Der filigrane Strich, pointierte Zeichnungen mit Freiraum für Fantasie, Leichtigkeit aufs Papier gebannt – das ist Kera Tills Markenzeichen. Mit ihrer treffsicheren Beobachtung, eingefangen in zarte Illustrationen, hat sich Kera Till als international gefragte Illustratorin etabliert und einen ganz eigenen und unverkennbaren Stil geschaffen. Die Münchnerin mit französischen Wurzeln ist leidenschaftliche Zeichnerin. Wir sind sehr stolz, dass sie exklusiv für uns drei wunderschöne Notizbücher gestaltet hat. Entstanden ist eine feine, kleine Collection, die zum Träumen einlädt.

War es schon immer Ihr Wunsch, als Illustratorin zu arbeiten?
Ich wusste nach meinem Abitur an einer französischen Schule gar nicht wirklich, dass Illustratorin ein Beruf sein könnte und man davon leben kann. Deswegen finde ich es im Nachhinein so wichtig, dass es Rolemodels gibt, die über ihren Werdegang erzählen. Tatsächlich habe ich dann erst einmal an der LMU Politische Wissenschaften studiert. Während dieser Zeit habe ich viele Illustrationen gesehen und bewundert und mich selbst ans Illustrieren gewagt und vieles ausprobiert. Nebenbei, und als Nebenjob … Aber so entstand die Idee. Mein Studium habe ich aber noch mit einem Magister abgeschlossen.

Was war der Startschuss für Ihre Karriere?
Der erste Auftrag war ein Jeans-Special für NET-A-PORTER, auf das ich unglaublich stolz war. Erst nach einem Praktikum in London habe ich mich getraut, mein Portfolio zusammenzustellen und es an deutsche Magazine zu senden. Im Nachhinein glaube ich, dass diese Zeit im Ausland super wichtig für mich war.

Einer Ihrer ersten großen Aufträge war für die Vogue. Wie ist dieser zustande gekommen und was ist danach passiert?
Ich durfte für die deutsche Vogue das Horoskop illustrieren. Das waren ganze zwölf Seiten und mein Entrée für internationale Aufträge, von Ladurée bis Hermès. Dass ich heute vom Illustrieren leben kann, verdanke ich meinem jugendlichen Mut während des Studiums und diesen ersten, großen Aufträgen.

Sie sind schon viel auf der Welt herumgekommen. Was war das Spannendste, das Sie erleben durften?
In Japan war ich für Faber-Castell unterwegs. Es hat mich beeindruckt, dass in dieser Kultur das Zeichnen einen so hohen Stellenwert hat, die Menschen eine hohe Affinität für Illustrationen jeder Art haben. Das merkt man ja an den Mangas, aber auch an japanischem Stationery, also dem japanischen Schreibwarenbedarf, Briefpapier und der Kalligraphie. In Japan wie auch in Korea gibt es auch wirklich tolle Buchläden, die sehr viele Lifestyle-Produkte führen. 
Als Kontrast durfte ich für einen anderen Auftrag 3 Monate in New York verbringen – eine tolle Zeit!

„Am liebsten zeichne ich für mich, zu Hause.“

Seit einigen Jahren betreiben Sie einen eigenen Online-Shop. Wie kam es zu diesem Schritt?
Den gibt es jetzt schon ca. fünf Jahre. Begonnen habe ich mit diesem Herzensprojekt mit nur wenigen Produkten … Zwischenzeitlich könnte es eigentlich ein Fulltime-Job sein. Gerade an Weihnachten ist hier immer viel zu tun.

Welche Rolle spielt Social Media für Ihre Karriere?
Ich werde teilweise durch Instagram gebucht, das ist für mich sogar zu einem neuen Geschäftsfeld geworden. Als ich vor vielen Jahren als Illustratorin begonnen habe, war das noch anders: Da traf man sich noch mit den Art Directors persönlich und musste originale Zeichnungen mitbringen. Auch wenn das heute weniger geworden ist, gibt es viele andere interessante Möglichkeiten.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration beim Illustrieren und Zeichnen?
Natürlich inspirieren mich auch andere IllustratorInnen, Modefotografie, Instagram oder Bücher und selbstverständlich aktuelle Themen, die viele Menschen betreffen. Ich bin auf der Suche nach Themen, bei denen sich viele Menschen wiedererkennen. Das macht enormen Spaß.

Das klingt nach einem Traumjob?
Das Klischee besagt: Als Illustratorin sitzt man den ganzen Tag im Café und zeichnet ganz versunken. Aber das ist eher der romantische Traum über diesen Beruf. Christoph Niemann, bekannter Illustrator vom New Yorker, hat mal gesagt: „Die Wahrheit ist, man muss sich konzentrieren und hart arbeiten.“ Die Antwort fand ich wirklich treffend. Trotzdem bin ich unglaublich dankbar, dass ich von etwas leben kann, das mir Spaß macht.

„Mit Büchern wachsen wir über unsere eigene Welt hinaus.​“

Für Hugendubel haben Sie drei exklusive Motive entworfen. Was erzählen die Illustrationen auf den Notizbüchern? Was ist die Geschichte hinter jedem Motiv?
Bücher erheben uns, lassen uns nach den Sternen greifen – wodurch wir über unsere eigene Welt hinauswachsen (Sternenhimmel). Bücher sind aber auch ein Refugium, erlauben mir eine Me-Time, in der ich mich ausklinke. Und in dem Moment ist es nebensächlich, was draußen passiert – denn ich tauche weg (Zelt). Bücher erlauben mir zu fliegen, begleiten mich und schenken mir Freiheit. Wo auch immer ich lebe – da passt das schwarze Kleid oder der Trenchcoat im Stil von Audrey Hepburn (Luftballon).

Was macht den Zauber von Illustrationen aus?
Bei Fotos tun sich Menschen oft schwer, sich mit ihnen zu identifizieren. Es entsteht eine spezielle Distanz. Bei Illustrationen hingegen, z.B. von hinten oder nur zart angedeutet, können sich erstaunlich viele Menschen wiedererkennen. Man kann sich gewissermaßen selbst hineinprojizieren.

Sie haben bereits mehrere Bücher illustriert, zuletzt eine wunderschöne Ausgabe von „Little Women“, erschienen im Reclam Verlag. Wie unterscheidet sich der Prozess bei der Illustration eines Buches von Ihren anderen Arbeiten?
Das ist schon toll, da man sich mal so richtig in diese Welt reindenken kann, sich Zeit nehmen kann, um Kostüme aus der Zeit anzusehen oder sich lange mit dem Buch zu beschäftigen. Und es ist natürlich etwas Besonderes, weil man sich das gedruckte Buch dann zuhause auf den Tisch legen kann. Das hat tatsächlich großen Spaß gemacht – aber war natürlich auch viel Arbeit.

Was liegt Ihnen an Büchern besonders am Herzen?
Zurzeit muss ich meinem Sohn bis zu fünf Bücher am Abend vorlesen, abwechselnd auf deutsch und französisch. Mein Mann sogar noch mehr. Bücher sind sehr präsent in unserer Familie. Ich selbst gerate gern mal in Rabbitholes. Vor kurzem habe ich einen Podcast über Sinatra gehört, der mich so fasziniert hat, dass ich direkt eine Biografie gekauft habe. In Buchhandlungen verfalle ich aber auch immer wieder meiner „Guilty Pleasure“ und lande in der Ecke New Age oder Selbsthilfe. Bücher von Eckhart Tolle oder Gabby Bernstein entspannen mich. Und dann liebe ich natürlich den Non Book Bereich vor allem für die Notizbücher, davon kann ich nie genug kriegen.

Welche Bücher können Sie uns empfehlen?
Meinem Sohn lesen wir sehr gerne Bücher vor die uns auch, vor allem in der Gestaltung ansprechen. „Wo ist mein Hut“ mag ich sehr, weil ich auch den Zeichner Jon Klassen genial finde. Das neue Buch von Annabelle Hirsch hat mir auch sehr gut gefallen. Sie erzählt die Geschichte der Frauen anhand von Objekten. Solche Sammlungen liebe ich, auch weil ich darin schmökern kann und an unterschiedlichen Stellen wieder anfangen kann. In dem Buch finde ich auch die Beschreibung von Objekten toll, die mich als Modeillustratorin besonders interessieren.

Empfehlungen von Kera Till:

Jon Klassen
Wo ist mein Hut
Übersetzt von: Thomas Bodmer
NordSüd
34 Seiten
12,00 €

Ab 3 Jahren

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Annabelle Hirsch
Die Dinge. Eine Geschichte der Frauen in 100 Objekten
Kein und Aber
416 Seiten
32,00 €

Auch als eBook auf Hugendubel.de erhältlich

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