Sololaki! Wie eine Zauberformel klingt es, wenn Leo Vardiashvili den Namen des ältesten Viertels von Georgiens Hauptstadt Tbilissi ausspricht. Hier ist er aufgewachsen, hier ist auch die Idee zu seinem ersten Roman geboren. Gemeinsam mit Leo hat sein Held Saba die Herkunft, die Flucht vor dem Bürgerkrieg nach England und das Pink-Floyd-Glücksbringer-T-Shirt. Leo muss es beim Schreiben oft getragen haben. Sein Debüt ist „ein überwältigender Roman. Voller Witz und tiefster Menschlichkeit.“ (Khaled Hosseini, Autor von „Drachenläufer“)​

Ihr Roman „Vor einem großen Walde“ wird als eines der erstaunlichsten und besten Debüts des Jahres 2024 gefeiert. Worin sehen Sie selbst den größten Erfolg und was freut Sie am meisten?
Das Schreiben von „Vor einem großen Walde“ war das Schwierigste, was ich je gemacht habe, weil es so viele Elemente vereint – von Familientrauma bis Märchen und so weiter. Aber nicht darüber freue ich mich am meisten. Auf dem Weg zur Veröffentlichung habe ich viele tolle Leute aus der Branche kennengelernt. Zum Beispiel meine Lektorin in Deutschland, Monika, meine Lektoren im Vereinigten Königreich und in den USA, und natürlich meine Agentin. Ich hoffe, dass ich noch viele Bücher schreiben werde. Deshalb freue ich mich am meisten darüber, dass ich all diese talentierten Menschen an meiner Seite habe. Ich glaube nicht, dass sie wissen, wie schwer es für sie sein wird, mich loszuwerden!

Welche Wunschträume haben sich für Sie durch Ihren Debütroman erfüllt?
Zu viele, um sie hier vollständig aufzuzählen. Aber einer, der hervorsticht, ist die Interaktion von Leser:innen, Kritiker:innen und Buchhändler:innen mit meinen Texten. Diese Art von Feedback, insbesondere Kritik, ist von unschätzbarem Wert – sie zeigt mir, wo meine Schwächen liegen und wie ich mich verbessern kann.

Die Zeit zum Schreiben mussten Sie Ihrem Alltag als Steuerberater abtrotzen. Wie haben Sie das geschafft und was hat Ihnen dieses besondere Buchprojekt zum Herzensanliegen gemacht?
Ich schrieb auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause, nach der Arbeit und an den meisten Wochenenden. Wer braucht schon Freizeit? Der Prozess des Schreibens selbst war so erfüllend, und wahrscheinlich hätte ich in meiner Freizeit sowieso geschrieben. „Vor einem großen Walde“ war mein erster Versuch, einen Roman aufs Papier zu bringen, und lag mir daher sehr am Herzen.

„… ein Abenteuer im Stil der ‚Schatzinsel‘“

Wie würden Sie Ihre Geschichte in ein bis zwei Sätzen zusammenfassen?
Nun, „Vor einem großen Walde“ ist ein Abenteuer im Stil der „Schatzinsel“, das in Georgien spielt und in dem es um einen verschwundenen Vater, korrupte Polizisten, entlaufene Zootiere und eine mysteriöse Spur von Hinweisen geht, die Sie aus den düsteren Stadtvierteln hinaus aufs Land führt, über dunkle Waldwege und in Klöster, die in den Bergen des Kaukasus versteckt sind. Aber: All diese Elemente dienen dazu, Sie vom Kern des Romans abzuschirmen – dunkle Familiengeheimnisse und die stillen, privaten Kosten des Krieges –, so dass Sie die emotionalen Schläge nicht kommen sehen.

Was ist für Sie der Keim des Dramas und Traumas von Sabas Familie, den Sulidze-Donauris?
Es gibt nichts Ungewöhnliches an den Sulidze-Donauris. Sie sind eine ganz normale Familie. Es sind der georgische Bürgerkrieg und die Vertreibung, die ihre Geschichte außergewöhnlich machen. Eigentlich ist „außergewöhnlich“ das falsche Wort – es gibt so viele Familien, die durch den Krieg geschädigt wurden, dass das richtige Wort vielleicht „gewöhnlich“ wäre. Aber auch dieses Wort passt nicht so recht.
Ich habe „Vor einem großen Walde“ geschrieben, um etwas Licht in das stille Familientrauma zu bringen, das durch den Krieg verursacht wird – die Art von subtilen Traumata, die man nicht in den Nachrichten sieht; die Art von Trauma, die sich über Jahrzehnte hinzieht, lange nachdem die Reporter:innen und Kameras zum nächsten Konflikt weitergezogen sind.

Sie erzählen aus der Perspektive von Saba Sulidze-Donauri, der wie Sie selbst einst aus Georgien nach England kam. Ist er eine Art Alter Ego von Ihnen? Welche eigenen Erlebnisse und Erfahrungen haben Sie ihm mitgegeben?
Saba und ich haben eine gemeinsame Geschichte, aber ich würde ihn nicht als ein Alter Ego bezeichnen. Sicher, die Anfänge von ihm sind meine eigenen. Auch meine Familie floh vor dem Bürgerkrieg in Georgien. Genau wie Saba kehrte ich fast zwanzig Jahre lang nicht nach Hause zurück. Auf dieser ersten Rückreise muss mein Flugzeug irgendwann während des langen Fluges durch ein Portal geschlüpft sein. Denn als ich landete, stellte ich fest, dass ich eine Zeitreise in meine Kindheit gemacht hatte. Ich begann, „Vor einem großen Walde“ zu schreiben, um dieser surrealen Heimkehr einen Sinn zu geben. Je mehr ich jedoch schrieb, desto mehr trennten sich die Wege von Saba und mir, und wir wurden sehr unterschiedliche Menschen.

„Das Abenteuer, das Saba erlebt, verändert ihn.“

Wie würden Sie Ihren Protagonisten Saba charakterisieren?
Ich würde sagen, er ist ein wenig naiv und nicht sehr robust. Er ist durch das Trauma, das seine Familie durchgemacht hat, emotional verletzlich. All das macht ihn zu einem guten Protagonisten – er fühlt wirklich die Gefühle, die ich den Leser:innen vermitteln möchte. Vielleicht zu sehr. Ich will nicht zu viel verraten, aber das Abenteuer, das Saba erlebt, verändert ihn. Der Saba am Ende des Buches ist nicht der Saba, den wir auf der ersten Seite kennenlernen.

Was treibt Saba zum Aufbruch in seine alte Heimat Georgien?
Saba kehrt völlig unfreiwillig nach Georgien zurück. Sein Vater wird in Tbilissi vermisst, ebenso wie sein Bruder. Saba hat keine andere Wahl, als zurückzukehren und nach den beiden zu suchen. Sein Pass wird bei der Ankunft konfisziert, die Zootiere sind entlaufen, und die Spur, der er folgt, führt ihn an Orte, die ein Tourist nicht betreten würde. Aber das sind die äußeren Umstände, die ihn nach Georgien führen. In seinem Inneren erkennt Saba nicht, dass dieses Abenteuer für ihn unerlässlich ist, um das Trauma, das seine Familie erlitten hat, zu heilen. Die Konfrontation mit diesem Trauma an seiner Wurzel, in Georgien, verwandelt ihn. Wie ich schon sagte, ist Saba am Ende des Buches nicht mehr der Saba, den wir auf der ersten Seite kennengelernt haben.

Wann und weshalb sind Sie selbst zum ersten Mal wieder nach Georgien gereist? Wie haben Sie es erlebt?
Im August 2012, an einem Freitag gegen 2 Uhr morgens, kündigte der Pilot den Landeanflug auf den Flughafen von Tbilissi an. Dort wartete eine Familie auf mich, die ich seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Unser Wiedersehen war nicht so, wie man es sich vorstellt – die Gespräche verliefen in peinlichem Schweigen. Niemand wollte zugeben, dass die Zeit aus uns Fremde gemacht hatte. Das Gefühl würde vorübergehen. Mit der Zeit würden wir wieder eine Familie sein. Aber an diesem ersten Abend, auf der Fahrt zum Haus meines Onkels, versuchte ich erfolglos, meine Tränen zurückzuhalten. Mein Onkel durchbrach diesen Bann sofort. Er öffnete die Tür, schaute mich von oben bis unten an und sagte mit einem makellosen Pokerface: „Warum hast du so lange gebraucht?“ Und ich wusste, dass alles in Ordnung sein würde.

„Ich habe mich durch Hunderte von Bildern von Sololaki ­gewühlt.“

Wie haben Sie die Route von Sabas Odyssee abgesteckt und wie die Stationen ausgewählt?
Ich hatte einen Plan für den Roman – nur eine Handvoll Stichpunkte, die den Anfang, die Mitte und das Ende beschrieben. Der Plan gab mir eine gute Vorstellung von den Orten, über die ich schreiben würde. Ich wusste zum Beispiel, dass der Stadtteil Sololaki in dem Buch vorkommen sollte – dort habe ich meine eigene Kindheit verbracht. Sololaki ist ein erstaunlicher Ort. Von da an habe ich viel recherchiert – ich habe mich durch Hunderte von Bildern von Sololaki gewühlt. Ich besuchte den Ort persönlich, machte viele eigene Fotos und, was noch wichtiger ist, ich versuchte, die Details zu erfassen, die auf dem Film nicht zu sehen sind – die Geräusche, die Texturen, die Gerüche … An jedem neuen Ort, von dem ich wusste, dass Saba ihn aufsuchen würde, wiederholte ich diesen Prozess so oft wie möglich. Ich behandelte jeden neuen Ort wie eine Filmkulisse in meinem Kopf. Solange er sich nicht real anfühlte und die kleinsten Details nicht stimmten, konnte ich nicht mit den „Dreharbeiten“ beginnen.

Gleich nach seiner Landung gerät Saba ins Visier der Polizei und wird aufs Revier bestellt – in einen Glasbau. Durchsichtig wirkt hier allerdings gar nichts. Worauf kommt es Ihnen bei den kafkaesk anmutenden Konfrontationen mit dem Kommissar und den Behörden an?
Saba und der Detektiv sind sich ähnlicher, als sie zugeben wollen. Sie haben beide mit dem Trauma zu kämpfen, das der Krieg in ihren Familien verursacht hat. Sie sind Seelenverwandte und wären in einer anderen Welt vielleicht die besten Freunde gewesen. Aber in „Vor einem großen Walde“ werden sie durch einfaches, dummes Glück zu Opponenten. Ich will hier nichts verraten – aber wenn die Beweggründe des Detektivs klar werden, werden Sie ihm vielleicht verzeihen.

Als Erstes lernt Saba in Tbilissi den Taxifahrer Nodar kennen. Was macht ihn – neben seinem Auto – zum idealen Weggefährten?
Nodar verkörpert Hunderte von Taxifahrern, die ich in Tbilissi kennengelernt habe – allesamt Experten für zahlreiche Themen, einschließlich Politik, und lustiger als die meisten Komiker. Mehr noch, Nodar ist der Inbegriff eines Georgiers. Ja, sicher, er hat Macken, ist sehr menschlich und macht Fehler – aber er ist loyal, freundlich, witzig und großzügig, oft zu seinem eigenen Nachteil. Er ist der ideale Gefährte – je ärmer seine eigenen Umstände sind, desto großherziger wird er.

„In den Straßen von Tbilissi lauert eine unbekannte Gefahr.“

Wie kamen Sie auf das Chaos mit den Zootieren und was finden Sie daran perfekt für Ihren Roman? Was spiegelt sich darin?
Ich finde es lustig, dass eines der seltsamsten Ereignisse im Roman auf Tatsachen beruht. Die Zootiere sind 2015 tatsächlich aus dem Zoo von Tbilissi ausgebrochen. Es gibt viele Nachrichtenartikel und surreale Fotos von diesem Ereignis. Aber in meinem Roman waren die Zootiere ein perfektes Mittel, um das Gefühl zu vermitteln, dass in den Straßen von Tbilissi eine unbekannte Gefahr lauert. Mehr noch, sie sind eine der Möglichkeiten, wie der Roman die Märchenwelt und ihre seltsamen Ereignisse in die reale Welt überschwappen lässt.

Was macht Tbilissi für Sie zum idealen Romanschauplatz?
Für das westliche Auge ist Tbilissi zum Teil vertraut und einladend, zum Teil aber auch völlig fremd und ungewöhnlich. Ich hoffe, dass die Leser:innen einige von Sabas Reaktionen auf seine Umgebung in Tbilissi nachempfinden können.
Zweitens wollte ich den Leser:innen Tbilissi richtig vorstellen. Es ist eine erstaunliche Stadt mit einer reichen, gewalttätigen, faszinierenden Geschichte – ich habe die meisten meiner britischen Freunde zu einem Besuch dorthin geschleppt. Sie haben es alle geliebt.

„Je gefährlicher die Spur wird, desto wuchtiger werden die Stimmen.“

Begleitet wird Saba von den Stimmen seiner Oma, seiner Mutter und anderer vertrauter Menschen. Was macht sie zum Segen? Was zum Fluch?
Die imaginären Stimmen, mit denen sich Saba unterhält, sind die Stimmen von Familienmitgliedern und Freunden, die er in Georgien zurückgelassen hat und die inzwischen verstorben sind. Er hat diese Stimmen lange vor Beginn des Romans absichtlich in seinem Kopf heraufbeschworen. Teilweise waren die Stimmen ein Bewältigungsmechanismus. Als Saba erkannte, dass es sich um „grobe Karikaturen“ von Familie und Freunden handelte, beschloss er, nicht mehr mit ihnen zu sprechen. Doch als die Ereignisse in „Vor einem großen Walde“ Saba in die Tiefen Georgiens entführen, kehren auch diese Stimmen zurück – ohne Erlaubnis. Je gefährlicher die Spur wird, desto wuchtiger werden auch die Stimmen – und ihre Macht über Saba. Nicht alle Stimmen sind freundlich, und vor allem eine birgt ein sehr dunkles Geheimnis …

Funktioniert Sabas Suche im Prinzip ähnlich wie die Schnitzeljagden, die sein Bruder Sandro einst in der Kindheit mit ihm gespielt hat?
Die Schnitzeljagd, die Saba und Sandro gespielt haben, und ihre eigene Sprache, die sie als Brüder in einem fremden Land entwickelt haben, machen die Schnitzeljagd in Georgien erst möglich. Anhand der Hinweise, die er hinterlässt, kommuniziert Sandro mit Saba in ihrer Geheimsprache, die sie aus Büchern und Märchen entwickelt haben, die ihre Mutter ihnen vorlas, bevor sie für immer getrennt wurden.

Einen Hinweis verdankt Saba dem Märchen „Hänsel und Gretel“. Warum haben Sie es ins Spiel gebracht und was ist das Inspirierende oder Bedeutsame an Märchen für Sie?
Einige der härtesten und dunkelsten Wahrheiten über das Leben werden durch Märchen vermittelt. Vor allem die ungefilterten, unzensierten Märchen aus der Zeit vor Disney, wie die der Brüder Grimm, von Hans Christian Andersen sowie die traditionellen europäischen Volksmärchen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Diese harten Wahrheiten werden für Kinder geschrieben und ihnen vorgelesen. Ich finde das faszinierend. Ich bin mit solchen Märchen aufgewachsen und hatte große Freude daran, sie in meinem eigenen Roman zu verarbeiten.

„Ich hoffte, ein entferntes Gefühl der Vorahnung zu erzeugen …“

Ihr Romantitel „Vor einem großen Walde“ weckt unterschiedliche Assoziationen. Worauf kommt es Ihnen am meisten an?
Das Wichtigste für mich ist es, schon im Titel die Atmosphäre eines Märchens heraufzubeschwören. Ich hoffte, ein entferntes Gefühl der Vorahnung zu erzeugen, das mit „dunklen Wäldern“ einhergeht, und den Leser:innen zu signalisieren, dass sie sich auf ein Abenteuer einlassen, das nicht frei von Gefahren sein könnte. Mir ist klar, dass nicht jeder sofort die Verbindung zum Märchen der Brüder Grimm herstellen wird. Aber das ist in Ordnung – ich würde es vorziehen, wenn sie die Verbindung später herstellen, während sie das Buch lesen. Ich stelle mir vor, dass sie die Verbindung erkennen, zum Titel zurückblättern und denken: „Ah, jetzt verstehe ich den Titel … Cool!“ Es gibt noch viele andere Details wie dieses in dem Roman, die Sie hoffentlich dazu bringen, Ihre Schritte im Wald zurückzuverfolgen, um einen zweiten Blick auf ein Detail zu werfen, das plötzlich an Bedeutung gewonnen hat.

In Tbilissi hat Saba das Gefühl, „dass überall Erinnerungen wie Landminen verstreut sind“. Wie ist es Ihnen selbst ergangen?
Bei meinem ersten Besuch in der Stadt spürte ich in gewissem Maße Sabas Befürchtung, auf Erinnerungen zu stoßen. Ich verbrachte viel Zeit damit, durch mein Viertel zu gehen, blieb oft stehen und starrte wie ein verirrter Tourist. Aber das Gefühl war nicht unangenehm, nur melancholisch, so wie die Rückkehr in das Haus der Kindheit für jeden anderen auch sein könnte. Heutzutage sind meine Landminen glücklicher Natur – ein Freund, dem ich in Sololaki über den Weg laufe, oder ein Cousin, den ich auf der Durchreise unerwartet treffe …

Welchen Stellenwert hatten Humor und Ironie für Sie beim Schreiben und in welchen Situationen kam es Ihnen besonders darauf an?
Humor, insbesondere im Angesicht der Not, ist ein wesentlicher Bestandteil der georgischen Identität, und ich wollte dies so gut wie möglich zeigen. Es gibt ein echtes Gefühl dafür, dass man noch nicht besiegt ist, wenn man noch über die Dinge oder über sich selbst lachen kann, egal, wie schlimm es steht!

Ihr Roman ist ein kühner Genre-Mix. Entstand er nach einem genauen Plan oder eher spontan? Was hat Ihnen dabei selbst am meisten Vergnügen bereitet?
Der ursprüngliche Plan war so einfach, dass ich ihn hier vollständig zitieren kann:
– Eröffnung: Vater verschwindet in Tbilissi
– Bruder verschwindet in Tbilissi
– Lange Suche in Tbilissi, vielleicht mit Hinweisen
– Ende: findet Vater? Findet Vater nicht?
Aus der Not heraus wurde dieser Plan immer detaillierter und präziser, je mehr ich schrieb. Ich war mir sehr bewusst, dass das Thema schwierig sein würde, und brauchte daher eine starke und rätselhafte Handlung, damit man immer wieder zum Buch zurückkehrt. Was die märchenhaften und magischen Elemente angeht, so haben sie sich ohne Erlaubnis in den Roman eingeschlichen – es hat einfach zu viel Spaß gemacht, sie zu schreiben.

„Saba wird von den Geistern geplagt.“

Sehen Sie „Vor einem großen Walde“ eigentlich auch als Entwicklungsroman?
Auf jeden Fall. Saba ist ein widerstrebender, naiver Protagonist. Er wird von den Geistern seiner verlorenen Familie und dem Leben, das er in Georgien nicht führen konnte, geplagt. Die merkwürdigen Ereignisse im Roman zwingen ihn, sich diesem Trauma zu stellen, es so gut wie möglich zu verarbeiten und am Ende als veränderter Mensch daraus hervorzugehen.

Wie ein Refrain oder Mantra zieht sich durch Ihren Roman Sabas Seufzer: „Ich möchte aufwachen, wo es besser ist …“. Was heißt „besser“ für ihn und was für Sie selbst? Was wäre Ihr Wunschtraum?
Ich glaube, die meisten Menschen hatten schon einmal diesen Traum oder Albtraum, von dem sie irgendwie wissen, dass er nicht real ist. Sie wissen, dass es ein Traum ist, aber sie können sich nicht überwinden, aufzuwachen. Dieses unheimliche Gefühl war der Ausgangspunkt für diesen Refrain. Aber für Saba entwickelte er sich zu einem verbalen Ausdruck des verzweifelten Wunsches nach einer Atempause von dem Fiebertraum, in dem er sich befindet, seit er in Georgien ankommt.