Die Miniserie „Kafka“ entstand anlässlich des 100. Todestages des Schriftstellers im Juni 2024 als Gemeinschaftsproduktion von ARD, ORF und Superfilm. Wer die Erstausstrahlung im März 2024 verpasst hat, kann sie in der ARD-Mediathek unter diesem Link abrufen.
FRANZ KAFKA
(1883-1924)
In der Vielvölkerstadt Prag gehörte Kafka der jüdischen und der deutschsprachigen Minderheit an. Er wuchs in einer Kaufmannsfamilie auf – im steten Konflikt mit seinem Vater. Nach dem Studium und der Promotion in Rechtswissenschaft machte er Karriere als Versicherungsjurist. Zugleich schrieb er obsessiv – oft nachts. Mehrfach verlobt und wieder entlobt, handelte er sich seinen Spitznamen ein: „Junggeselle der Weltliteratur“. Sein spätes Glück fand er mit Dora Diamant.
EINE HOCHKARÄTIGE KAFKA-HOMMAGE, die den Schriftsteller begeistert hätte: Die TV-Miniserie „Kafka“ ist das Projekt eines Dreamteams – mit erstklassigem Cast und Joel Basman in der Titelrolle. Das Drehbuch, das auf der dreibändigen Kafka-Biografie von Rainer Stach basiert, schrieben ausgezeichnete Literaten: Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“, „Lichtspiel“) in Kooperation mit David Schalko („Bad Regina“), der auch Regie führte.
Kafka war ein begeisterter Kinogänger. Was macht sein eigenes Leben für Sie filmreif?
DK: Es war ein alltägliches Leben, aus dem große, visionäre Literatur entstand. Diese aber entstand als Reflexion seines eigenen Alltags, seiner inneren Nöte. Diesen Vorgang einer magischen Transformation wollen wir in der Serie sichtbar machen.
DS: Es stellt sich ja die Frage: Was ist eine Lebensgeschichte? Diese Frage beschäftigt auch unseren Erzähler. Wo beginnt sie, wo hört sie auf? Wir erzählen keinen klassischen Plot. Wir erzählen aus der Perspektive unterschiedlicher Lebensbegleiter. Es sind eigentlich sechs Filme aus sechs Perspektiven. Im Mittelpunkt steht aber immer die Verbindung zu seiner Literatur.
Welche Atmosphäre oder welches Milieu liegt Ihnen in der Filmbiografie besonders am Herzen?
DK: Die verschwundene Welt der jüdischen Intellektuellen in Wien und Prag zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie war die Geburtsstätte der Moderne, und Kafka war tief in ihr verwurzelt.
DS: Mir lag die Entrücktheit der Orte, die wir für diese Serie geschaffen haben, besonders am Herzen. Jeder Ort ist mit der Welt, aus der uns Kafka berichtet, verbunden.
Bei Kafka liegt das Tragische und das Komische oft nur einen Satz entfernt.“
Ungemein produktiv war Kafka bei Liebesbriefen. Welches Talent hatte er zum Happy End und was stellte er sich darunter überhaupt vor?
DK: Happy End war nicht sein Talent, aber er konnte Frauen zutiefst mit der Kraft seiner Sprache beeindrucken. Das ist nicht erstaunlich – wir sind ja alle ebenfalls zutiefst von dieser Sprache beeindruckt. Er konnte Frauen in Briefen gewissermaßen hypnotisieren, es lag etwas Überwältigendes darin. Im Falle seiner Verlobten Felice Bauer wusste er dann gar nicht recht, wie er die Beziehung im wahren Leben, außerhalb der Briefe, weiterführen sollte.
DS: Vielleicht war für Kafka etwas erst dann existent, wenn es auch zu Literatur wurde. Für ihn gab es eine Felice Bauer ohne die Briefe nicht. Sie war eine literarische Projektion. Dort, wo sich bei uns die Literatur mit Kafkas Leben verflicht, haben wir uns daher entschieden, dass die Charaktere aus der Realität Entsprechungen in der fiktionalen Ebene haben. Der Vater spielt den Vater im Urteil, Felice ist Frida, etc. Kafka selbst kommt naturgemäß in unterschiedlichen Gestalten vor.
Auf der offiziellen Feier seiner Beförderung bei der Versicherung bekam Kafka einen Lachanfall, beim Vorlesen aus seinen Werken angeblich auch manchmal. Woran lesen Sie seinen Humor ab und womit löst er bei Ihnen Heiterkeit aus?
DK: Kafka ist, neben vielem anderen, auch ein tief in der osteuropäischen Literatur verankerter Humorist mit einer Vorliebe für seltsame Sprachbilder und komische Situationen. Wer danach Ausschau hält, sieht diese Eigenschaft überall in seinen Büchern.
DS: Es sind oft einzelne Sätze, die plötzlich herausfallen und einen mit Humor überfallen. Bei Kafka liegt das Tragische und das Komische oft nur einen Satz entfernt. Besonders komisch wird es oft, wenn sich der Mensch um Ernsthaftigkeit bemüht.
Welche Eigenschaften, Eigenheiten und Vorlieben oder Abneigungen Kafkas haben Sie beim Drehbuchschreiben am meisten überrascht?
DK: Seine Konfliktscheu. Kafka hat sich nie offen gestritten – das macht es etwas schwierig, ihn als dramatische Figur zu gestalten, denn Drama lebt nun einmal vom Konflikt. Man muss dafür Aus- und Umwege finden, aber mit Hilfe des genialen Schauspielers Joel Basman ist uns das, glaube ich, auch gelungen.
DS: Sein Lieblingsweg war der Ausweg. Seine Eigenschaft, Entscheidungen aus dem Weg zu gehen, ist manchmal nervenaufreibend. Gleichzeitig hat vermutlich genau dieser Umweg zu seiner Literatur geführt.
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