Kurt Krömer, bürgerlich Alexander Bojcan, ist Komiker, Schauspieler und Autor, vielfach ausgezeichnet unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Grimme-Preis. In seiner Sendung „Chez Krömer“ sprach er 2021 erstmals öffentlich über seine Depression und erreichte damit Millionen von Menschen. Der in Berlin lebende, alleinerziehende Vater hat diese Erfahrung schonungslos in seinem neuen Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ verarbeitet. Entstanden ist dabei eine komische und extrem liebenswerte Liebeserklärung an das Leben und die Kunst.

Sie bezeichnen sich ja selbst als einen Neoclown. Wie ist das zu verstehen?
Mit Clown ist nicht der Clown aus dem Zirkus gemeint, meine Vorbilder sind Jango Edwards, Leo Bassi, also Anarchie pur. Auch eine tragische Geschichte ist etwas für einen Clown, weil er das Problem nach außen trägt und Satire so ist.

In „Chez Krömer“ laden Sie verschiedene Gäste ein, um sie dann wortwörtlich ins Verhör zu nehmen. Wie kam es zu diesem Format?
„Die Internationale Show“ war ja eine Persiflage auf bestehende Talkshows. Dass man den Leuten in den Arsch kriecht und so tut, als ob man sie total toll findet. „Chez Krömer“ ist quasi das auf links gedrehte Format, bei dem wir uns zusammen mit Friedrich Küppersbusch und einem Team von Journalisten sehr gut auf die Gäste vorbereiten und keine Scherzfragen mehr stellen, sondern die Biografie des jeweiligen Gasts durchgehen.

„Als Depressiver muss man sich noch immer verstecken.“

Sie vergleichen im Buch Ihr Öffentlichmachen Ihrer Depressionen mit einem „Coming-out“. Gibt es in der Gesellschaft noch immer eine Stigmatisierung der Depressionen?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt noch immer genügend Arbeitgeber, die dir einen Vogel zeigen, wenn du ihnen erklärst, dass du einen depressiven Schub hast und nicht zu Arbeit kommen kannst. Wenn ich dagegen zwei gebrochene Beine habe, ist das Gespräch beendet. Als Depressiver muss man sich noch immer verstecken, man muss lügen und aufpassen, was man sagt. Das ist doch scheiße.

Wie kam es dazu, dass Sie diese Erfahrung in einem Buch verarbeitet haben?
Die Geschichte ging vom Gehirn in die Hand ins Buch, auch als therapeutische Maßnahme. Das Gute ist: So ist sie aus meinem Kopf raus und ich kann damit abschließen, aber vor allem kann ich durch diesen Lebensbericht viele Leute erreichen, die vielleicht nicht wissen, dass sie depressiv sind. Ich bin kein Therapeut und das Buch ist kein Ratgeber, ich kann nur spiegeln, wie es mir ergangen ist. Die Klinik ist der beste Ort, um eine Depression zu heilen. Vielleicht schaffe ich durch das Buch und meine Popularität, dass Leute sagen: „Guck mal, Kurt Krömer hat auch Schiss gehabt, aber der hat es auch geschafft.“

„Ich war depressiv und lasse die Hosen runter.“

Auf dem Cover Ihres neuen Buchs sind Sie nackt – aus welchem Grund?
Wenn man einen Horst Schlämmer anschaut, sieht man, dass er verkleidet ist. Ich bin aber keine Kunstfigur, die Depression hatte die real existierende Person Kurt Krömer. Kurt Krömer ist lediglich ein Synonym für meinen bürgerlichen Namen. Deshalb mache ich mich auf dem Cover nackt, ich war depressiv und lasse die Hosen runter.

Auf was dürfen wir uns noch freuen dieses Jahr?
Am 21. März 2022 startete die sechste Staffel „Chez Krömer“ auf YouTube, einen Tag später im rbb. Mein neues Live-Programm „Die Gönnung steigt“ tourt vom 5. Oktober bis zum 11. Dezember 2022 und dann im nächsten Jahr vom 9. Februar bis zum 3. Juni 2023. Einen weiteren dicken Otto habe ich noch in der Pipeline, dazu verrate ich aber noch nichts.

Abgesehen von Ihrem eigenen Buch – was haben Sie zuletzt gelesen?
Nicht viel, denn mir fehlt leider noch immer die Konzentration, um Bücher zu lesen. Im Januar war ich im Urlaub, dort habe ich „Zwei Herren am Strand“ gelesen, die Geschichte von Charlie Chaplin und Churchill, die beide Depressionen hatten und sich ihr Leben lang überlegt haben, wie sie sich umbringen können. Ich wusste nicht, dass Chaplin an starken Depressionen gelitten und mit suizidalen Wünschen gelebt hat. Sehr aufwühlend und interessant, ich würde das Buch aber niemandem empfehlen, der noch an einer Depression leidet.

Gedrucktes Buch, eBook oder lieber Hörbuch?
Immer gedruckt, ich möchte das optische Erlebnis des Umblätterns, dass ich noch Sand im Buch habe vom letzten Urlaub, dass alles etwas vergilbt und man ein Eselsohr reinmachen kann. Bei Zeitungen habe ich mich daran gewöhnt, auf dem Handy zu lesen, das Fernsehen schafft sich selbst ab. Ich hoffe wirklich, dass das gedruckte Buch als Urzeitkrebs überlebt.

Michael Köhlmeier
„Zwei Herren am Strand“
Hanserblau
22,00 €

Auch als eBook | Hörbuch auf Hugendubel.de erhältlich

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