MAX SEECK, FINNLANDS Nr. 1 in der Spannungsliteratur, hat Wurzeln in Deutschland. Das Abitur hat er an der deutschen Schule in Helsinki gemacht. Für den Meister der düsteren, unheimlichen Atmosphäre ist seine Heimatstadt – vor allem im Winter – die ideale Inspirationsquelle seiner Thriller um die geheimnisvolle Ermittlerin Jessica Niemi. Nach dem Welterfolg und „New York Times“-Bestseller „Hexenjäger“ fesselt er nun mit „Teufelsnetz“.

Sie haben noch mindestens einen unerfüllten Traum als Autor. Welchen?
Eigentlich habe ich bereits alles erreicht, was ich als Autor wollte. Aber einer meiner größten Träume ist vielleicht immer noch der, einen Oscar zu gewinnen, entweder für das Drehbuch oder die Regie eines Spielfilms.

Ihr internationaler Bestseller „Hexenjäger“ hat nicht zuletzt in Hollywood Aufmerksamkeit geweckt. Wie ist der aktuelle Stand der Verfilmung?
Mehr als jeder andere bin ich gespannt, Genaueres über das Filmprojekt zu erfahren. Ich bin sicher, dass es bald Neuigkeiten geben wird, aber wir müssen noch ein wenig abwarten. Im Januar war ich bei einigen Vorbesprechungen in Los Angeles dabei und das war wirklich interessant. Abgesehen davon glaube ich nicht, dass es bei der Produktion allzu vieles gibt, woran ich beteiligt sein werde, und das ist auch gut so. Diesen Job überlasse ich anderen.

Sie haben nicht nur das deutschsprachige Hörbuch von „Hexenjäger“ mit Begeisterung angehört, sondern sprechen auch fließend Deutsch. Woher kommen Ihre guten Sprachkenntnisse?
Nun, mein Familienname ist deutsch, und Seeck kommt, soweit ich weiß, von See-Eck – Fun Fact. Meine Familiengeschichte geht also bis nach Deutschland zurück. Angeblich ist mein Ururgroßvater im späten 19. Jahrhundert von Deutschland nach Finnland ausgewandert. Deshalb gehört meine ganze Familie zur deutschen Gemeinde und meine Konfirmation fand in einer deutschen Kirche statt. Auf diese Weise habe ich viele deutsche Freunde gewonnen. Als ich auf die deutsche Schule in Helsinki ging und dort das Abitur machte, hatte ich einen wirklich guten Deutschlehrer. So lernte ich fließend Deutsch.

„Ich schätze die deutsche Kultur.“

Was verbinden Sie mit Deutschland?
Ich schätze die deutsche Kultur – die Musik, das Bier und den Fußball. Am häufigsten denke ich an Bayern, wo ich die meiste Zeit verbrachte. Die Atmosphäre dort mag ich sehr.

Welchen Ursprung hat Ihr Faible für Krimis und wer oder was imponiert Ihnen heute besonders im Spannungsgenre?
Meine erste Begegnung mit Krimis war Mitte der 1990er Jahre, als ich mit meiner Großmutter „Hercule Poirot“ und andere Agatha-Christie-Filme schaute. Ich fand das alles geradezu magisch: den Rätselcharakter, die Spannung und schließlich die Lösung des Falls.

Was macht Ihre Heimatstadt Helsinki zur idealen Krimikulisse?
Helsinki hat – wie jede Stadt – zwei Gesichter. Im Sommer ist es die schönste und aufregendste Stadt, voller Leben und voller Menschen, die das Leben genießen. Im Winter jedoch kann es richtig kalt und finster werden. Der Kontrast ist gewaltig. Deswegen schätze ich Helsinki als Schauplatz für düstere und eisige Thriller. Es drängt sich regelrecht auf. Genau wie Stockholm oder Oslo.

„Ich neige dazu, filmisch zu denken.“

Wie wählen Sie Ihre Schauplätze aus?
Ich spiele gern mit dem, was die Romanfiguren in einem bestimmten Zeitraum sehen. Ich neige dazu, filmisch zu denken. Mir gefällt eine unscharfe, eisige Szene mit unheimlichen Gestalten, die den Blick auf dich richten. Die Romanfigur hat Angst. Ich habe Angst. Und der Leser – hoffentlich – auch.

„Hexenjäger“ war erst der Anfang. Was ist Ihr großer Plan für Ihre Krimireihe?
Ich würde nicht behaupten, dass ich einen großen Plan für die Reihe habe. Ich möchte einfach interessante Bücher schreiben, die als Teil einer Reihe oder als eigenständige Bücher gelesen werden können. Ich versuche, mich jedes Mal zu übertreffen, wenn ich ein Buch schreibe, und sicher zu gehen, dass ich den Leser nicht unterschätze.

Sie erzählen aus den Perspektiven verschiedener Ermittler vom Gewaltdezernat in Helsinki. Was ist Ihnen wichtig bei der Zusammenstellung des Teams und bei der Beschreibung der einzelnen Kollegen und ihrer persönlichen Geschichten?
Wie im wirklichen Leben ist das Interessante die Verschiedenheit der Personen. Gleichförmigkeit finde ich langweilig. Ich verbringe meine Zeit gern mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Interessen. Und das gilt ebenso für meine Bücher. Die Charaktere müssen mehrdimensional sein, vielschichtige Menschen.

 

„Jessica hat ein Herz aus Gold.“

Im Mittelpunkt steht Jessica Niemi. Wie würden Sie sie in wenigen Sätzen vorstellen?
Sie ist intelligent, clever und wirklich gut in ihrem Job. Man kommt nicht unbedingt leicht mit ihr zurecht, und in ihrem Privatleben trifft sie nicht immer die richtigen Entscheidungen. Aber sie ist rechtschaffen und hat ein Herz aus Gold.

Auf den ersten Blick ist Jessica Niemi eine erfolgreiche Ermittlerin, aber sie hat auch einiges zu verbergen. Was sind ihre größten Stärken und Schwächen?
Ich glaube, ihr chaotischer Geist ist sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche. Man muss die Bücher lesen, dann weiß man, was ich meine.

Im Gewaltdezernat beginnt eine neue Ära unter der Leitung von Helena Lappi. Was ist das Spannende daran?
Helena Lappi ist eine pragmatische Frau, deren Motive man leicht missversteht. Sie steht in ihrer neuen Führungsposition unter Druck. Und sie weiß, wie sehr alle im Dezernat ihren Vorgänger Erne Mikson schätzten. Es ist für sie also nicht einfach, professionell zu sein und zugleich die Sympathien der anderen zu gewinnen.

Was hat Sie zu Jessica Niemis neuem Fall in „Teufelsnetz“ inspiriert?
Ich habe mein Instagram durchgesehen und da kam mir der Gedanke, wie schrecklich es wäre, wenn jemand den Account eines anderen kapern würde, nachdem er ihm oder ihr Gewalt angetan hat.

„Zwei Instagram-Influencer verschwinden spurlos.“

Wie würden Sie den Plot von „Teufelsnetz“ auf den Punkt bringen?
Zwei Instagram-Influencer verschwinden spurlos und auf ihrem Account erscheinen rätselhafte Bilder.

„Teufelsnetz“ beginnt glamourös in der Hipster-Szene von Helsinki. Was hat Ihr Interesse als Autor an diesem Milieu geweckt?
Tatsächlich habe ich lange in dieser Szene gelebt und gearbeitet. Es ist eine Welt, die mir sehr vertraut ist.

Wie haben Ihre Recherchen zu „Teufelsnetz“ Ihre Sicht auf die Sozialen Medien beeinflusst?
Die Sozialen Medien haben in mir schon immer gemischte Gefühle ausgelöst. Es macht irgendwie Spaß mitzukriegen, was andere so treiben. Zugleich sind mir auch die vielfältigen Gefahren bewusst geworden. Die Sozialen Medien können die geistige Gesundheit durch Verzerrung der Wahrnehmung beeinflussen und sie können zwielichtige Leute als Follower anziehen.

Rätselhafte Bedeutung gewinnt die Manga-Kultur. Was genau macht diese japanischen Comics spannend für Sie als Autor?
In meinen Büchern widme ich mich gern Themen, über die ich noch nicht viel weiß, aber mehr erfahren möchte. Ich war schon immer ein Fan japanischer Horrorfilme – und da sind mir die vielen Manga-Anspielungen aufgefallen. Es war hochinteressant, dem Phänomen nachzugehen und es in „Teufelsnetz“ zu verarbeiten.

Musik gehört für Sie zum Leben und zum Schreiben. Spielen Sie noch in einer Band?
Musik in einer Band habe ich das letzte Mal vor etwa 20 Jahren gemacht, aber ich spiele noch immer Klavier. Allerdings hätte ich große Lust, es wieder einmal mit einer Band zu probieren.

Welche Musik haben Sie vorzugsweise bei der Entstehung von „Teufelsnetz“ gehört?
Da fällt mir die Antwort leicht: Sowohl für „Hexenjäger“ als auch für „Teufelsnetz“ habe ich mir immer wieder den Soundtrack des Films „Get out“ angehört.

„Bei Jessicas Traumsequenzen bekomme ich Gänsehaut.“

Zu „Hexenjäger“ haben Sie eingestanden, dass selbst Sie die Geschehnisse furchterregend fanden. Wie erging es Ihnen beim Schreiben von „Teufelsnetz“?
Schöne Frage. Ich finde „Hexenjäger“ teilweise nach wie vor sehr gruselig – besonders bei Jessicas Traumsequenz bekomme ich Gänsehaut. Die beiden Bücher sind sehr verschieden. „Teufelsnetz“ ist nicht so unheimlich und horrormäßig wie „Hexenjäger“ – und das war eine wohlkalkulierte Absicht. Ich wollte dieses Mal eher einen klassischen Whodunnit-Krimi schreiben.

Sie haben einmal verraten, dass Sie Ihren literarischen Figuren etwas von sich selbst mitgeben, eine Eigenheit oder etwas, das Sie stark beschäftigt oder berührt. Welche drei Figuren in „Teufelsnetz“ würden Sie als Beispiele nennen?
Mit Jussuf verbindet mich sicherlich der Musikgeschmack und eine gewisse Distanziertheit. Bei Jessica ist es eine bestimmte Art, Anderen gegenüber misstrauisch zu sein. Und Rasmus hat diese Introvertiertheit, die ich manchmal an mir selbst beobachte. Ich neige dazu, die Situationen meiner Figuren mitzuempfinden. Es ist fantastisch, sie in heiklen Situationen zu erleben und zu sehen, wie sie sich zurechtfinden. Ich komme mir vor, als wäre ich mitten im Geschehen.

Wie lautet Ihre wichtigste Botschaft an Ihre Leser in ein / zwei deutschsprachigen Sätzen?
Meine Bücher sollen nicht nur unterhalten, sondern auch zum Denken anregen. Mir geht es darum, die dunklen Seiten der Gesellschaft aus einer anderen Warte zu betrachten.