„ALS TYP BIN ICH immer euphorisch und immer 100 Prozent, wenn ich mich in eine Sache stürze“, sagt Campino. Und damit meint der Frontmann, Sänger und Songwriter der „Toten Hosen“ nicht nur die Musik, sondern vor allem sein autobiografisches Buchdebüt als Fan des FC Liverpool. Ursprünglich gedacht als Fußball-Roadmovie, ist es nun auch eine Liebeserklärung an Campinos deutsch-englische Familie und eine Hommage an die Queen. „Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht“, versichert Campino. „Jede Zeile ist so gemeint, wie sie dasteht!“

Autobiografische Bücher werden oft zu runden Geburtstagen geschrieben, aber bis zu ihrem nächsten dauert es ja noch ein bisschen. Was war Ihr persönlicher Antrieb für „Hope Street“?
Ursprünglich wollte ich ja nur ein Fanbuch über Liverpool schreiben und ich hatte so eine Ahnung, dass sie die Meisterschaft in diesem Jahr holen würden. Deshalb musste das Buch zu diesem Zeitpunkt geschrieben werden.

„Hope Street“ beginnt mit einem kleinen Zeremoniell von größter Bedeutung für Sie. Was macht es Ihnen so „unglaublich wichtig“, auch britischer Staatsbürger zu sein?
Ich habe eine englische Mutter und einen deutschen Vater, deshalb scheint es mir richtig, beide Staatsangehörigkeiten zu besitzen. Ich fühle mich in beiden Ländern zuhause.

„Englische Popkultur hat mein Leben geprägt.“

Was macht für Sie Englisch-Sein aus? Welche Erinnerungen und aktuellen Verbindungen gehören unbedingt dazu?
Ich mag den englischen Humor und die Art und Weise, mit Schwierigkeiten umzugehen. Man versucht, immer das Beste aus der Situation zu machen. Nach dem Motto: It could be worse, it could be raining. Außerdem hat die englische Popkultur mein Leben geprägt, von der Beat-Musik bis zum Punkrock.

Zu den längsten Beziehungen in Ihrem Leben gehört die zum FC Liverpool. Was machte Sie zum glühenden Fan? Warum ausgerechnet dieser Verein?
Ich war zehn Jahre alt, als ich mich endgültig für Liverpool entschieden habe. Das war im Mai 1973. Die „Reds“ mussten im UEFA-Cup gegen Borussia Mönchengladbach spielen. Für mich war das aber mehr: Es bedeutete England gegen Deutschland – und ich fühlte mich von ganzem Herzen als Engländer. Der LFC hat gewonnen und damit waren die Würfel bei mir gefallen.

Nicht nur im Kapitel „Englische Woche“, sondern generell geht es Ihnen um „Fantum auf einem anderen Level“. Was gehört für Sie unbedingt dazu?
Auf jeden Fall hundertprozentige Leidenschaft. Die Bereitschaft, auch alle Tiefen mit durchzustehen, mit derselben Intensität, wie man die Triumphe feiert. Und natürlich auch Fahrten zu Auswärtsspielen, egal, ob der Gegner Real Madrid oder Shrewsbury heißt.

Englands Taxifahrer schwärmen von Jürgen Klopp. Was ist das Besondere an ihm als Trainer des FC Liverpool und an dem Spirit, den er gebracht hat?
Jürgen ist ein unglaublich guter Motivator und er spricht aus, was er denkt. Das lieben die Menschen an ihm. Selbst die Fans anderer Vereine zollen ihm großen Respekt, vor allem auch für seine Aussagen, die nicht unbedingt mit Fußball zu tun haben. Ob er sich nun zu Covid-19 oder zum Brexit äußert.

„Ich mag das rheinische Lebensgefühl.“

Den Anfang des Kapitels „Us and them“ kann man als Liebeserklärung an Düsseldorf lesen. Was löst bei Ihnen ein Hier-bin-ich-richtig-Gefühl aus?
Ich mag das rheinische Lebensgefühl, diese Bodenständigkeit, man kommt schnell miteinander ins Gespräch. Ich liebe es, mit dem Fahrrad am Rhein unterwegs zu sein, und ich werde von den Menschen genommen, wie ich bin.

Was war für Sie der Höhe- und was der Tiefpunkt in Ihrer Biografie als Liverpool-Fan?
Die Tiefpunkte waren sicherlich die Tragödien von Heysel und Hillsborough. Die Höhepunkte waren so zahlreich, dass ich sie kaum benennen kann. Der Champions-League-Sieg in Istanbul gehört dazu, aber auch das 4:0 gegen Barcelona im letzten Jahr, nachdem wir im Hinspiel 0:3 verloren hatten.

Auf welche Memorabilien von Liverpool sind Sie besonders stolz?
Ich habe ein Trikot von Sami Hyypiä vom Champions-League-Spiel gegen Arsenal, bei dem er selber ein Tor gemacht hat. Außerdem eine Tafel Liverpool-Schokolade aus dem Jahr 2002 und einen Schal vom Europapokalfinale in Rom 1977.

Weihnachten rückt näher. Feiern Sie klassisch englisch oder traditionell deutsch?
Seitdem meine Eltern gestorben sind, gibt es für mich kein festes Protokoll mehr, zumal ich sehr oft mit den Toten Hosen in dieser Zeit auf Tournee bin und mich dann ohnehin auf die Konzerte konzentrieren muss. Wenn wir aber spielfrei haben, liebe ich es, Reggae-Interpretationen von klassischen Weihnachtsliedern in der Adventszeit laufen zu lassen. Und natürlich gehört ein gutes Essen dazu – und eine schöne Flasche Wein.