ALLER ANFANG IST SCHWER? Auch bei der Selbstversorgung? Da lachen ja die Hühner! Judith Rakers ebenfalls. Die „Tagesschau“-Sprecherin hat gute Nachrichten: Alles andere als ein Naturtalent, begann sie 2019 als absoluter Neuling mit dem Anbau von Karotten, Kohlrabi & Co. Inzwischen hat sie es zur „kleinen Farm“ samt Hennenschar und Hahn gebracht und ihr Glück gefunden. Nachahmung kann sie nur empfehlen – in ihrem anfängergerechten Leitfaden für Garten, Balkon oder Fensterbrett.

Worauf freuen Sie sich in Ihrem Frühlingsgarten am allermeisten?
Ich freue mich darauf, dass die Pflanzen, die ich im Warmen vorgezogen habe, jetzt nach draußen ins Beet dürfen und es dann so richtig losgeht. Und ich freue mich auf das Schlüpfen der ersten Küken.

Wann rechnen Sie mit denen?
Im vergangenen Jahr hatte ich ab April brütende Hennen, deswegen denke ich mal, dass es in diesem Jahr auch so sein wird. Aber man weiß es nicht sicher. Weil die Hennen, die ich habe, eigentlich nicht dafür bekannt sind, dass sie überhaupt gerne brüten. Denn es ist ja sehr rasseabhängig, ob Hennen gerne zur Glucke werden – oder nicht.

Wie gestaltet sich für Sie der ideale oder perfekte Gartentag?
Mein Problem ist, dass ich eigentlich gar keine ganzen Gartentage habe. Weil ich auch an den Wochenenden oft arbeite – die Tagesschau läuft ja 365 Tage im Jahr – und durch die Talkshows und Reportagereisen etc. relativ viel unterwegs bin. Das heißt: Ich schaue, wann ich Zeit für den Garten habe, und dann gehe ich raus und mache etwas. Während meiner „Erkenntnisreise“ mit dem Thema Garten habe ich gelernt, dass das durchaus auch vereinbar ist. Dass ich also nicht ganze Tage für den Garten haben muss, um Erfolg zu haben.

„Erkenntnisreise“ ist ein prima Stichwort. Sozusagen das erste Samenkörnchen Ihrer Entwicklung zur Selbstversorgerin war ja eine Begegnung mit Wolf-Dieter Storl, unter anderem bekannt als Ethnobotaniker, Kulturökologe und Autor von Bestsellern über die Bewirtschaftung seines Bergbauernhofes. Was sprach Sie sofort an? Was weckte erst einmal gemischte Gefühle?
Ich fand es faszinierend, dass der Mann es schafft, sich komplett mit der Anbauarbeit der eigenen Hände zu ernähren. Also in einer Welt, die bei mir bestimmt war von Supermarkteinkäufen, im Idealfall auch vom Bioladen, von Fertiggerichten und zwischendurch auch schnell einer Mahlzeit am Bahnhof oder Flughafen, schien mir das nicht nur eine sehr romantische, sondern auch sehr erstrebenswerte Vorstellung. Ich fand ihn auch wegen seines großen Wissens um die Pflanzen und deren Herkunft, aber auch über die Rolle der Pflanzen aus der Sicht verschiedener Kulturen sehr interessant. Und auch wegen seiner Fertigkeiten. Aber ich dachte auch: Das ist eben ein Mensch, der ein völlig anderes Leben führt als ich! Er lebt auf seinem Bergbauernhof im Allgäu und widmet sich den ganzen Tag, also rund um die Uhr, den Pflanzen und seinem Garten. Er geht offenbar zu 100 % in diesem Thema auf! Und da habe ich gedacht: Das hat mit mir weniger zu tun.

„Jetzt muss man etwas Geduld aufbringen.“

Sie sprechen mit Ihrem Buch ja nicht nur Großgrundbesitzer an, sondern eigentlich alle, die auf kleinstem Raum gärtnern wollen. Was war die Idee dahinter?
Das rührt daher, dass ich anfangs auf Instagram begonnen habe, erste Gartentipps zu geben. Und oft wurde ich dort gefragt: Was kann ich machen, obwohl ich keinen Balkon habe? Deshalb habe ich mich genau damit beschäftigt.

Sie haben mit der Kartoffel begonnen – auf tatsächlich kleinstem Raum?
Ja, tatsächlich ein wirklich gut umsetzbarer Tipp! Ich habe Kartoffeln in einem Sack angepflanzt. Den Sack kann man sich relativ günstig kaufen oder gegebenenfalls gut auch einen alten Jutesack nutzen. Den befüllt man mit ca. 10-15 cm Erde. Je nach Größe des Sackes legt man drei bis fünf gekeimte Kartoffeln rein. Dann füllt man, gut abdeckend, weiter Erde auf. Das wars erstmal!

Das war es tatsächlich?
Jetzt muss man etwas Geduld aufbringen. Man wartet, bis grüne Keime zu sehen sind und die Kartoffelpflanze zu wachsen beginnt. Jetzt füllt man noch etwas Erde obendrauf, damit die kleinen Pflanzen wieder abgedeckt sind. Wartet wieder, bis das Grün durchkommt. Und nochmals füllt man etwas Erde auf. Wenige Wochen später hat man in dem Kartoffelsack nicht mehr nur die drei bis fünf gesetzten Kartoffeln, sondern 20, 25 Kartoffeln!

Ist die Kartoffel folglich ein geeignetes Anfängergemüse?
Unbedingt! Die Kartoffeln vermehren sich toll und das ist wahnsinnig befriedigend und extrem effektiv. Ich liebe Kartoffeln! Bei Zwiebeln, wo man eine reinsteckt und nur eine, wenn auch größere ernten kann, ist das Verhältnis nur 1:1. Bei Kartoffeln hingegen ist die Ausbeute ungleich größer. Umwerfend – bei ganz wenig Arbeit! Ich habe einen sehr großen Garten und zwischenzeitlich auch einen richtigen Kartoffelacker. Aber weil ich wirklich wissen wollte, ob der Anbau mit dem Kartoffelsack klappt, habe ich es selbst ausprobiert und es funktioniert! Und die Pflanzen an sich, die irgendwann so groß werden, dass man sie gar nicht mehr anhäufeln kann, die sind auch gar nicht so unhübsch! Das ist ein grünes Gestrüpp. Mein Kartoffelsack steht vor einem großen Fenster und gedeiht prächtig.

Und wie sind Ihrer Erfahrungen nun hinsichtlich eines Basilikums?
Es ist interessant, dass beispielsweise das Basilikum, das ich hin und wieder auch jetzt aus dem Supermarkt mitnehme, trotz meiner Erfahrung immer noch eingeht! Das hingegen, das ich selber gezogen habe, wächst riesig, buschig und biete das ganz Jahr hindurch frische Ernte. Mein selbst gezogenes war letztlich so groß, dass ich es von der Fensterbank wegstellen musste – weil ich schon gar nicht mehr aus dem Fenster gucken konnte. Genauso gut kann man sich auf der Fensterbank ein Kräuterbeet ziehen. Ich habe auch hier festgestellt, dass die selbstgezogenen Kräuter viel besser gedeihen, als die im Supermarkt gekauften. Und ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht kriegen die eine Art Umzugsschock? (lacht)

In welchen Gefäßen pflanzt man idealerweise im Haus?
Gut klappt es mit einem kleinen Hochbeet, dass man ans Fenster stellt! Da muss man etwas gucken, da gibt es im Handel nicht nur Stecksätze aus Holz, sondern durchaus auch stylische Modelle. Ich habe eines aus Metall gefunden. Mit Erde befüllt, habe ich darin Radieschen und Salat gepflanzt. Und das hat funktioniert! Obwohl die Katze das Hochbeet zweimal durchwühlt hat – in der Annahme, das sei ihre neue Toilette …

Wie viele Stubentiger leben denn in Ihrem Haushalt?
Ich habe drei Katzen. Luzi ist eine alte Dame, die schon seit 17 Jahren bei mir wohnt – die lebte schon in meiner Stadtwohnung bei mir, liebt aber zwischenzeitlich im neuen Zuhause die große Freiheit sehr. Und ich habe zwei jüngere Katzen, die sind jetzt etwas über 1 Jahr alt: Lotti und Jack. Die beiden Kleinen sind auch immer gerne mit dabei im Garten. Ich muss dann nur echt achtgeben. Denn sobald ich beginne Unkraut zu jäten und in der Erde zu wühlen, setzt sich mindestens eine Katze dazu und benutzt das Beet als Toilette. Bei den Kartoffelbeeten war es so, dass ich aufpassen musste, dass die beiden hinter mir die Kartoffeln nicht umgehend wieder rausgebuddelt haben – denn die kleinen Kartoffeln konnte man so schön als Bälle nutzen. Gerade mit Tieren kann man sehr viel Freude und Spaß im Garten haben

„Judith, das ist viel zu viel …“

Wie groß ist denn Ihr Gemüsegarten?
Oh, das habe ich noch nie ausgerechnet. Also in meinem ersten Jahr 2019 habe ich angefangen mit 2 Beeten im Boden und drei kleineren Hochbeeten sowie einem kleinen Foliengewächshaus für die Tomaten, die ja nicht nass werden dürfen – naja, das waren vielleicht 20 qm. Da sagte mein Nachbar schon: Judith, das ist viel zu viel … Aber ich dachte, ich muss viel versuchen, weil bei meinem Glück einiges nicht aufgehen wird. Doch ich wurde überrascht: Tatsächlich sind fast alle Anpflanzungen etwas geworden!

Gab es auch Rückschläge?
Das einzige, was nicht funktioniert hat, war der Versuch mit den Weinreben. Die konnte ich nicht durchbringen. Aber sonst ist alles geradezu gewuchert und das gab mir einen echten Motivationsschub, noch mehr zu machen. Also habe ich den Winter nach meinem ersten Erntesommer mit Recherchen verbracht, weil ich schnell auch von einem Gewächshaus träumte.

Was hatten Sie da im Sinn?
Ich wollte ein größeres und vor allem stabiles Gewächshaus. Dazu musste ich mir erst einmal das Grundwissen erarbeiten, den Unterschied zwischen Blankglas und Hohlraumplatten, beheizt oder besser ohne Heizung, Möglichkeiten der Bewässerung etc. verstehen. Das habe ich mir alles über den Winter angeschaut – und eines zum Selbstaufbau bestellt. Das war schon mal ein großer Fehler. Weil ich statt der geplanten 5 Tage für den Aufbau zweieinhalb Wochen benötigt habe. Es war unglaublich kompliziert … Mein Vater, der mir geholfen hat und der eigentlich alles kann und Bob der Baumeister ist, hat geflucht wie ein Rohrspatz. Wir waren mit den Nerven am Ende – doch jetzt, nachdem es endlich steht, ist es wirklich mein großer Traum, der in Erfüllung ging.

Was haben Sie dort nun gepflanzt?
Ich habe es eingerichtet, Beete angelegt und dann gleich über den ganzen letzten Sommer darin Tomaten und Gurken gezogen. Auch einen Kürbis habe ich in dem Gewächshaus gesetzt und draußen im Freien noch weitere, weil ich sehen wollte, wo er besser wächst. Der im Gewächshaus ist so viel schneller größer geworden als die im Freiland, dass ich ihn letztlich rausholen musste. Die Pflanze war größer als ich – da gibt es im Buch sogar ein Foto. Ich habe sie ins Beet gesetzt, da war sie drei Tage sehr welk, um sich dann aber zu berappeln und mir im Herbst riesige Kürbisse zu schenken.

Würden Sie sagen: Einfach loslegen? Oder doch lieber sorgsam planen?
Ich glaube, das ist ein bisschen typabhängig. Es gibt ja Menschen, die sich gerne erst einmal theoretisch mit etwas umfassend beschäftigen und dann loslegen. Das kann man machen. Da gibt es viele passende Bücher. Aber es gibt auch Menschen, dazu gehöre ich und auch viele meiner Bekannten und Freunde, die ein schnelles Erfolgserlebnis haben wollen. Ich beginne also gerne kurz mit der Theorie, dann möchte ich aber auch sehen, ob mir das liegt. Und dann bin ich auch motiviert, mir noch mehr Theorie anzueignen und Wissen aufzubauen.

Wie wurde aus der Begeisterung ein Buch?
Mein Ansatz: Von einer Anfängerin für Anfänger! Bei mir erhalten Leserinnen und Leser erst einmal nur so viel Information, wie sie benötigen, damit die ersten Radieschen und der erste Salat gelingen. Weil man dann einen sehr schnellen Erfolg hat – und nebenbei schmeckt es herrlich! Und erst dann geht es weiter. Jetzt kommen mehr Informationen wie zum Beispiel Das Gemüse für Fortgeschrittene, dass man im Warmen vorziehen muss, das für Leidensfähige, zu dem auch die zickige Tomate gehört, deren Blätter nicht nass werden dürfen und die ständig zum Friseur, also zum Ausgeizen muss, das Thema Mischkultur etc. Und am Ende sage ich auch: Ok, wenn ihr im nächsten Jahr weitermachen wollt, dann müsst ihr euch dem Fruchtwechsel widmen, dann können wir über den Nährstoffbedarf der verschiedenen Pflanzen reden. Dann erkläre ich auch, was es mit der Vorbereitung des Beetes für das kommende Jahr auf sich hat.

Also nur für Anfänger gedacht?
Ich habe es für Anfänger geschrieben, aber es finden sich alle Informationen darin, um tatsächlich Selbstversorger zu sein und dann ist man irgendwie auch schon ganz schön fortgeschritten … Aber der Aufbau des Buches ist so, das man mit dem leichten Anbau beginnen und sich dann gewissermaßen hocharbeiten kann.

In Ihrem Buch gibt es zahlreiche Anekdoten. Warum waren Ihnen diese wichtig?
Als ich mit dem Schreiben begann, wusste ich noch nicht genau, was es werden sollte. Sollte es ein Erfahrungsbericht werden, wie ihn ja auch Meike Winnemuth geschrieben hat, oder sollte es eher ein Ratgeber werden? Ich habe mich für ein An-die-Hand-nehmen entschieden! Mit einer sehr persönlichen Ansprache. Herausgekommen ist also eine Kombination. Ich gebe zahlreiche erprobte Tipps und ergänze diese durchaus mit Geschichten aus meinem Erleben. Denn ich glaube, anhand dieser kleinen Anekdoten kann man auch meine Learnings nachvollziehen. Die sind ja oft ganz lustig und ich wollte dieses sinnliche Erleben und den Spaß im Garten auch vermitteln. Sie glauben gar nicht, wie viel ich auch über mich selber gelacht habe. Auch über Misserfolge!

„Mein Ansatz: Von einem Anfänger zu Anfänger!“

Ostern steht vor der Tür. Manche beschäftigt die Frage, ob man guten Gewissens Eier essen darf. Was ist Ihre Haltung diesbezüglich?
Wenn man eigene Hühner hat – dann zu 100 % ja! Wenn man Eier kaufen muss und die aus industrieller Haltung nimmt – dann ist das schon eine Gewissensentscheidung, finde ich. Wenn ich sicher sein möchte, wie das Tier aufgewachsen ist, was es gefressen hat, welche oder ob es Medikamente erhalten hat und zugleich sicher gehen möchte, dass für dieses Ei eben nicht wieder ein LKW beladen wurde und quer durch Deutschland gefahren ist … dann kann ich mir einfach 3 oder 4 Hühner anschaffen. Da reicht wirklich ein kleinster Garten.

Jetzt halten Sie ja selbst Hühner. Was sind denn die wichtigsten Voraussetzungen für glückliche Hühner?
Hühner sind sehr selbständige Tiere sind und kommen alleine gut klar. Das einzige, was wir zur Verfügung stellen müssen, ist ein Stall. Weil die Hühner nachts einen sicheren Schlafplatz und Rückzugsort brauchen. Wir müssen ihnen regelmäßig Wasser und Futter bereitstellen und natürlich den Stall ausmisten. Letztlich ist noch ein Auslauf ideal, damit sie frei im Garten rumlaufen können! Wenn man 20 qm Auslauf bieten kann, kann man vier Hennen ein wunderschönes Leben ermöglichen. Und hat dann – je nach Hühnerrasse – auch jeden Tag zwei oder drei Eier.

Bei Hühnern stellt sich die Quotenfrage eher umgekehrt: Hahn oder nicht? Was sprach einst für Giovanni?
Es kommt sehr darauf an, wo man lebt! Ich wohne sehr ländlich und in meiner Nachbarschaft leben weitere Hähne. Gekräht wird hier täglich. Deshalb mein klares Ja zum Hahn. Außerdem laufen meine Hühner in einem freien Gehege herum und da ist es sehr gut, auch einen Beschützer zu haben. Er gibt acht und schlägt Alarm. Dennoch konnte auch er nicht verhindern, dass der Habicht drei Hühner geholt hat. Aber ich vermute, ohne Giovannis Einsatz wären sonst deutlich mehr meiner Hühner dem Habicht zum Opfer gefallen.

Wie viele Hühner halten Sie aktuell?
Im Moment sind es dreizehn. Aber es werden sicher noch mehr, denn ich hatte alleine in meinem ersten Hühnerhalterjahr 10 Hühner Nachwuchs. Aber die Population kann man natürlich auch selbst etwas steuern und nimmt dann den Hühnern, die brüten möchten, die Eier aus dem Gelege. Eigentlich gibt es Rassen, die nicht gerne brüten, die hatte auch ich mir geholt. Aber das hat irgendwie nicht geklappt. In dem Moment, als sie mein Grundstück betraten, wollten die offenbar alle sofort Mutter werden. Andererseits ist es natürlich auch zauberhaft, die Küken zu beobachten. Auch für Kinder ist das ein großartiges Erlebnis und ganz nebenbei lernen die Kinder, wo das Ei herkommt … Ich habe oft im Gehege gesessen und einfach nur meine Hennen beobachtet, wie sie ihren Nachwuchs in die Kükenschule nehmen. Da wird regelrecht geschimpft, herbeigerufen und die Hennen zeigen ihrem Nachwuchs die Welt! Das ist ein wahnsinnig schönes Tiererlebnis. Ich hätte früher nie gedacht, dass Hühner mich mal begeistern könnten. Als ich mir die Hühner angeschafft habe, waren das in meinen Augen erst einmal Nutztiere. Aber sie sind tatsächlich schnell zu echten Haustieren, ja sogar Familienmitgliedern geworden!

Manchmal erlebt man ja Wunder. Was war denn ihr bislang schönstes Erlebnis?
Bei den Tieren war es natürlich die erste Kükengeburt! Das hat Glücksgefühle in mir ausgelöst, da hatte ich Tränen in den Augen. Im Gemüse- und Obstgarten hatte ich tatsächlich die größte Freude mit den bunten Ostereier-Radieschen. Denn das waren die ersten erntefähigen Pflanzen, unglaublich bunt und wohlschmeckend. Oder auch die lilafarbenen Möhren, lilafarbene Kartoffeln oder getigerte Tomaten. Neben dem Ernteerfolg ist einfach die Optik auch eine große Freude. Man kann Sorten anbauen, die es so im Supermarkt einfach nicht gibt. Schön ist auch immer wieder das Goldgräber-Gefühl beim Kartoffelanbau. Aus einer Pflanzkartoffel kann man um die 20 neue Kartoffeln ernten. Und findet dann im Herbst beim Umgraben und Düngen (natürlich mit Pferdemist) weitere Kartoffeln, die man zuvor übersehen hat. Also, das ist großartig. Alleine das Wühlen in der Erde ist doch in uns evolutionär angelegt. Wir haben uns davon einfach nur entfremdet.

Ein Anliegen war Ihnen nicht zuletzt mehr Nachhaltigkeit. Wie sind Sie diesem Ziel nähergekommen?
Es beginnt damit, dass man den Weg zum Supermarkt spart und weder Eier noch Obst und Gemüse Transportwege und -kilometer benötigen. Schon dadurch hat man etwas für die Verbesserung der CO2-Bilanz getan. Zudem ist mein Garten zwischenzeitlich tatsächlich ein Kreislauf – im besten Sinne von Nachhaltigkeit! Das hatte ich gar nicht als vorrangiges Ziel – doch es ist fast zwangsläufig entstanden. Denn meine Hühner beispielsweise füttere ich mit viel Gemüse, ebenso freut sich das Pferd über Möhren – und ich natürlich auch über jedes Gemüse. Das Pferd wiederum liefert dann Pferdeäpfel, die sind rein pflanzlich und der mit Abstand beste biologische Dünger. Und genau diesen nutze ich, bei mir kommt kein chemischer Dünger zum Einsatz! Mit meiner Anbaufläche habe ich es tatsächlich geschafft, zum kompletten Selbstversorger zu werden. Gemüse, Obst, Kräuter – bis hin zu den Eiern. Dann habe ich noch einen eigenen Brunnen und zumindest die Warmwasserversorgung läuft über Solar.

„Durch den Selbstanbau entwickelt man ein anderes Bewusstsein!“

Was sagen Ihnen mittlerweile Begriffe wie „regional“ bzw. „saisonal“?
Ich wusste früher einfach nicht zu 100 Prozent, welche Gemüse gerade „saisonal“ und „regional“ waren. Was beispielsweise in Norddeutschland, mein Garten liegt im Norden von Hamburg, tatsächlich zu welcher Zeit erntereif ist, das habe ich erst jetzt wirklich gelernt. Denn wir sind aus dem Angebot im Supermarkt ja gewohnt, dass es fast alles über das ganze Jahr im Angebot gibt – geerntet in Gewächshäusern mit einer recht schlechten CO2-Bilanz, inklusive der Transportwege aus Spanien, Holland oder sonstwo her. Durch den Selbstanbau entwickelt man ein anderes Bewusstsein und heute sind mir diese Begriffe einfach geläufig.

Wer viel Ernte einfährt, muss diese auch verarbeiten. In Ihrem Buch gibt es hierzu einige gute Rezepte. Haben Sie schon früher gerne gekocht?
Überhaupt nicht. Die ersten 40 Jahre meines Lebens hatte ich mit Kochen nichts am Hut. Mein Zugang zum Thema Essen war sehr pragmatisch. Über Essen habe ich erst nachgedacht, wenn ich Hunger verspürte. Spagetti mit Pesto gingen immer … Meine Kindheit war, mit einem alleinerziehenden Vater, von Fertig- bzw. Gefriergerichten geprägt und vom Grillen. Marmelade einmachen oder dergleichen kam bei mir nicht vor. Das hat sich alles mit meiner kleinen Farm geändert. Viele meiner Freunde haben sich totgelacht und konnten es kaum fassen, dass ich diese Entwicklung durchgemacht habe … Aber durch den Garten stand ich einfach sehr plötzlich vor der Herausforderung, die erntefrischen Lebensmittel auch zu nutzen, sprich zu verarbeiten!

Begonnen haben Sie mit dem Kohlrabi. Warum?
Weil ich sehr gerne grille, habe ich meinen ersten Kohlrabi auf den Grill gelegt. Das habe ich eigentlich bei allen Gemüsearten erst mal probiert (lacht). Und ich war überrascht, wie lecker das Ergebnis war. Zwischenzeitlich habe ich mir noch Rezepte angelesen: Heute ist Kohlrabi eines meiner Lieblingsgrillgemüse. So ging es weiter. Tomaten oder auch Zucchini waren eine Herausforderung, denn die werden ja zeitgleich in Mengen reif. Schnell kam die Frage nach dem Haltbarmachen auf – auch Neuland für mich.

Wer also beim Anbau erfolgreich ist, sollte sich auch als Koch betätigen?
Durchaus. Man kann Lebensmittel verschenken, aber man sollte sie nicht wegwerfen. Will man auch gar nicht, wenn man sie selbst mit Liebe aufgezogen hat. Heute kann ich meine Ernte lecker und vor allem einfach verarbeiten und somit haltbar machen. Jetzt habe ich auch im Winter Lebensmittel aus meinem eigenen Anbau zur Verfügung. Marmeladen, Kompott, eingemachtes Gemüse, ich habe extra eine Erdmiete, also eine Vorratsgrube, angelegt, da ich keinen Keller habe. Vieles war schlicht learning by doing. Ich habe alles ausprobiert, was mir sinnvoll und erfolgversprechend erschien. Schritt für Schritt wurde ich besser. Und davon profitieren nun meine Leserinnen und Leser. Im Buch habe ich ein Rezept für eine Art Grundmarmelade. Diese kann jeder leicht mit seinen Früchten abwandeln. Meine Pflaumenmarmelade ist ein ziemlicher Renner – meine Freunde sind jederzeit und gerne Abnehmer für die Gläser. Auf den Weihnachtswunschzetteln meiner Familie und meiner Freunde stand tatsächlich die von mir selbstgemachte Marmelade – wer hätte das gedacht, bei jemandem, der zuvor nur mit Fertiggerichten zu tun hatte!

Judith Rakers’ persönliches Marmeladen Rezept finden Sie hier: