Herzlichen Glückwunsch! Cornelia Funke weckt bei einer Generation nach der anderen Leselust und die Liebe zu Büchern. Ob Geschichten oder Illustrationen – das Multitalent schöpft aus einem reichen Fundus an Phantasie. Zum runden Geburtstag der „Wortfischerin“ sind nun einige ihrer größten Erfolge als Neuausgaben erschienen – ideal für Sammler und Nachwuchsleser.

Im Dezember werden Sie 60. Worüber staunen Sie selbst in der Rückschau am meisten?
Das größte Erstaunen löst natürlich immer noch aus, dass meine Bücher fast überall in der Welt gelesen werden und ich so auch zur Weltbürgerin geworden bin. Das war eine lange Reise von der deutschen Kleinstadt nach Kalifornien und noch weiter . Und ich war mal ein solcher Reisemuffel und kannte nicht einen Menschen, der aus einem anderen Land kam!

Und wofür sind Sie am meisten dankbar?
Zu allererst natürlich für meine Kinder. Und dann dafür, dass ich mit so vielen unglaublichen Menschen arbeiten durfte und darf und dadurch ständig dazulerne.

Wie haben Sie eigentlich Ihr Talent zum Schreiben entdeckt?
Ich war eine unendlich gelangweilte Illustratorin. Ich fand oft, dass die Geschichten, die ich bebildern sollte, langweilig waren oder mir nie erlaubten, das zu zeichnen, was ich zeichnen wollte. Also hab ich mir eines Tages eine Geschichte geschrieben, die all das beinhaltete. Aber es hat noch einige Jahre gedauert, bis ich begriff, dass ich das Schreiben ebenso liebe wie das Illustrieren. Eine Weile hat es meine Leidenschaft fürs Zeichnen und Malen sogar verdrängt.

„Mit 17 wollte ich die Welt verändern.“

Ihre erste berufliche Station war ein Bauspielplatz – als Erzieherin. Wie kam es dazu?
Ich wollte mit 17 die Welt verändern – oder, sagen wir, sie zumindest ein kleines bisschen besser machen. Meine Eltern und viele Verwandte wollten, dass ich Kunst studiere, aber mit Siebzehn hört man selten auf das, was die sagen, Also studierte ich Pädagogik, mein Hassfach in der Schule, weil ich mit Kindern arbeiten wollte. Und stellte dann fest, dass ich mit denen ständig male und vorlese und dass man das eigene Talent wohl leben muss. Heute unterstütze ich mit dem, was ich mit den Büchern verdiene, viele Sozialarbeiter und Initiativen. So schließt sich der Kreis aufs Wunderbarste.

Meggie aus der „Tintenherz“-Trilogie wird die Begeisterung für Bücher schon in die Wiege gelegt. Wie war das bei Ihnen?
Die Spaziergänge mit meinem Vater zur Stadtbücherei gehören zu meinen magischsten Erinnerungen. Er ging nach rechts in die Erwachsenenabteilung und ich nach links zu den Kindern und nacheiner langen Weile kamen wir beide mit Stapeln von Bücherschätzen unterm Arm zurück, die wir gern über zwei Brücken nach Hause trugen.

Man lernt ja bekanntlich nicht für die Schule, sondern fürs Leben. Wie lautet die wichtigste Lektion, die Sie in Dorsten am Gymnasium St. Ursula von den Nonnen mitbekommen haben?
Meine Schule hatte großen Einfluss auf mich. Ich habe dort das Denken gelernt, das kritische unabhängige Denken, das nichts für unumstößlich hält. Und ich habe den Wert von Zivilcourage und politischem Engagement vermittelt bekommen, Mitgefühl für andere und die Verpflichtung, ihre Rechte ebenso wie die eigenen zu schützen, Dinge zu ändern oder wenn nötig zu bekämpfen, wenn man sie für falsch hält … Kurz: Ich verdanke den Nonnen vom St. Ursula sehr viel☺.

Sind Sie schon im Deutschunterricht durch Glanzleistungen aufgefallen? Oder wodurch sonst?
Nein, zuerst bin ich dadurch aufgefallen, dass ich nie mit dem Papier auskam und oft am Thema vorbeischrieb. Dass ich manchmal ungewöhnliches zu Papier brachte, wurde zwar kommentiert, aber in den Noten hat sich das erst spät niedergeschlagen. Ich hatte allerdings in der Oberstufe einen Deutschlehrer, der mich für alle Zeit mit der Liebe zur Literatur infiziert hat. Ebenso wie mein Englischlehrer.

„Ich glaube, wir leben um zu wachsen.“

Sie verstehen sich vor allem als Geschichtenerzählerin. Warum?
Ich nenne mich eine Geschichtenerzählerin, weil ich glaube, dass geschriebene Worte erst wirklich zum Leben erwachen, wenn man sie vorliest und teilt, und weil ich mich als „Wortfischerin“ für all die verstehe, die nicht die richtigen Wort finden für all das, was wir als Menschen als Menschen fürchten oder lieben.

Den internationalen Durchbruch brachte Ihnen 2002 „Herr der Diebe“, ein Venedig-Abenteuer, in dem die Leser in eine rätselhafte Welt geraten. Was ist das Faszinierende an solchen Entdeckungsreisen?
Für mich ist jedes Buch eine Abenteuerreise. Ich weiß nie, wo sie hinführt, weil ich mich gern von der Geschichte überraschen lasse. Beim „Herrn der Diebe“ ist das Buch natürlich auch eine Liebeserklärung an Venedig, so wie „Tintenherz“ eine an Ligurien ist. Ich beschreibe meinen Lesern gern Orte, an die sie wirklich reisen können, ohne magische Spiegel oder Kleiderschränke zu suchen.

Sie lassen nicht nur Ihre Romanhelden Neuland entdecken, sondern reisen auch selbst gern. Was genau begeistert Sie?
Dass der Horizont sich mit jedem Ort etwas weitet und man begreift, dass Grenzen und Nationalitäten sehr überflüssig und künstlich sind.

Das Finale der „Tintenwelt“-Trilogie schaffte es im Oktober 2007 sofort auf Platz 1 der „Spiegel“-Bestsellerliste – und wurde ein Welterfolg. Welche Bedeutung hat „Tintenwelt“ für Sie persönlich?
Ich habe in der „Tintenwelt“ viel über das Schreiben nachdenken und darüber schreiben können. Und wie sehr Geschichten ein Bild für das Leben sein können und unsere Frage, ob irgendwer unser Schicksal schreibt. Inzwischen bin ich in der Welt mit Reckless ja ein paar Jahrhunderte weiter gereist und dort findet sich dadurch noch mehr von meinem Lebensgefühl.

„… und plötzlich war es einfach, ein Wildes Huhn zu sein.“

Über „Die wilden Hühner“ wollten Sie eigentlich gar nicht schreiben. Wie kam es dann doch dazu?
Meine damalige Lektorin hat den Anstoß gegeben, weil sie mich bat, mal was ohne Feen und Zwerge zu schreiben. Ich war sicher, dass das furchtbar langweilig werden würde, aber dann habe ich die Großmütter meiner Mutter und meines Mannes als Inspiration genutzt, unsere Hühner und Gemüsebeete, die Kinder, die mir auf dem Bauspielplatz begegnet waren. Und plötzlich war es ganz leicht, ein Wildes Huhn zu sein.

Ihre künstlerische Karriere haben Sie als Illustratorin begonnen und inzwischen ein umfangreiches Werk geschaffen – bis hin zu den neuen Coverentwürfen für die Jubiläumsausgabe der „Tintenwelt“-Trilogie. Was war anders als bei der ganz jungen Cornelia Funke?
Da ist so viel anders, dass es Seiten füllen würde. Zum Glück, denn der Wandel ist ja der Sinn des Lebens, oder? Ich male inzwischen auch sehr großformatig und finde die Helden für meine Geschichten oft auf die Weise oder in großen Farbskizzen, bevor ich sie mit Worten beschreibe. Das ist wohl die größte Veränderung.

Sie haben eine Vielzahl von Preisen erhalten. Die schönste Auszeichnung für Sie?
Das kann ich nicht wirklich sagen. Gewöhnlich bedeuten mir die am meisten, die ich von Kindern bekomme. Aber ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass die Liste des Time Magazine oder die Book Sense Awards mir nichts bedeutet haben.

In einem Interview haben Sie einmal gesagt, das Ziel des Lebens sei nicht unbedingt das Glück. Worauf kommt es stattdessen an?
Ich glaube, dass wir leben um zu wachsen. Manchmal passiert das auch durchs Unglück – auch wenn wir das nicht gern akzeptieren.

Sie haben ein extra „Schreibhaus“. Was hat es damit auf sich? Und was ist das Schöne daran?
Ich habe inzwischen eine Schreibscheune. Und das wunderbarste ist, dass ich dort eine lange Werkbank habe, auf der all meine Projekte ihren eigenen Tisch haben und ich mich so je nach Laune mal an das eine und mal an das andere Notizbuch setzen kann.

Auf Ihrer Homepage veröffentlichen Sie den „Schreibhauskurier“. Welche Idee steckt dahinter?
Alles, was meine Arbeit betrifft und oft auch Dinge, die mich bewegen. Meine Schwester ist der Kapitän auf dem Website Schiff und sie macht das wirklich ganz wunderbar.

Offenbar sind Sie ein großer Hörbuch-Fan. Was begeistert Sie daran besonders?
Ich glaube, in Tintenherz habe ich für alle Zeit verraten, wie sehr mich die menschliche Stimme verzaubert. Von Musik ganz zu schweigen!

Sie sammeln Drachen. Was symbolisieren Drachen für Sie?
Sie symbolisieren für mich die Kraft und Schönheit von allem Nicht-Menschlichen auf diesem Planeten.

Ausgewählte Werke von Cornelia Funke:

Cornelia Funke
„Die große Cornelia Funke-Hörspielbox“

6 CDs, ca. 360 Min. Laufzeit

Oetinger Audio
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Cornelia Funke
„Die wilden Hühner“
Dressler
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Cornelia Funke
„Die wilden Hühner – Fuchsalarm“
Dressler
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Cornelia Funke
„Die wilden Hühner – Auf Klassenfahrt“
Dressler
15,– €
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