GEFRAGTES FOTOMODELL, YouTuberin mit Klick-Rekorden wie ein Popstar und nun auch Bestsellerautorin: Das ist nicht etwa der Steckbrief einer 25-Jährigen, sondern der von Greta Silver. Sie ist 70 – mit Begeisterung. Die dreifache Großmutter fühlt sich in ihrer „Blütezeit“ und lebt vor, „wie toll es ist, alt zu sein“. Gute Gene? Positive Gedanken und Gefühle sind entscheidender, so Gretas Überzeugung. Ihre Mission als strahlende Botschafterin der Generation „Best Ager“: Mut machen und zeigen, wie man glücklich werden kann – in jedem Alter.

Party oder Panik – das ist nicht zuletzt die Frage bei runden Geburtstagen. Wie war Ihre Antwort anlässlich Ihres 70.? Und was hat den Tag für Sie unvergesslich gemacht?
Die Überraschungsparty meiner drei Kinder, ihre Reden. Puh, das hat mich umgehauen. Alle haben ein Jahr lang geplant und organisiert – und alle Freunde haben ein Jahr lang dichtgehalten. Hammer!

Viele nehmen runde Geburtstage zum Anlass, um Bilanz zu ziehen. Wie ist Ihre ausgefallen?
Ich fühle mich reich beschenkt durch meine Kinder und mein Leben an sich. Nun beginnt eine neue spannende Phase meines Lebens. Jedes Jahr wird mein Leben aufregender, leichtfüßiger, kreativer.

Was steckt hinter dieser positiven Entwicklung?
Ich mache mich nicht mehr wegen Quatschkram verrückt. Ich habe gelernt, meine Verletzungen loszuwerden: durch Verzeihen. Und ich lebe angstfrei. Letzteres haben mir Einbrecher beigebracht, die jedoch nur in meinem Kopf existierten. Da war mir klar, der Terror entsteht in meinem Kopf. Man stelle sich doch nur mal vor, ich mach mich mein Leben lang verrückt und es kommt keiner. Das wäre ja erst die wahre Katastrophe … Die Frage ist doch: Was bringt mir meine Angst? Ich weiß, diese Gedanken kommen ungefragt – aber ich kann sie wieder rauswerfen und an etwas anderes denken.

Gefeiert werden Sie schon seit einiger Zeit in Zeitungen, Magazinen und Talkshows – als Frau, die der Generation „Best Ager“ alle Ehre macht. Was finden Sie treffend daran?
Ich erkenne erst jetzt, wie bitter nötig es ist, das graue, mitleidsvolle Bild vom Alter aufzupolieren. „Best Ager“ bringt zum Klingen, dass wir im besten Alter sind. Offensichtlich strahle ich diese Lebensfreude aus.

Was bedeutet „Best Ager“ konkret für Sie?
„Best Ager“ bringt die Freiheit zum Ausdruck, die in dieser neuen Zeit entsteht: deutlich weniger Verpflichtungen, in der Familie und gesellschaftlich. Jetzt kann man seine Talente leben und Träume verwirklichen. Wir haben ein so tolles Know-how und wissen doch, wie Leben funktioniert. Wir reden ja schließlich von einer Phase von ca. 60 bis 87 Jahren, so die statistische Lebenserwartung. Das ist die gleiche Zeit wie von 33 bis 60 – was ist da alles passiert! Diese Zeit sitzen wir doch nicht einfach ab! Die gestalten wir!

Die meisten Frauen lieben zwar ihre Enkel über alles – aber nicht die Bezeichnung als „Oma“. Und Sie?
Da ich die Rolle so sehr liebe und keine komischen Bilder im Kopf habe, wie eine Oma zu sein hat, mag ich den Begriff. Es tun sich unglaubliche Erlebnisfenster auf.

„Mein Leben ist umwerfend“

Welche wertvollen Erfahrungen machen Sie da?
Mit Enkeln sieht man die Welt wieder neu – mit Kinderaugen. Und man staunt über die Wunder dieser Welt. Wir können von Kindern so unglaublich viel lernen, nicht nur das Hinfallen und Wiederaufstehen. Kinder denken ohne Bewertung. Davon können wir uns auch eine Scheibe abschneiden. Kinder gehen so positiv in die Welt – haben keine Vorbehalte wie wir. Sie sind so tolle Lehrmeister.

Statt Ruhestand sind bei Ihnen immer wieder Neustarts angesagt. Was beflügelt und ermutigt Sie immer wieder dazu?
Meine Neugier und Begeisterungsfähigkeit tragen mich zu neuen Ufern. Außerdem das Wissen beziehungsweise die Erfahrung. Und auch Nichtwissen ist manchmal von Vorteil – da bremst mich nichts aus.

Mit 66 haben Sie begonnen, die YouTube-Welt zu erobern. Worin bestanden die größten Herausforderungen für Sie?
Die Technik, die man kennen oder beherrschen muss, um im Netz gefunden zu werden. Immer glaubte ich, ich habe es gleich geschafft. Diese Zuversicht ließ mich durchhalten, obwohl es noch nicht soweit war.

Was half Ihnen, die Hürden zu meistern?
Es gibt im Netz viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Beispielsweise die Tutorials, also Anleitungen, in denen andere im Film erklären, was man Schritt für Schritt machen muss. Später kann man in Communitys fragen – man hilft sich untereinander. Das ist großartig und macht Mut.

Ihre Botschaft an alle, die sich noch gar nicht mit der digitalen Welt angefreundet haben?
Einfach versuchen! Im Internet findet man Gleichgesinnte – Menschen mit gleichen Hobbys und Interessen.

Inzwischen haben Sie mit Ihrem YouTube-Kanal einen Status wie eine Art Popstar. Mit welchem Beitrag haben Sie Ihren persönlichen Rekord eingespielt? Was war am allerschönsten dabei?
Ein Film alleine hat eine Viertel Millionen Klicks bekommen. Das Thema: Wie ich mit über 60 noch 15 Kilo abgenommen habe. Das Schwergewicht meiner Filme liegt jedoch bei der Frage: Was kann ich für mein inneres Glück tun?

Pünktlich zu Ihrem 70. hatte auch Ihr Buch Premiere: „Wie Brausepulver auf der Zunge“. Was macht Ihr Leben so prickelnd?
Was gerade in meinem Leben passiert, ist einfach umwerfend. Ich darf Vorbild sein für Generationen! Das hab ich nie für möglich gehalten. Ich finde mich ja völlig normal. Es begeistert mich zu sehen, wie viele Menschen da draußen so ticken wie ich – das war mir vorher nicht klar. Das hat mein Weltbild verändert.

Ihr Selbstverständnis haben sie darin schön umschrieben mit: „Anschubserin von Glückspotenzialen“. Wie verstehen Sie diese Mission? Was genau möchten Sie bewegen?
Ja, es sind nur die kleinen Stellschrauben, die verändert werden – und die Blickrichtung unserer Gedanken ändern. Als Mission sehe ich in der Tat: Die Bilder in den Köpfen, wie denn wohl das Alter sei, müssen auf den Schrotthaufen. Und zum Gelingen meiner Mission ist ja jetzt das Buch da. Das ist was Handfestes, das ist der Stellschraubenversteller für alle.

„Wir haben immer die Wahl …“

Hannelore Elsner schrieb in ihrer Autobiografie, die kurz vor ihrem 70. Geburtstag erschien, dass sie Ihrer Großmutter viel verdankt: „Von meiner Oma habe ich gelernt, mein Leben, mein Schicksal so anzunehmen, wie es ist, ohne dauernd zu hadern.“ Und wer hat Ihre positive Lebenseinstellung geprägt?
Ich habe als kleines Mädchen mitbekommen, dass ich alles schaffen kann. Wenn mal was schief gelaufen war, musste es ein Versehen gewesen sein – zumindest betrachtete und bezeichnete Papi es so. Er hat mir sehr großes Vertrauen geschenkt. Das ist sicherlich ein sattes Polster.

Es wird ja oft behauptet, dass die Lebenseinstellung auch viel mit Veranlagung zu tun hat. Ihre Strategie für all jene, die keine geborenen Optimisten sind?
Ich glaube nicht, dass man ein geborener Optimist oder Pessimist ist. Wir haben immer die Wahl, wie wir eine Situation bewerten. Daraus entwickelt sich eine Lebenseinstellung und zieht weitere Konsequenzen nach sich.

Gab es bei Ihnen bestimmte Schlüsselsituationen, in denen Sie die entscheidenden Aha-Effekte hatten?
Oh ja, es gab Schlüsselsituationen. Als ich begriff, dass ich Geheimverträge mit meinem Umfeld geschlossen hatte, ohne dass die betroffenen Menschen davon wussten. Ich habe ihnen die Verantwortung für mein Glück beziehungsweise Unglück übertragen. Nur, das funktionierte nicht. Keiner kam vorbei und wollte was für mein Glück tun – ich musste es selber tun. Da begann die Freiheit.

Genau wie Ihre YouTube-Beiträge betreffen viele Themen in Ihrem Buch nicht ausschließlich Ihre Generation. Wie haben Sie die Auswahl getroffen?
Es war die Frage: Was hat mich zu der glücklichen Frau gemacht, die ich heute bin? Diese Erkenntnisse habe ich dann in kleine Portionen verpackt.

Ihre berufliche Laufbahn zeigt, dass Planung höchstens die halbe Miete ist. Was erscheint Ihnen mindestens genauso wichtig?
Chancen erkennen und zupacken.

Viele 15-Jährige träumen davon, Sie haben es geschafft. Wie wurden Sie eigentlich Model?
Meine Tochter modelte und ihr winkte ein Auftrag „Mutter und Tochter“. Sie überredete mich dazu und es wurde eine spannende Erfahrung. Deshalb habe ich mich bei der Modellagentur meiner Tochter angemeldet. Schon kam nach ein paar Wochen ein großer Auftrag für eine Kaffeefirma rein. Dann jedoch dauerte es Monate, bis sich wieder etwas tat. 

Was sind für Sie die wichtigsten Erfahrungen, die Sie bei Ihren Model-Jobs mitbekommen haben?
Modeln ist Energiearbeit. Die Energie einen ganzen Tag bei der x-ten Wiederholung zu halten, ist anstrengend.

Stichwort Mode: Etikette oder Lustprinzip oder Abteilung für die reifere Frau, wo man eigentlich nichts falsch machen kann? Was bevorzugen Sie?
Lustprinzip – alles ist erlaubt. Abteilung für die reife Frau kenn ich gar nicht.

Altersfalten sind das neue Piercing, schreiben Sie. Fällt es Ihnen tatsächlich jeden Morgen leicht, Ihr Spiegelbild anzulächeln? Oder ergeht es Ihnen  manchmal auch wie all den vielen zerknitterten Durchschnittsmenschen, die mit dem eigenen Anblick hadern?
Oh, ich kann ganz müde aussehen. Da juble ich nicht gleich dem Spiegel entgegen. Aber es zieht mich auch nicht mehr runter. Ich kenn mich längst. Der rettende Soforteffekt? Meiner Erfahrung nach tatsächlich: Lächeln!

Irgendwann hatten Sie eine 08/15-Absage im Briefkasten. Aber statt sich zu grämen, haben Sie die Initiative ergriffen. Würden Sie diese Strategie auch weiterempfehlen?
Auf jeden Fall. Ein Nein ist nur die Aufforderung, noch einmal nachzufassen. Ich wollte nur wissen, was ich bei weiteren Bewerbungen anders machen müsste – ich hatte mich ja schließlich nur als Springerin für turbulente Zeiten beworben. Erst nach meiner Nachfrage las man die Bewerbung richtig, lud mich ein – und einen Tag später konnte ich meine neue Stelle antreten.

Sie empfehlen in Ihrem Buch, sich regelmäßig zu überlegen, wofür man heute dankbar sein kann. Was haben Sie sich in dem Zusammenhang zuletzt notiert?
Ich bin tatsächlich für mein gemütliches Bett und Zuhause dankbar. Aber auch für das Wetter, wenn ich denn Zeit habe, auf der Terrasse zu sitzen. Ja, auch für das Vogelkonzert – da bin ich unendlich dankbar. Aber auch, wie gut mein Buch „Wie Brausepulver auf der Zunge“ läuft und wer da alles vom Verlag an meiner Seite steht. Nichts ist für mich selbstverständlich. Dankbarkeit macht glücklich!

„Sich vergleichen, zieht einen runter.“

Sie machen aufmerksam auf „Lebensfreude-Verhinderer“ – und meinen damit keineswegs anstrengende Mitmenschen. Sondern?
Sich vergleichen, zieht einen runter. Neid ebenfalls, der eigene Kritiker, Perfektionismus, Verletzungen aus der Vergangenheit mit sich rumschleppen. Es hilft: gnädig zu sich selber sein, sich selbst verzeihen, die Verantwortung für das eigene Glück übernehmen, die eigenen Stärken anerkennen.

Die wenigsten werden es bisher gemacht haben, aber Sie empfehlen es: nämlich einen „Liebesbrief an mich selbst“ zu verfassen. Warum tut das gut?
Ich erkannte, dass jeder nur eine Facette von mir sah – mich als: Ehefrau, als Tochter, Mutter, Kollegin – und ja – einen Teil von mir kenne nur ich selbst. Diese Vielfalt in einem Brief zusammenzutragen, macht reich. Die Erkenntnis, dass es in mir etwas gibt, was keiner kennt, fand ich jedoch schade. Ich schloss daraus, dass es anderen genau so geht. Also: Nicht nur die bekannte Rolle beim anderen abfragen, sondern davon ausgehen, dass auch er diese ganze Palette lebt – und nachfragen. Spannend!

„Ich bin wie das Mädchen im Sterntaler-Märchen“, sagen Sie über sich. Was meinen Sie damit genau?
Ich habe mir die Wachheit bewahrt, die Chance zu erkennen und zuzufassen. Sammle in meiner Schürze Möglichkeiten, die ich ausprobiere. Wenn es gelingt, bleib ich dabei – wenn nicht, bin ich um eine Erfahrung reicher. Nie war ich traurig, etwas ausprobiert zu haben. Beispiel: Es bot sich die Möglichkeit, Hausboote, Ferienhäuser und Hotels einzurichten – ich griff zu. Ich ergriff auch die Chance, Berichte in Zeitungen zu veröffentlichen. Ich schrieb das „Brausepulver“-Buch über mein Leben – und es sprang auf die „Spiegel“-Bestsellerliste. Ich werde als Rednerin für Kongresse und Firmenveranstaltungen angefragt – ich mach es. Das fällt vom Himmel … Sternschnuppen halt.

Womit haben Sie sich in Ihrem Leben bisher am meisten überrascht?
Die größte Überraschung war, als ich nach 17 Jahren Hausfrau-und-Mutter-Dasein in die Selbständigkeit startete. Dass ich da so erfolgreich werden würde, war nicht vorhersehbar. Offenheit bedeutet: Raus aus eingefahrenen Bahnen. Es kann nichts Neues entstehen, wenn ich immer das Gleiche tue.

Gretas kleines Glücks-ABC

Aufbruch …
… bringt neue Seiten in uns zum Leuchten.

Begeisterung …
… lässt uns über Gräben springen.

Bewegung …
… beamt uns aus eingefahrenen Bahnen.

Extras …
… alles ist ein Geschenk – nichts im Leben ist selbstverständlich!

Freundinnen und Freunde …
… sind das Salz in der Suppe – was wären wir ohne sie?

Liebe …
… ist die stärkste Waffe – mir ihr gelingt alles im Leben.

Niederlagen …
… wenn es weh tat, habe ich am schnellsten gelernt, wie Leben funktioniert.

Schönheit …
… kommt immer von innen.

Sprünge, und zwar große …
… lassen unsere Herzen jubeln!

Träume …
… können uns auf Realisierung verklagen – sie geben sowieso vorher keine Ruhe!

Verluste …
… gehören zum Leben dazu – öffnen uns meist neue Türen.

Zeit …
… ist kostbar – wir sollten sie nutzen!