GELERNT HAT Iris Ney Lebensmittelchemie – heute hantiert sie jedoch nicht mehr im weißen Kittel, sondern mit robuster Kleidung im Freien. Geblieben ist die Experimentierfreude. Eine Inspirationsquelle ist England mit den oftmals weit schweifenden Blickachsen in den Gärten. Doch auch winterliche Gärten in Deutschland können eine besondere Ausstrahlung vermitteln, wenn die Bepflanzung dementsprechend angelegt ist.
War es Zufall oder Planung, dass Sie beim Gärtnern gelandet sind?
Eher Zufall insofern, dass man für meinen Beruf ja gar kein abgeschlossenes Hochschulstudium braucht – das ist quasi von hinten durch die Brust ins Auge … Diesen Berufswunsch erfüllte ich mir erst im reiferen Alter mit Mitte 30. Aber ein naturwissenschaftliches Verständnis (Botanik, Chemie und Physik im Lebensmittelchemie-Studium) und der Hang zum Analysieren schadet nicht beim Gärtnern und der Pflanzplanung – insofern ist ein Umweg unter Umständen auch nicht umsonst.
Vermuten wir richtig, dass Sie einen eigenen Garten haben? Wie würden Sie ihn beschreiben?
Ja, ich hatte eigene Gärten an 7 verschiedenen Wohnorten in Deutschland, jetzt ca. 1.100 qm im Taunus. Er ist in Stichworten: experimentierfreudig, aber standortgerecht. Natürlich, aber gestaltet. Ein lebendiger Ruhepol und vor allem: nie fertig!
„Einfangen von Licht oder Wind“
Der Fokus Ihres Gartenbuches liegt auf winterschönen Pflanzen. Wie definieren Sie das?
Winterschön sind Pflanzen, die auch – manchmal sogar gerade – im Winter eine gute Ausstrahlung haben, z.B durch einen besonderen Habitus, farbiges Laub oder Rinden, winterliche Blüten – eventuell mit Duft – oder durch das Einfangen von Licht oder Wind, z.B. bei Gräsern. Dabei kommt es darauf an, diese Pflanzen im Garten so zu kombinieren, dass sie gestalterisch miteinander in Verbindung treten: ein rotrindiger Hartriegel allein macht noch keinen winterschönen Garten.
Eine Ihrer Inspirationsquellen ist England. Was begeistert Sie an dieser Gartenkultur und an der Gärtnermentalität?
Die Experimentierfreudigkeit und die Selbstverständlichkeit zu gärtnern. In England ist es normal, dass Menschen für Pflanzen Geld ausgeben. In Deutschland geben die meisten Menschen eher Geld für Technik und Autos aus.
Seit Jahren organisieren Sie selbst Gartenreisen nach England. Zu welcher Jahreszeit sind Sie besonders gerne unterwegs?
Ich liebe die Übergangsjahreszeiten Spätherbst, Winter, Vorfrühling. Für mich sind die Gärten dann besonders klar und reizvoll, zudem können Gärtner dann eher reisen und es sind die Monate, in denen bei uns in Deutschland noch das meiste Entwicklungspotential ist.
„Es reicht ein Quadratmeter“
Wie groß sollte denn eine Gartenfläche sein, damit sich Farben und Formen von Pflanzen wirkungsvoll entfalten können?
Es reicht ein Quadratmeter – eventuell eine Nische direkt an der Hauswand. Wenn dort mit Liebe zum Detail z.B. Farbe oder Struktur der (baulichen) Umgebung durch nur wenige Pflanzen aufgegriffen wird, so kann das wirkungsvoller sein als ein großes, doch beliebiges Sammelsurium winterschöner Pflanzen in einer riesigen Anlage. Es ist mir wichtig, dass mein Buch gerade für unsere kleinen Privatgärten Anregung bietet. Mit einigen wirkungsvollen Aufnahmen der riesigen winterschönen Gärten in England möchte ich lediglich erreichen, dass man den Winter als ernstzunehmende Garten-Jahreszeit entdeckt und Möglichkeiten erkennt. Die Umsetzung in Privatgärten muss natürlich anders aussehen!
Für die Kleinstgärtner: Welche zwei, drei Tipps hätten Sie denn, um Balkone oder die Fensterbank in eine winterliche Augenweide zu verwandeln?
Die Kombination von Gräsern und immergrünen Stauden – eventuell sogar winterblühenden wie z.B. Christ- oder Lenzrosen – gefällt mir gut. Mit ihrem reptilienartigen Aufbau ganzjährig strukturell ansprechend ist die Walzenwolfsmilch Euphorbia myrsinitis, die z.B. in Kombination mit bewegten goldenen Gräsern wie dem Engelshaargras Nasella tenuissima schön kontrastiert, ebenso wie die im Winter oft üppigen, steifen dunklen Samenstände von Fetthennen. Diese sind auch besonders kübeltauglich (Sonne), da sie lange ohne Wasser auskommen. Leuchtende Farben bringen im Winter umfärbende Bergenien („Rote Schwester“, „Eroica“, „Oeschberg“, „Rosa Zeiten“ und viele mehr) oder Purpurglöckchen – besonders im Durchlicht. Man kann auch mit Gehölzschnitt von immergrünen oder winterfruchtenden Ästen z.B. aus leuchtend roten Perlen von Ilex verticillata hinzudekorieren. In die Kübel gesteckte Fichtenzweige können zudem als leichter Winterschutz dienen. Wo der Platz reicht, sind immergrüne Zwerggehölze wie z.B. kleine Kiefern, Tannen und Fichten, Hagebuttenrosen, rindenfärbende Hartriegel (für den Sommer buntlaubige Sorten wählen) oder der Himmelsbambus Nandina domestica (Kübel darf nicht durchfrieren!) schöne Winterfreuden.
Manche Gartenbesitzer meinen ja, es wäre gut, Verblühtes direkt abzuschneiden. Ein Fehler?
Ich empfehle jedem, genau das abzuschneiden, was ihn persönlich stört – zu dem Zeitpunkt, wenn es ihn stört. Denn man soll doch seinen Garten lieben! Dann ergänze ich, dass es auch eine Freude sein kann, im Winter den Vögeln dabei zuzusehen, wie sie Samenstände abernten oder im liegengebliebenen Laub nach Würmern stöbern. Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen bereit sind, diese Erfahrung zu machen und dadurch ihren Garten lieben, selbst wenn er dann „unaufgeräumter“ sein sollte als früher.
„Ich bin ein Freund weitsichtiger Gartenplanung“
Inwiefern lohnt es sich, langsam wachsende Pflanzen einzuplanen? Welche besonders?
Ich bin ein Freund von weitsichtiger Gartenplanung. Langsam wachsende Pflanzen machen weniger Arbeit und werden von Jahr zu Jahr wertvoller; vor allem Gehölze. Sie entwickeln sich mit dem Garten. Dafür prägen sie dessen Bild sehr spät; oft erst nach Jahrzehnten. In wirkungsvollen Größen sind sie verständlicherweise für die meisten Pflanzenliebhaber unerschwinglich und eher mit der sprichwörtlichen gärtnerischen Geduld zu bezahlen. Wie immer ist es die richtige Mischung, passend zur Gartengröße, auf die es ankommt.
Man kann mit Blumenzwiebeln innerhalb einer Saison prächtige Ergebnisse erzielen. Welche Zwiebeln versprechen die schönsten Erfolgserlebnisse?
Als trocken gekaufte, sehr früh blühende Zwiebeln funktionieren zahlreiche Krokusse und der Kaukasische Blaustern Scilla mischtschenkoana an unterschiedlichen Standorten recht gut. Schneeglöckchen, Märzenbecher, Alpenveilchen und Winterlinge sind oft schwieriger anzusiedeln, vor allem wenn man trocken gewordene Zwiebeln/Knollen pflanzt. An passenden Standorten angesiedelt sind sie jedoch pflegeleicht und dauerhaft. Fröhlich leuchtende Kombinationen unter Bäumen wären z.B. gelbe oder orangene Winterlinge mit kräftig pinken Alpenveilchen. Zarte, verträumte Kombinationen wären Elfenkrokusse, Kaukasischer Blaustern und Schneeglöckchen. Ich liebe alle Kombinationen!