Was spricht dafür, eine bestimmte Angst in kleine sachliche Aspekte zu unterteilen?
Angst ist oft überwältigend, undefiniert und groß. Sie erschlägt oder lähmt. Mir hilft es in solchen Momenten, genauer hinzuschauen, die Angst zu zerlegen. Dann schaue ich mir ein Angst-Stück nach dem anderen an und versuche, einen Umgang damit zu finden. Also statt dem riesigen Angst-Berg viele kleine Angst-Hügel. Die kann ich besser bewältigen. Das ist aber gar nicht so einfach, wie es klingt. Beim eigenen Atmen anzufangen kann dabei zum Anker werden, also sich rückzuversichern: es gibt mich noch, ich atme, ich lebe, ich denke.

Angst kann das Leben des Betroffenen unerträglich machen. Was wäre wünschenswert, um professionelle Unterstützung einfacher und schneller gestalten zu können?
Wir gehen jedes Jahr zum Zahnarzt, zur Kontrolle. Auch andere Körperteile werden präventiv regelmäßig untersucht, um größere Schäden zu verhindern, denn sie sind später schwerer zu heilen oder zu behandeln, und teurer ist es dann auch. Krankenkassen ermutigen zu Kontrollterminen. Solche Prävention sollte auch für die Seelengesundheit gemacht werden. Mental-Health-Check-ups. Dann ist das Stigma weg, das es immer noch zu oft gibt. Betroffene wissen im akuten Fall auch direkt, wohin sie sich wenden können mit ihrer Angst.

Sie zitieren den italienischen Bewusstseinsforscher Antonio Damasio mit den Phasen der Entwicklung in: Sein, Fühlen, Denken. Würden Sie heute hier das Kommunizieren als vierte Phase mit aufnehmen wollen?
Das ist eine gute Idee! Wir müssen reden. Uli Hauser und ich haben geredet über das, was uns bewegt. Gedanken getauscht. Und daraus ist dieses Buch entstanden. Wir haben es gemeinsam geschrieben, weil wir glauben, dass unsere Angst die Angst von vielen ist. Wir sind nicht allein damit. Raus mit der Sprache.

Es liegt Ihnen am Herzen, dass wir offener reden, über kleine wie große Ängste. Welche eigenen Erfahrungen ermutigen Sie dazu?
Angst ist, mehr als mir lieb ist, zu einem großen Thema in meinem Leben geworden. Ich habe lernen müssen und lernen dürfen, wie gut es tut, seine Angst zu teilen, offen darüber zu sprechen. Klar, über Angst zu denken und zu reden oder über Angst zu schreiben ist genau, was man nicht will. Aber das mit dem Verdrängen oder Vergessen klappt nicht auf Dauer, die Angst ist schneller und holt einen in jedem Fall ein.

In den Sozialen Medien stoßen gerade junge Menschen, die vermeintliche Schwächen preisgeben, auf einen ungebremsten Hass. Also doch lieber schweigen?
Soziale Medien können Hilfe bieten, gerade für Menschen, die niemand in ihrer Umgebung haben, dem sie sich anvertrauen können. Aber Sie haben Recht, die manchmal geradezu Asozialen Medien sind auch ein Risiko. Schweigen ist aber definitiv keine Lösung.