Wie ein Versprechen liegt der Frühling in der Luft. Wo es auf ganz besondere Weise grünt und blüht und Gartenbegeisterte die besten Entdeckungen machen können, zeigt nun aufs Schönste „Das große Buch der Gärtnerinnen & Gärtner“. Als einzigartige Inspirationsquelle vereint es erstmals die 100 profiliertesten Persönlichkeiten und Initiativen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Handverlesene Vielfalt, kenntnisreich vorgestellt von Anja Birne, gelernte Gärtnerin mit Gartenbaustudium, Garten-Reiseleiterin und -Bestsellerautorin.

Welche Gartenphilosophie leitet Sie?
Die englische Gärtnerin Gertrude Jekyll hat es einmal so formuliert: „Die Liebe zum Garten ist ein Same, der, einmal gesät, nie wieder stirbt, sondern weiter und weiter wächst – eine bleibende und immer reicher strömende Quelle der Freude.“

Begeisterung fürs Gärtnern hat ihre Wurzeln nicht selten schon in der Kindheit. Wie war das bei Ihnen?
Den Funken für das Gärtnern hat meine Großmutter entfacht. In ihrem großen ummauerten Landgarten hatte ich schon als Kind einen eigenen Bereich mit Blumen, Kräutern, Monatserdbeeren und Gemüsen.

Vor Ihrem Gartenbaustudium haben Sie eine Gärtnerlehre abgeschlossen. Was hat Ihnen die geerdete Praxis wichtig gemacht?
Sie ist ein wichtiger Schlüssel zur Gartenbegeisterung. Je mehr man lernt, entdeckt und im wahrsten Sinne des Wortes „begreift“, umso mehr „Gartenfenster“ gehen auf. Die gärtnerischen Grundlagen und das Handwerk kann man sich nicht nur anlesen. Wesentlich für das Verständnis von Pflanzen und der Pflanzenkultur ist eine möglichst breite praktische Ausbildung – die natürlich auch autodidaktisch erfolgen kann.

Was lieben Sie am Handwerklichen besonders?
Mich begeistert das kreative Potenzial des Gärtnerns: ein Beet oder einen Kübel nach Farben, Strukturen und Texturen gestalten und bepflanzen, einen Blumenstrauß binden, mit Gemüsen, Früchten, Kräutern und essbaren Blüten kochen. Aber auch mit den Händen in der Erde wühlen und Unkraut zupfen … Da wird nach einem Tag am Schreibtisch der Kopf frei. Das ist reinste Meditation.

Sie sind in der „Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur“ aktiv. Was heißt das in der Praxis und was sind für Sie die bedeutendsten Projekte?
Ich habe mit Gartenfreunden den jüngsten Zweig in Ostwestfalen gegründet und organisiere Veranstaltungen wie Vorträge und Gartentouren. Das jährliche Schneeglöckchenfest Anfang März auf Gut Bustedt ist unser wichtigstes Projekt und inzwischen deutschlandweit bekannt. Wir organisieren den Gärtnermarkt zur Schneeglöckchenblüte Anfang März mit großartigen Spezialisten, die Gartenfreunde aus ganz Ostwestfalen anziehen. Mit diesem Treffpunkt für Gärtner und Gartenliebhaber fördern wir die regionale Gartenkultur und mit den Erlösen unterstützen wir vor allem nachhaltige Gartenprojekte an Schulen und Kitas. Kinder an das Gärtnern heranzuführen, ist eine unserer wichtigen Zielsetzungen.

„Wahrung des reichen Kulturerbes“

Auf Ihren Gartenreisen ist England ein bevorzugtes Ziel. Was zeichnet für Sie die englische Gartenkultur aus?
Die Liebe der Engländer zu ihrer Kulturlandschaft, den Bäumen und Hecken, den Gärten und Pflanzen. Der Beruf des Gärtners ist hoch angesehen. Wo sonst werden junge Gartengestalter wie Popstars gefeiert? Wo können Amateurgärtnerinnen wie Beth Chatto zu Garten-Ikonen aufsteigen? Wo sonst eröffnet eine Queen eine Gartenmesse? Wo findet die Opernpause mit Abendkleid, Gummistiefeln und Champagner wie in Glyndebourne in den Blumenwiesen neben der Schafweide statt? Wo sonst ist ein Verein zur Erhaltung von Schlössern, Landschaften und Gärten wie der National Trust der größte private Landbesitzer? Neben der Wahrung des reichen Kulturerbes brennen viele englische Gärtner, Gartenbesitzer und Gartenfreunde gleichzeitig für aufregend Neues und Futuristisches und für den Naturschutz und Biodiversität- immer mit Höflichkeit, Stil und Humor!

„Ich bin so ein Malerauge. Ich denke in Bildern“, sagt Victoria von dem Bussche, die Schöpferin der Ippenburger Gartenlandschaft. Wie sehen Sie es?
Gärtner sind glückliche Menschen. Gärtnereien sind ein Hort der Lebensfreude und eine unendliche Quelle der Gartenkultur. Gärtner schaffen grüne Oasen, teilen Pflanzenwissen und Gartenglück. Die Spezialisten kultivieren die Pflanzenfülle, die für lebendig gestaltete sowie ökologisch wertvolle Gärten die Voraussetzung ist.

Was macht das Glück aus?
Gärtnern bedeutet, mit den Jahreszeiten zu arbeiten. Bei Sonnenschein, Hitze, Regen oder Schnee. Eine körperlich anstrengende, aber tief befriedigende Tätigkeit. Bodenständig im wahrsten Sinne des Wortes und ganz nah am Kreislauf der Natur, am Keimen, am Wachsen, am Blühen – am Gedeihen.

Wenn Sie allen Platz der Welt und unbegrenzt Kleingeld hätten: Wie würden Sie Ihren persönlichen Traumgarten gestalten?
Oh, das wäre dann nicht nur ein Garten, sondern eine Vielzahl von Projekten: Die Städte mit einer Pflanzenvielfalt begrünen, Brachflächen und Dächer mit Kräutergärten und Botanical-Cocktail-Bars beleben. Gärtnereien mit Schaugärten, Spielplätzen und Cafés als Treffpunkte für natur- und pflanzenliebende Menschen zur Begrünung der immer öder werdenden Innenstädte – was für eine grandiose Vorstellung! Cafés und Bars mit vertikalen grünen Wänden aus duftenden Clematis und Rosen begrünen. Wilde Blumenwiesen anlegen, wo immer es geht. „Green Gym“, ein grünes Fitnessstudio, in jedem Park anbieten. Die Idee aus England: In Großbritannien halten sich Tausende Menschen mit gemeinsamer Gartenarbeit in Form – und verschönern ganz nebenbei Parkanlagen.

Wo und wie gärtnern Sie am liebsten?
In den Sommermonaten bin ich die letzten Jahre in den schönsten Gärten Europas unterwegs gewesen. So hatte ich bisher nicht viel Zeit für meinen eigenen kleinen Stadtgarten. Aber mein naturnaher Garten mit altem Baumbestand, wilden Rosenranken, einem kleinen Gemüse- und Kräutergärtchen und vielen Töpfen auf der Terrasse und den Sandsteintreppen ist eine ruhige Oase zum Gärtnern, Feuermachen, Nachdenken, Feiern und ein richtiges Vogelparadies.

„Explosiver grüner Zeitgeist“

Nach welchen Aspekten haben Sie die Gärtnerinnen und Gärtner ausgewählt?
Die größtmögliche Vielfalt wollen wir vorstellen – quer durch Deutschland von Süd nach Nord, von West nach Ost, und in der Schweiz und Österreich. Gärtnerpersönlichkeiten, die ihr gärtnerisches Handwerk lieben und die sich leidenschaftlich einsetzen für Tradition und Innovation, für einen explosiven grünen Zeitgeist, für die Pflanzenvielfalt und das gärtnerische Handwerk! Aber auch für naturnahe Gärten, Insekten, den Nutzen und die Gesundheit! Kurzum: für die Schönheit und die Lebensfreude!

Sie präsentieren ein Spektrum zwischen Tradition und Innovation. Worauf legen Sie dabei am meisten Wert?
Alle Aspekte sind wichtig. Die vorgestellten Gärtner und Gärtnerinnen schätzen die traditionelle gärtnerische Wirtschaftsweise, bewahren alte Kulturpflanzen und die Neugierde auf interessantes Neues. Ihre Pflanzen sind selbst gezogen, ausgesät, pikiert, geteilt, veredelt, getopft, oftmals per Hand und in eigener Erde. Ihre Gärtnereiböden bearbeiten sie schonend und bewahren deren Fruchtbarkeit. Ihre Sortimente sind vielfältig und ungewöhnlich, spezialisiert und sortenecht, altbewährt und aufregend neu.

Welche Ideale stehen dahinter?
Verpflichtet fühlen sich die im Buch vorgestellten Gärtnerinnen und Gärtner der Gärtnertradition und traditionellen Handarbeit, der Pflanzenvielfalt, der Ökologie, dem Naturschutz, der Nachhaltigkeit und Qualität, dem Sinn für Schönheit, historischen Gärten, alten Kulturpflanzen sowie zeitgenössischem Gartendesign und Innovation auch in der Kulturtechnik.

Ein eigenes Kapitel widmen Sie einer jungen Generation von Gärtnerinnen und Gärtnern …
Viele Handwerksberufe haben Nachwuchsprobleme. Womöglich, weil die gesellschaftliche Anerkennung fehlt? Es ist nur schwer verständlich, warum Gärtnerinnen und Gärtner mit ihrem breiten Tätigkeitsspektrum, dem enormen Pflanzenwissen und den handwerklichen Fähigkeiten, welche die Gesellschaft bereichern und deren Lebensgrundlagen sichern, so wenig Wertschätzung erfahren.

Wie ist der aktuelle Stand?
Dennoch haben wir viele junge Gärtnerinnen und Gärtner in den unterschiedlichsten Betrieben getroffen, die für Pflanzen und Gärten brennen und mit ihrer Lebensfreude, kreativen und nachhaltigen Zukunftsideen die Gartenlandschaft bereichern. Sie erkennen beispielsweise die Aufmerksamkeit, die der Klimawandel und der Rückgang der Biodiversität erfahren, und sehen, dass viele Menschen darüber nachdenken, in welcher Umgebung sie künftig leben möchten. Sie erleben immer mehr Kunden in den Gärtnereien, die ihren Garten mit geeigneten Pflanzen für Insekten und andere Wildtiere umgestalten möchten und freuen sich darüber, diese Entwicklung unterstützen zu können.

Was freut Sie?
Eine Gärtnerin nannte die „Stürmung der Gärtnereien“ und die sensationelle Nachfrage nach Stauden, Kräutern, Obst und Gemüse für den eigenen Garten während der Corona-Zeit den „Greta“-Effekt. Und viele junge Gärtnerinnen und Gärtner erleben ihren Beruf als „Berufung“ und als eine sehr sinnvolle Tätigkeit. Der kurze Einblick in ihr Gärtnerleben zeigt vielseitig interessierte, engagierte und kritische junge Menschen, die bodenständig und optimistisch in die Zukunft blicken!

Nicht zuletzt die Standortvoraussetzungen der von Ihnen vorgestellten Gartenprofis sind komplett unterschiedlich. Was ist für Sie dabei das Reizvolle und Eindrucksvolle?
Die interessantesten Gärtnereien entwickelten und entwickeln sich oft inmitten inspirierender Kulturlandschaften. Einige Standorte sind historisch begründet, meist sind optimale Klima- und Bodenverhältnisse für bestimmte Pflanzen und Absatzmöglichkeiten ausschlaggebend für die Gründung einer Gärtnerei. Einige Gärtnereien erzählen stellvertretend die Geschichte einer spezialisierten Gärtnerregion, z.B. das Baumschulland Ammerland am Zwischenahner Meer, die Baumschulregion um Pinneberg in Schleswig-Holstein nördlich von Hamburg oder die Gartenkultur in der Blumenstadt Erfurt.

Welche Lektion lässt sich davon ableiten?
Ihre spezialisierten Pflanzensortimente sind hochspannend und zeigen eindringlich, dass nur ein standortgerechtes Gärtnern mit Pflanzen, die genau an die jeweiligen Standorte angepasst sind, zu dauerhaften gesunden Pflanzungen führt.

„Gartenträume im inspirierenden englischen Stil“

Als Ikone unter den Gärtnerinnen gilt Vita Sackville-West. Sie erweisen ihr die Ehre im Kapitel „Traditional English Gardening“. Was macht für Sie die Faszination aus?
Vita Sackville traf die Menschen mitten ins Herz mit ihrer Leidenschaft für alte Rosen in Purpurtönen und umwerfendem Duft. Sie hat als eine der ersten Gärtnerinnen die in Vergessenheit geratenen historischen Rosen gesammelt und ihnen einen eigenen ummauerten Rosengarten mit romantischen Begleitern wie Stauden und Kräutern gewidmet. Heute ist diese Art der Verwendung selbstverständlich, zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die gemischt gepflanzten Rosenbeete jedoch eine aufsehenerregende neue Idee. Mit den beiden Chef-Gärtnerinnen von Vita Sackville-West hat sich Gisela Seidel angefreundet, weil sie ganz verrückt war nach diesen vorher noch Gärten und Rosensorten. Rund um ihr Landhaus Ettenbühl gestaltete sie Gartenräume im inspirierenden englischen Stil.

Zu den traditionsreichsten Institutionen gehört die Königliche Akademie, ehemals in Potsdam, inzwischen in Berlin. Was macht den Besuch besonders lohnend?
Die neu von Gabriella Pape und Isabelle Van Groeningen ins Leben berufene Königliche Gartenakademie atmet Geschichte und ist ein Ort mit bezaubernder Atmosphäre, an dem Gartenkultur wiederentdeckt und gefördert wird. Vor fast genau 100 Jahren zog die 1823 von Peter Joseph Lenné gegründete Königliche Gärtnerlehranstalt von Potsdam-Wildpark nach Berlin-Dahlem auf das heutige Gelände gegenüber dem Botanischen Garten. Eine der ältesten Ausbildungsstätten für Gartengestaltung in Europa bildete gelernte Gärtner weiter, die von privaten Gartenbesitzern zur Pflege ihrer Gärten angestellt werden konnten.

Sie stellen auch eine „Arche für bedrohte Pflanzen“ vor. Wofür möchten Sie sensibilisieren?
Stefan Strasser hat das „Netzwerk Pflanzensammlungen“ mitbegründet. Es führt unter dem Dach des Bundessortenamtes in der „Deutschen Genbank Zierpflanzen“ Pflanzensammlungen zusammen, dokumentiert und bewahrt die Vielfalt der genetischen Ressourcen. Mit seiner Liliensammlung, der „Lilien-Arche“, wurde der Grundstock der bisher 160 Pflanzensammlungen von derzeit 370 Pflanzensammlern gelegt.

Was macht die Bedeutung aus?
Gärtnereien wie diese bieten einen Einblick in die enorme Vielfalt der Pflanzen, der Wildarten und der gärtnerischen Züchtungen, der Sorten. Ihre Pflanzensammlungen mit uralten, alten und neueren Sorten sind ein Hort genetischen Reichtums sowie historischer und kultureller Werte, die ohne das Engagement der Pflanzensammler verloren gingen.

Ein wichtiges Stichwort in Ihrem Buch ist Austausch. Was empfehlen Sie zum Kontaktknüpfen?
Viele Gärtner bieten in ihren Gärtnereien Tage der offenen Tür an, Workshops, Führungen oder Seminare. Auch Gartenschulen und Akademien haben ein qualifiziertes Weiterbildungsangebot zu allen Themen des Gartens und der Pflanzenverwendung. Hier gibt es Profi-Seminare und Angebote für Amateurgärtner und Anfänger. Das sind gute Orte für den Austausch und Netzwerke.

„Freude an der Beute genießen“

Schnell wird man in der Gärtnerei oder auf Tauschbörsen von der Liebe auf den ersten Blick überwältigt. Mitnehmen? Oder besser planvoll aussuchen?
Wenn der Impuls sehr groß ist – nachgeben und die Freude an der Beute genießen. Es findet sich immer noch ein Plätzchen für eine Pflanze im Garten, zur Not im Topf. Wenn jedoch größere Gartenbereiche verändert werden sollen, sind dagegen eine fachliche Beratung und ein durchdachter Pflanzplan sinnvoll. Das bieten Gärtner sehr gern an. Dazu sollte möglichst ein Termin vereinbart werden.

Was empfehlen Sie zum Start in den Frühling?
Kleine Ausflüge zu 2 bis 3 Gärtnereien in einer Region planen, vor dem Start die Öffnungszeiten prüfen, Picknick mitnehmen und auf der Landkarte den schönsten Reiseweg heraussuchen … durch hübsche Dörfer und Städte. Mit einem Museum am Wegesrand, einem schönen Frühlingswald zum Spazieren, einer Burg mit weitem Ausblick …

Was hat Ihnen bei der Arbeit an Ihrem Buch am meisten Freude gemacht?
Die Gespräche, der Austausch, der Einblick in die jeweiligen Gärtnerleben und Pflanzenwelten. Manchmal haben wir total die Zeit vergessen und selbst den extra gebackenen Kuchen, der auf dem Tisch stand. Da 2020 wegen Corona alle Gartenreisen, Seminare und Vorträge abgesagt wurden, konnte ich mich ganz und gar in dieses Buchprojekt stürzen. Bei den Fahrten über Land bin ich in unsere sehr abwechslungsreichen Kulturlandschaften eingetaucht, es war eine große Freude, von Gärtnerei zu Gärtnerei zu fahren und so viele wunderbare Menschen kennenzulernen.