DER MANN IST EIN Phänomen: Burghart Klaußner meistert als einer der profilier­testen deutschen Schau­spieler ein Reper­toire an Rollen, die nicht unter­schied­licher sein könnten – vom prügelnden Pastor aus „Das weiße Band“ bis zum Staatsanwalt in „Der Staat gegen Fritz Bauer“. „Ursprüng­lich Theater­mensch“, wie er betont, hat er an fast allen bedeutenden Bühnen hierzulande gespielt. Er begeistert als Hörbuchsprecher und Interpret von Chansons. Seit Neuestem ist er auch Schriftsteller – mit einem brillanten Debüt.

Sein Roman war Herausforderung und Heimspiel zugleich. Klar, Klaußner musste seine persönliche Handschrift finden, um den spannenden Erzählstoff in Literatur zu verwandeln. Aber er war in seinem Element: „Sprache ist meine absolute Leidenschaft und mein Erfrischungsbecken. Archäologie der Sprache, Ursprünge der Sprache, Neuschöpfung – das alles ist meine Freude.“ Und die passende Atmosphäre? Kloster oder Kaffeehaus? Ersteres muss nicht unbedingt sein, Letzteres lässt nicht genug Konzentration zu. Trotzdem: die gastronomische Spur zu verfolgen, lohnt sich. Schließlich ist Burghart Klaußner das Milieu alles andere als fremd, aus dem sein Romanheld Fritz kommt. Der Name Klaußner steht für eine Kneipendynastie, die sein aus Franken eingewanderter Urgroßvater im bierseligen Berlin begründete. „Zum Klaußner“ war eine Institution, in der die Prominenz aus Politik und Kultur sich die Klinke in die Hand gab. Sein Vater hatte als Wirt die Rolle seines Lebens gefunden. Und Burghart selbst? „Gastgeber zu sein, ist eine wunderbare Form des Daseins. Aber ob ich das jeden Tag vollziehen möchte?“. Vertraut sind Klaußner auch die Schauplätze: Berlin, wo er geboren ist. Der Wannsee, wo Klaußner als Kind oft mit seinen Eltern Ausflugsgast war. Im Roman wird der See zum Schicksalsort für Fritz, der ein passionierter Segler ist – wie Klaußner selbst. Und das merkt man seinem Buch an, etwa der Schilderung, wie Fritz während eines Unwetterinfernos versucht, Oberwasser zu behalten – ein Schlüsselerlebnis, das ihn für all die künftigen Stürme wappnet. Persönlich grundiert ist auch die Ursprungsidee: eine „Anekdote“ von Klaußners Vater, der, wie Fritz im Roman, in den letzten Kriegstagen eingezogen wurde und „in eine Situation geriet, in der die Feldgendarmerie ihn erschießen wollte“. Schreiben wollte Klaußner jedoch keine Familienbiografie, sondern eine „spannende Erzählung von der Kunst des Überlebens“.

„Sprache ist meine absolute Leiden­schaft!“

Ein Buch, das Klaußner gerade jetzt wichtig findet: „Wir erleben in unserer Gesellschaft eine ungeheure Sorglosigkeit in Bezug auf einen scheinbar ewigen Frieden. Gerade die Gewaltbefürworter von rechts, denen etwas entgegenzusetzen unsere Staatsanwaltschaften nicht gewillt scheinen, zeigen uns, wie gefährlich das Vergessen unserer Geschichte ist“, erklärt Klaußner. Aber wie wird Geschichte so lebendig, dass sie Menschen anspricht und aufrüttelt? Klaußners Überzeugung: „Geschichten von Menschen und über Menschen sind der Kern aller Geschichte.“ Große Weltgeschichte im Kleinen! Wie in Uwe Timms „Entdeckung der Currywurst“ oder bei George Tabori, der so treffend formulierte: „Es ist ein Welttheater, jedes Leben.“ Und was für ein Mensch ist er nun, der Romanheld? Drückeberger oder Draufgänger? Klaußner: „Wer die Geschichte von Fritz liest, wird ihn um manche seiner Unverfrorenheiten beneiden.“