen die Ermutigung an Teilnehmer und Leser, nicht nur mit dem Verstand dabei zu sein, sondern auch mit dem Herzen. Warum ist das essenziell?
Weil wir keine lediglich rational agierenden Leistungsmaschinen, sondern tiefgründige, intuitive Sinnwesen sind. Genauso oft weise ich übrigens darauf hin, den Kopf einzuschalten und konstruktiv-kritisches Denken zu trainieren.
„Wir brauchen starke, lebendige Beziehungen.“
Gemeinsam mit Ihrer ebenfalls als Coach aktiven Ehefrau Andrea haben Sie zwei Life-Coaching-Communities aufgebaut. Welche Idealvorstellung bzw. welcher Geist steht dahinter?
Da sind wir wieder bei der integralen Perspektive. Es reicht eben nicht aus, sich in Seminaren Inspiration zu holen. Wir brauchen starke, lebendige Beziehungen, die auf ähnlichen Werten basieren und unser Wachstum tragen. homodea ist für uns ein digitaler Heimathafen für Inspiration, aber eben auch der Vernetzung von Gleichgesinnten.
Eines Ihrer großen aktuellen Projekte ist „Schattenwerk“. Was ist Ihre Vorstellung von Schatten?
Sie basiert auf der Arbeit von C.G. Jung. Er bezeichnete als Schatten jene Anteile unserer Psyche, die wir ins Unbewusste verdrängt haben, weil sie uns zu peinlich, schmerzhaft, beängstigend erscheinen. Ich erweitere dies in meiner Arbeit noch um jene Aspekte, die im Augenblick noch zu groß und strahlend sind und die wir deshalb in Bewunderung auf andere projizieren.
Worin sehen Sie C.G. Jungs besonderes Verdienst?
Wohl kein anderer Psychologe hat durch seine Arbeit Heerscharen an Therapeut*innen, aber eben auch Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Filmemacher*innen und Bewusstseinspionier*innen so stark bewegt. Er war ein begnadeter Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Mystik.
Menschen scheinen mitunter ein ganzes Schattenreich anzusammeln. Was findet sich da so und was sind die Klassiker in dieser Grauzone?
Neid, besonders in Deutschland.
Unterdrückte Lust.
Lust auf Erfolg und Macht bei den Idealisten.
Verletzbarkeit und Tiefe bei den klassischen Erfolgsmenschen.
Und bei jedem von uns alle nicht verarbeiteten Traumata.
Wohl fast jeder hat schon mal die Aufforderung zu hören bekommen: Spring über deinen Schatten! Inwiefern ist das in Ihrem Sinn als Zielsetzung von Schattenwerk?
Das Motto lautet im Buch: „Spring in deinen Schatten und finde den darin verborgenen Schatz.“ Eines der großen emotionalen und dadurch auch sozialen Probleme unserer Gesellschaft ist der Versuch, dem Schatten davonzueilen. Es gäbe keine Kriege, wenn wir alle Schattenarbeit betreiben würden.
„Wir entdecken einen ungeheuren Schatz.“
Schatten klingt auch ein bisschen nach düsterer Angelegenheit. Wie schätzen Sie das ein und was gilt es zu beleuchten?
Es klingt düster für den, der draußen vor der Höhle steht und darüber mindfuckt, was wohl alles im Schatten lauert. Und ja, zuerst ist es dunkel. Doch wenn wir mit der Fackel der bewussten Schattenarbeit freiwillig in unsere Psyche einkehren, entdecken wir einen ungeheuren Schatz. Der große Witz am Schatten ist, dass er nicht wirklich größer oder mächtiger sein kann als wir. Denn es ist unser Bewusstseinsraum, aus dem wir souveräner, lässiger, freier und kreativer zurückkehren.
Was spricht dagegen, die Schatten einfach schlummern zu lassen?
Ich sag mal so: Das Leben ist wild und komplex, also warum schlafende Hunde wecken, wenn dir gerade mal ein ruhiger, sonniger Tag geschenkt wird. Der Schatten meldet sich schon von allein, wenn er ans Licht will. Durch starke emotionale, körperliche und mentale Reaktionen. Durch Beziehungskonflikte, Verschwörungsgeschichten, Vorurteile gegenüber anderen Menschen und ganzen Bevölkerungsgruppen. Spätestens dann ist es besser, freiwillig zu kooperieren und den Schatten nach Hause zu holen. Sonst manifestiert er sich in Scheidungen, Krankheiten oder von Populisten manipulierten Menschenmassen.
Sich an Verdrängtes und Unterdrücktes heranzutasten, wirkt fast so wie Flaschengeister zu entlassen. Nicht ganz geheuer also. Was lauert da an Risiken und Nebenwirkungen?
In meinem Buch „Schattenwerk“ plädiere ich für eine respektvolle und behutsame Annäherung. Wir müssen nichts übers Knie brechen. Wir können das Tempo und die Intensität der Innenschau schon steuern. Wenn wir Schattenarbeit bewusst und freiwillig betreiben, bleiben die Symptome eher im faszinierenden und milden Bereich: reinigende und auflösende Gefühle, intensive Träume, Entspannung im Körper, mehr Toleranz und Neugier in Beziehungen …
„Ich verstehe mich als liebevoller Heiratsvermittler …“
Wie kommen Sie als Coach und Autor ins Spiel, um die Schatten ans Licht zu bringen?
Ich verstehe mich als einen liebevollen Heiratsvermittler zwischen den Leser*innen und ihrem Schatten. Das Buch ist eines meiner wichtigsten, denn ich weiß, welches Potential für inneren und äußeren Frieden Schattenarbeit birgt. Ich glaube nicht, dass ich übertreibe, wenn ich sage: Die Menschheit wird nur eine Zukunft haben, wenn sie lernt, ihren Schatten zu sehen und zu integrieren. Ich möchte den Leser*innen die Angst vor dem ominösen Schatten nehmen. Er ist ein Schatz in deinem eigenen Bewusstsein!
Wie gestaltet sich Ihre Schattenarbeit in eigener Sache? An was haben Sie sich in letzter Zeit gewagt?
Die letzte Gelegenheit war ein Sturm der Empörung bis hin zu Hass, als ich mich öffentlich dem Impfen gegenüber klar positiv positionierte. Fundamentalistische und aggressive Reaktionen drücken mir ordentlich die Knöpfe. 😉 Ich wende dann alles, was ich an Methoden im Buch beschreibe, selbst an. Es funktioniert.
Neben den individuellen Schatten erkennen Sie auch kollektive. Was beispielsweise?
Der ewige Kampf von Gut und Böse.
Lucifer, der verlorene Lieblingssohn Gottes.
Die gewaltigen Projektionen von Männern und Frauen auf das jeweils andere Geschlecht.
Was verspricht die Schattenarbeit Ihrer Erfahrung nach?
Menschen, die Schattenarbeit als Lebensstil kultivieren, empfinden sich als ganzer. Sie ruhen mehr in sich. Die Welt wird in ihren hellen und dunklen Aspekten zum Wachsen genutzt. Sie leben auch wesentlich kreativer. Denn dieselbe Kraft, die unseren Schatten unterdrückt, blockiert auch unsere Schöpferkraft.
Welche Beispiele zeigen für Sie am deutlichsten, wie man die eigenen Schatten zu Schätzen machen kann?
Wenn ich durch die Integration von Neid etwas darüber erfahre, was ich wirklich will. Durch die Integration von Bewunderung hole ich Idole vom Sockel und erkenne meine eigenen Stärken deutlicher. Durch die Integration des so gefürchteten Bösen werde ich von einem einseitigen, verkrampften Gutmenschen zu einem ganzen Menschen, der nun wesentlich entspannter und wirksamer Gutes bewirken kann.
„Wie die zwei Flügel unserer Schöpferkraft.“
Was ist das Scharnier oder der Bezug zwischen „Schattenwerk“ und „Wunderwerk“?
Für mich sind sie wie die zwei Flügel unserer Schöpferkraft. Der eine dehnt den Geist für Wunder und führt ins Licht. Der andere vertieft den Geist, um das Wunder auch in der Dunkelheit zu finden.
Normalerweise gehen Wunder über unsere Vorstellungskraft hinaus. Was hat es bei Ihnen mit Wundern auf sich?
Meine Definition ist sehr pragmatisch: Ein Wunder ist etwas, was ich bis eben nicht für möglich gehalten habe. Indem ich lerne, meinen Geist für sie zu öffnen, nehme ich sie mehr wahr und erschaffe sie auch selbst leichter.
Sie bringen Wunder mit Wissenschaft zusammen. Wie das denn?
Nach meiner oben genannten Definition passt das ja hervorragend. Ich plädiere ja nicht für Aberglauben, sondern für eine neurowissenschaftlich fundierte Potentialentfaltung. Jede*r seriöse Wissenschaftler*in weiß, dass sie noch lange nicht alles weiß.
Was stimmt Sie zuversichtlich, dass das klappt?
Dass was klappt? Dass Wunder klappen? Na, weil wir jetzt gerade mitten in Wundern leben und selbst ein Wunder sind. Wenn wir hier und jetzt den Blick für die außerordentliche Schönheit und die verborgene Ordnung des Lebens schulen, kommen wir gar nicht mehr aus dem Staunen heraus.
In welchen Lebensbereichen lässt sich „Wunderwerk“ anwenden?
Das Buch beruht auf dem sogenannten „First Principle-Denken“. Es vermittelt ein tiefes Verständnis der Mechanismen, wie unser Geist uns vor Wundern verschließt und wie wir ihn wieder dafür öffnen können. Wer das einmal verstanden hat, kreiert am laufenden Band Wunder. In jedem Bereich.
„Die Kunst, das Unmögliche möglich zu machen.“
Ist das eigentlich mehr Haltung oder Handwerk? Oder würden Sie es anders bezeichnen?
Beides. Die Kunst, das Unmögliche möglich zu machen ist ein sanftes Handwerk, basierend auf einer radikalen Geisteshaltung.
Im Grenzbereich zwischen Schatten und Wunder passiert es einem manchmal, dass man kurz vor der Zielgeraden wieder einen Rückschlag hat. Und immer wieder. Was nun?
Die Illusion von Rückschlägen durchschauen und loslassen. Wir leiden an sogenannten Rückschlägen, wenn wir unser Leben als eine Art linearen Zeitstrahl, eingeteilt in To-Dos und Ziele betrachten. Auch wenn das jetzt verrückt klingen mag: Alles findet gleichzeitig statt. Und der, der den Weg geht, ist bereits angekommen.
Was war für Sie in letzter Zeit das größte oder schönste Wunder?
In letzter Zeit? Ihre Fragen, die mir die Möglichkeit gegeben haben, über zwei so wundervolle Themen zu sprechen und hoffentlich möglichst viele Geister für das kostbare Potential ihres Bewusstseins zu begeistern.
Ihre Motivationsformel für Leser?
Carpe diem.