ALS „SUPER-NANNY“ wurde Katharina Saalfrank zur bekanntesten Pädagogin Deutschlands und als bester TV-Coach mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ ausgezeichnet. Die erfolgreiche Eltern- und Familienberaterin macht sich stark für einen Perspektivenwechsel: „Beziehung statt Erziehung“. Ihre Erkenntnis als Mutter von vier Söhnen und erfahrene Expertin: „Eine liebevolle Eltern-Kind-Beziehung ist die Basis, dass Kinder gesund und glücklich aufwachsen.“ Zu einem neuen Miteinander führt ihr aktuelles Buch „Die Reise zur glücklichen Eltern-Kind-Beziehung“ – ganzheitlich und lebensnah.

Als Pädagogin in dem Format „Die Super-Nanny“ sind Sie vielen Fernsehzuschauern immer noch in Erinnerung. Werden Sie noch häufig erkannt und auf die Zeit angesprochen?
Tatsächlich ist das erstaunlich. Ich wundere mich selbst darüber, wie präsent ich noch vielen Menschen durch diese öffentliche Arbeit zu sein scheine. Obwohl es jetzt schon über 10 Jahre her ist, werde ich hier und da erkannt. Meist kommt es dann auch zu kurzen und doch sehr intensiven Begegnungen, in denen es natürlich immer um die Beziehung zu den Kindern geht.

Seit vielen Jahren beraten Sie Eltern in Ihrer eigenen Privatpraxis in Berlin. Wer kommt und was für Anliegen werden mit Ihnen besprochen?
Zu mir kommen nicht ausschließlich Eltern, sondern auch ErzieherInnen und LehrerInnen und ich habe auch mit Menschen zu tun, die einfach mehr über sich selbst und ihre eigenen Bindungs- und Beziehungsmuster erfahren wollen. Sie alle eint, dass sie Kinder besser verstehen wollen und damit auch bei ihren eigenen Vorstellungen, Gedanken, Gefühlen und Mustern in der Selbstreflexion neue Wege im Umgang mit kleinen Menschen für sich erarbeiten.

„Eine Überforderung mit Ansage.“

Sie selbst sind bereits jung Mutter geworden und haben – parallel zu Studium und Job – vier Söhne großgezogen. Was haben Sie als größte Herausforderung empfunden und was hat Ihnen am meisten geholfen?
Es war eine wunderbare Zeit. Dennoch war die größte Herausforderung als Mutter für mich, die jeweiligen Entwicklungen und Bedürfnisse aller vier Kinder jeweils im Blick und konkret im Bewusstsein zu halten. Muttersein ist Überforderung mit Ansage. Wenn man die Überforderung wahrnimmt, dann kann man verhindern, dass sie einen ständig überflutet. Mir hat sehr geholfen, dass ich selbst noch in Studium und Ausbildung stark in der Entwicklung mit Eigenreflexion war und quasi mit meinen Kindern in meinen eigenen Entwicklungsräumen „mitwachsen“ konnte.

Sie bezeichnen Ihre vier Söhne als Ihre größten Lehrmeister. Was macht sie dazu und wie erleben Sie das konkret?
Oh, das ist gar nicht so leicht in einem Satz zu beantworten. Meine Kinder haben mich so vieles gelehrt. Am eindrücklichsten ist für mich vermutlich die Erfahrung, dass Kinder immer im Hier und Jetzt sind und uns auch dazu einladen, mit Kopf und Herzen dort zu sein, wo unsere Füße gerade sind. Je mehr das gelingt, desto reicher ist das Leben mit Kindern.

Ob in Ihrer Berliner Praxis oder bei Vorträgen landauf, landab: Was macht Ihrer Wahrnehmung nach Eltern heute am meisten zu schaffen?
Wir leben nicht unabhängig, sondern sind eingebettet in gesellschaftliche Überzeugungen und Rahmenbedingungen. Das heißt: Eltern müssen sich behaupten, z.B. gegenüber dem staatlichen Betreuungssystem Kita / Schule, welches nach wie vor Mechanismen aus dem letzten Jahrtausend von Macht, Unterwerfung, Anpassung unterliegt. Da gehören Machtmissbrauch, Demütigung und Strafe leider immer noch zum pädagogischen Alltag. Das ist ein großer Widerspruch zu dem, was Eltern heute in ihren Familien selbst leben wollen.

Welche Herausforderungen sehen Sie?
Eltern streben danach, ihre Kinder besser verstehen zu wollen. Sie versuchen Werte wie Verantwortung, Achtsamkeit, Wertschätzung und Dialog zu leben und geraten dabei immer wieder in Verstrickungen mit ihren eigenen Bindungs- und Beziehungsmustern. Denn – und das ist etwas, was alle Eltern betrifft – wir sind alle selbst erzogen worden. Sobald Kinder kommen, sind wir gezwungen, uns mit Selbsterlebtem zu beschäftigen. Das ist einerseits oft schmerzhaft, andererseits eine unglaubliche Chance für ein eigenes Wachstum.

Warum erweisen sich Erziehungsversuche so oft als vergeblich, obwohl Eltern das Beste für Ihre Kinder wollen?
Alle Eltern haben bestimmte Vorstellungen davon, wie ihr Kind sein soll. Diese Vorstellungen ergeben sich aus eigenen Prägungen und auch durch die Anforderungen der Gesellschaft, die an die Familie gestellt werden. Wenn wir im Prozess als Eltern diese Vorstellungen nicht hinterfragen, besteht die Gefahr, dass wir das Kind einseitig an ein von uns gewolltes Verhalten und unsere Vorstellungen einfach anpassen, anstatt zu verstehen, was genau unser Kind braucht. Deshalb ist es aus meiner Sicht so wichtig, sein Kind in seinem Verhalten zunächst besser zu verstehen und lesen zu lernen, bevor wir selbst aus einem Reflex und alten Überzeugungen handeln.

Ihr eigener bindungs- und beziehungsorientierter pädagogische Ansatz liegt Ihrer gesamten Arbeit zugrunde z.B. auch Ihren „Kinder besser verstehen“-Kursen. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen begründen das?
Wir leben in einer sehr verhaltensorientierten Welt. Alle Maßnahmen sind vor allem darauf ausgelegt, ein Verhalten von Kindern zu verändern. Stört ein Kind, wird es häufig dafür ermahnt, gemaßregelt oder auch sanktioniert. Dabei hat das Verhalten von Kindern (auch von Erwachsenen) immer einen Sinn – auch, wenn wir diesen nicht immer gleich nachvollziehen können. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Säuglingsforschung, Entwicklungspsychologie und Therapieforschung zeigen, dass das menschliche Handeln und Verhalten von Gefühlen und diese wiederum von emotionalen Grundbedürfnissen gespeist werden.

Wie fließen diese Erkenntnisse in Ihre Arbeit ein?
So ist mein Ansatz davon geprägt, eben nicht Maßnahmen anzuwenden um Verhalten abzustellen, sondern diese Kette von Verhalten-Gefühl-Bedürfnis in Verbindung miteinander zu bringen, Zusammenhänge zu lesen und damit das Verhalten des Kindes neu zu interpretieren. Gerade in der Entwicklung von Kindern ist es enorm wichtig, Gefühle nicht wegzurücken, sondern ihnen Raum zu geben. Somit ergeben sich auch ganz andere Handlungsalternativen für Eltern, mit Verhalten umzugehen.

Was brauchen Kinder am meisten?
Wir wissen aus der Entwicklungspsychologie und der Bindungstheorie schon seit Jahrzehnten, dass Menschen Verbindungswesen sind. Wir kommen quasi auf die Welt, um uns zu binden. Ohne Bindung geht es gar nicht. Daraus folgern ganz viele weitere Annahmen. Eine der wichtigsten ist, dass Kinder nicht gegen uns agieren, sondern eine unglaubliche Kooperationsbereitschaft besitzen und sich mit uns verbinden wollen. Wenn wir das wissen, dann wird klar, dass Kinder vor allem sichere Bindungen zu ihren Bezugspersonen und konstruktive Beziehungen brauchen.

„Ich möchte konkret Bewegung anstoßen.“

Auf Ihrem neuen Buch steht nicht etwa Ratgeber, sondern „Reise …“. Worin besteht der feine Unterschied?
In Ratgebern geht es häufig um Wissensvermittlung und reine Verhaltensanweisungen. Mit meinem Buch möchte ich konkret Bewegung bei LeserInnen auf allen Ebenen anstoßen und Bereiche, die es für nachhaltige Veränderung braucht, miteinander verbinden: Wissen für den Kopf, die Arbeit mit Emotionen und Handlungsmustern und auch die Verbindung zum eigenen Körper gehören dazu.

Gerade bei Konfliktlagen mit den Kindern sind Eltern nicht selten uneinig. Wie verhindert man am besten, dass Kinder ständig hin- und hergerissen sind und die Eltern in einen Dauerclinch geraten?
Die Elternebene berührt häufig auch die Paarebene. Deshalb ist meine Eltern- und Familienberatung auch immer ein Stück Paarberatung. Denn die Frage ist ja nicht, wie können wir uns immer einig sein, sondern wie lösen wir gemeinsam Konflikte, welche Art von Führung wollen wir und welche emotionale Atmosphäre gestalten wir in unserer Familie. Eine Auseinandersetzung damit ist spannend und lohnend zugleich.

Familie hat viele Gesichter. Welche Konstellationen haben Sie im Blick?
In meiner Praxis habe ich mit vielfältigen Konstellationen von Familie zu tun. Von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern über Singles mit Kinderwunsch bis hin zu Eltern, die Kinder in Pflege oder auch adoptiert haben. Das Familienleben ist so unglaublich bunt, facettenreich und vielfältig, und es ist eine Freude, dies zu sehen. Alle Eltern, ob Vater oder Mutter, haben das gleiche Ziel, nämlich, dass es ihren Kindern in der Beziehung zu ihnen als Eltern so gut wie möglich geht. So möchte ich gern alle Eltern mit diesem Buch ansprechen, miteinbeziehen und einschließen. Wenn ich Eltern anspreche, dann meine ich nicht ausschließlich Eltern im konventionellen Familienmodell, sondern spreche immer alle in ihren jeweiligen Rollen als Elternteil an, unabhängig davon, welches Familienmodell die Menschen leben und für welches sie sich entschieden haben. Familie ist für mich da, wo sichere Bindungen und konstruktive Beziehungen gelebt werden und so Liebe und Geborgenheit entsteht. Deshalb habe ich keine besondere Konstellation im Blick. Letztlich geht es immer um Verbindung und die Qualität der Beziehungen zueinander.

„In eine persönliche Entwicklung gehen!“

Als Supervisorin betreuen Sie auch Lehrer und Erzieherinnen. Zählen Sie diese Profis ebenfalls zur Zielgruppe Ihres Buches?
Aus meiner Sicht ist „Die Reise“ für alle Menschen gedacht, die sich mit sich selbst auseinandersetzen wollen, nicht nur für pädagogische Fachkräfte. Letztlich ist es hilfreich für alle Menschen, die mit Menschen arbeiten: Kranken- und AltenpflegerInnen, PolizistInnen, ÄrztInnen und PolitikerInnen. Auch und gerade, wenn Erwachsene beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, ist es aus meiner Sicht unerlässlich, sich mit eigenen Mustern auseinanderzusetzen, seine eigenen blinden Flecken für sich zu finden und in eine persönliche Entwicklung zu gehen.

Wie verstehen Sie Ihre Aufgabe als Coach beziehungsweise Reiseleiterin oder -begleiterin?
Ich bin an der Seite der LeserInnen, indem ich eine bestimmte Reiseroute gestaltet, Impulse und Reflexionen am Wegesrand eingeflochten und auch selbst Audiodateien für die eigene Arbeit mit sich selbst eingesprochen habe. So möchte ich vor allem Möglichkeiten und einen bestimmten Raum zur Verfügung stellen. Wichtig ist, dass die LeserInnen selbst entschlossen sind, sich der Reisegruppe anzuschließen, losgehen und offen und neugierig auf ihre ganz persönliche Reise sind. 

Was dient Ihnen als Kompass oder Navi?
Im Buch gibt es viele Werkzeuge, Landkarten und symbolische Bilder, die hilfreich sein können, Perspektiven zu wechseln, neue Wege für sich zu erkennen und Veränderung nachhaltig zu leben. Zum Wertekompass, der sich dabei für mich bewährt hat, gehören beispielsweise Verantwortung, Achtsamkeit miteinander, Wertschätzung, Vertrauen, Miteinander und Dialog.

Ihr Buch hat viel von einem Workshop. Worauf kommt es Ihnen an?
Mir geht es darum, dass die LeserInnen durch die Beschäftigung mit den Inhalten nicht nur auf einer Ebene, sondern auf vielen verschiedenen in Bewegung kommen und nachhaltig auch Veränderung selbst in ihrem Alltag mit ihren Kindern erfahren können. 

„Eine sofortige Veränderung der Qualität des Kontakts.“

Sie versprechen keinen Daueraufenthalt auf einer Insel der Seligen, sondern laden ein zu einer Beziehungsmomente-Challenge. Was ist das Wertvolle an diesen Erfahrungen?
Die Beziehungsmomente-Challenge legt den Schwerpunkt auf eine besondere Achtsamkeit des Moments, in dem Verbindung und konstruktive Beziehung entsteht. Das Wertvolle an diesen Erfahrungen ist, dass Eltern sofort merken, dass durch diese bewusste Gestaltung durch sie selbst eine sofortige Veränderung in der Qualität des Kontakts spürbar wird. Das ist berührend und bestärkend zugleich. 

„Problemkinder“, „Terrorkids“ und ähnliche Ungetüme würden Sie am liebsten aus dem Wortschatz verbannen. Weshalb? Worauf kommt es Ihnen bei der Beleuchtung der Sprache an?
Ach, verbannen will ich gar nichts. Ich wünsche mir nur mehr Bewusstsein für das, was wir sagen, und eine differenzierte und weniger abwertende Sprache. Die Art und Weise, wie wir uns ausdrücken, sagt viel darüber aus, wie wir die äußere Welt sehen und unsere eigene innere Welt wahrnehmen. Auch empfinde ich eine achtsame Sprache und Ausdrucksweise wesentlich, weil Formulierungen bestimmte Einstellungen oder Denkweisen manifestieren. Sprache ist für mich so etwas wie ein wertvoller Schatz, den wir auch achtsam und bedacht einsetzen dürfen. Aber Sprache kann auch verletzen, erniedrigen und demütigen. Wenn ich als Erwachsene als „Rabenmutter“ tituliert werde, kann ich dazu Stellung nehmen. Kinder haben keine Lobby und können sich nicht aus sich selbst heraus positionieren, sie brauchen dazu andere, die sich für sie einsetzen.

Hand aufs Herz: Gelingt es Ihnen immer, die Idealvorstellung von der liebevollen Zuwendung zu leben? Was tun Sie, wenn Sie etwas auf die Palme bringt?
Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Es geht nicht darum, nie auf der Palme zu sein und einer Idealvorstellung hinterherzulaufen. Es geht darum, dass wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, was Kinder brauchen, und darum, gute Strategien dafür zu finden, von unserer Palme wieder runter und mit uns selbst in Kontakt und dann auch wieder in Verbindung zu unserem Kind zu kommen. Ich sage das so deutlich, weil ich häufig erlebe, dass Eltern alles perfekt machen wollen und dann vor allem Konflikte vermeiden wollen. Es ist jedoch ein Irrtum und völlig unauthentisch, wenn wir alles idealisieren und danach streben, ständig und permanent in Harmonie zu leben, denn Enttäuschungen und Konflikte lassen sich nicht vermeiden. Sie gehören zum Familienleben mit dazu – auch Verletzungen und Grenzüberschreitungen sind Teil von Beziehungen. So erleben Kinder in einer sicheren elterlichen Bindung Auseinandersetzung, Konflikte und Bindungsunterbrechungen. Wichtig ist eben genau dann, dass sich Eltern um Wiedergutmachung bemühen, indem sie die Verbindung wieder aufnehmen und den kurzzeitig entstandenen Mangel entsprechend ausgleichen. So erfahren Kinder, dass Konflikte keine verheerende Wirkung haben, sondern gelöst werden können, dass sie ernst genommen und gesehen werden und dass nach einem Streit auch wieder Verbindung entstehen kann. Das ist die Grundlage für eine sichere Bindung.

„Es gibt keine Fehler, nur Umwege …“

Was, wenn es trotz fleißigen Einübens des Perspektivenwechsels zu Rückschlägen kommt?
Rückschläge? Ich ahne, was Sie meinen. Ich empfinde sogenannte Fehler oder das Gefühl, „oh, hier komm ich nicht weiter“ als sehr hilfreich. Ich benenne diese Momente auf unserer Reise als Umwege – und finde diese sehr wichtig. Es gibt also keine Fehler, sondern nur Umwege – und Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Sie helfen bei der eigenen Entwicklung und fokussieren uns neu darauf, wo wir hinwollen.

Zusätzlich zu Ihrem Pädagogikstudium haben Sie eine Ausbildung zur Musiktherapeutin absolviert. Was ließ Ihnen das ideale Ergänzung erscheinen und wo bewährt sich die Musik am meisten?
Musik ist eine besondere eigene Sprache und gestaltet Beziehung und Verbindung auf ganz wundersame Weise. Jeder, der schon mal mit anderen musiziert hat, weiß, wie wunderbar das ist, sich selbst als Teil in einer Gemeinschaft zu spüren und anderen zu verbinden und gleichzeitig zu klingen. Das geht übrigens im gesprochenen Dialog nicht, da kann man zwar auch miteinander und doch ausschließlich nacheinander und nicht gleichzeitig schwingen. Musik macht so die Ur-Qualität von Verbindung für mich sehr deutlich und berührt auch die Basisgrundbedürfnisse von Sicherheit, Verbindung und Autonomie.

„Wirklich in eine dynamische Beziehung kommen.“

Ein Schlüsselwort Ihres Ansatzes ist „ganzheitlich“. Was umfasst das alles? 
In den letzten Jahren habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Frage „Wie verstehe ich mein Kind besser, und wie genau mache ich es anders?“ oft sehr intensiv und vor allem im Kopf beantwortet wird. Dabei ist Beziehung vielschichtig und lebendig und ganzheitlich zu verstehen. Wir benötigen viel mehr Elemente, nämlich unseren gesamten Körper, um wirklich in eine dynamische Beziehung kommen zu können. Um in Bewegung zu kommen und Veränderung herbeizuführen, brauchen wir die Kognition (Gedanken), die Emotion (Gefühle) und unseren Körper (die körperlichen Empfindungen). Die Ganzheitlichkeit bezieht sich also auf das wundervolle und einzigartige Zusammenspiel zwischen Denken, Fühlen, miteinander Schwingen und die vielfältigen Reaktionen im Körper. Das macht uns Menschen und die Beziehungen untereinander grundsätzlich aus. Diese Ebenen in ihrer Verbindung miteinander zu verstehen und dann auch bewusst wahrzunehmen, einzusetzen und im Alltag in der Umsetzung aktiv und konstruktiv zu nutzen, ist aus meiner Erfahrung wesentlich, um neue Blickwinkel einnehmen und anders handeln zu können und dabei intuitiv in Verbindung zu bleiben.

Welche Wirkungen scheinen Ihnen wichtig?
Diese drei Bereiche sind eng miteinander verwoben: Nichts, was wir erleben, bleibt ohne Wirkung auf diesen Ebenen. Jede Erfahrung, die wir machen, alles, was wir lernen, wird im Gehirn mit einem entsprechenden Gedanken verankert, dem entsprechenden Gefühl verknüpft, das wir in dieser Situation fühlen, und mittels der entsprechenden Reaktion im System unseres Körpers als Wahrnehmungsmarker eingespeist. Durch bestimmte Bindungs- und Beziehungserfahrungen in der frühen Kindheit jedoch können wir Erwachsenen diese Ebenen oft gar nicht (mehr) bewusst wahrnehmen und entsprechend verknüpfen. Es braucht also vor allem wieder eine Verbindung zwischen diesen Ebenen und das Bewusstsein für die Bedeutung des Zusammenspiels dieser Ganzheitlichkeit.

Welche Affirmationen empfehlen sich, die ersten Schritte zu wagen?
Affirmationen sind ja positive, kraftvolle und stärkende Aussagen über uns selbst und über das Leben. Wir können zunächst verstehen, dass unsere innere Welt Einfluss darauf hat, wie wir die äußere Welt um uns herum wahrnehmen. Wenn wir also in unserem Inneren Gedanken und Einstellungen verändern, dann wandelt sich auch sofort etwas im Außen. Eine sehr wirkungsvolle Methode, um langfristige Veränderung zusätzlich zu bewirken und die Kräfte in uns selbst zu aktivieren, ist die Verwendung von Affirmationen.
Um einen ersten Schritt zu wagen, fallen mir folgende Affirmationen ein:
„Ich erkenne mich und meinen unermesslichen Einfluss auf meine Beziehungen in meiner Familie an.“
„Ich bin voller Zuversicht und offen für Veränderung.“
„Ich übernehme Verantwortung für meine Gedanken, meine Gefühle und mein Tun.“
„Ich blicke wohlwollend und liebevoll auf mich selbst.“

„Es geht um eine Haltung zum Leben.“

Beim Lesen und Üben könnte man auf die Idee kommen, dass Ihr Buch sich nicht ausschließlich im Umgang mit Kindern bewährt, sondern eigentlich mit allen Menschen, die man manchmal beim besten Willen nicht versteht, obwohl sie einem am Herzen liegen. Was meinen Sie?
Sie haben Recht. Es geht um viel mehr als nur eine bestimmte Pädagogik. Es geht um eine Haltung zum Leben. Wenn wir echte (Ver-)Bindung und konstruktive Beziehung leben, geht es nicht nur um den Kontakt zu unseren Kindern, sondern in erster Linie um die Beziehung zu uns selbst. Langfristig kann sich durch „Die Reise“ die Beziehung zu uns selbst verbessern, zum eigenen Kind natürlich dadurch auch, und auch die Verbindungen zu anderen Menschen können intensiver, reichhaltiger und tiefer werden.