Im Juni 2023 veröffentlichte die 23-jährige britische Songwriterin Maisie Peters ihr zweites, vielbeachtetes Album „The Good Witch“. Begonnen hat sie ihre Karriere vor über 10 Jahren, indem sie für YouTube Lieder aufnahm. Es folgten zahlreiche Singles und ein erstes Album. Im Jahr 2022 spielte sie im Rahmen von Ed Sheerans Tour als Support-Act. Maisie Peters ist zudem leidenschaftliche Leserin. Wir hatten das Vergnügen, sie live zu treffen.

Welches ist das erste Buch, das du uns vorstellst?
Vielleicht ist dieses sogar mein Lieblingsbuch: Donna Tartt „The Secret History. 30th Anniversary Edition“. Es ist eine wunderschön gemachte Ausgabe mit immerhin 640 Seiten, die sich lohnen! Ich habe es schon oft gelesen und verschenke es auch gerne. Es geht um eine Gruppe von College-Studenten in Nordamerika, in Vermont. Alle fünf besuchen ein Seminar für Altgriechisch. Im Prolog erfährt man, dass eine der Figuren tot ist. Und dann versucht man in der ersten Hälfte des Buches herauszufinden, was eigentlich passiert ist und in der zweiten Hälfte beschäftigt man sich mit den Konsequenzen. Ein wirklich gut geschriebenes Buch mit großartigen Passagen. Überhaupt mag ich die ganze Welt des alten Griechenlands und der Mythologie sehr.

Bevor du mit dem Schreiben von Musik begonnen hast, wolltest du Schriftstellerin werden, stimmt das? Wie hat sich dieser Traum entwickelt?
Als Kind hatte ich einen großen Appetit auf Bücher. Ich habe gelesen, gelesen, gelesen. Singen konnte ich damals nicht so gut – was meine Eltern und meine Schwester bezeugen können. Also dachte ich, Bücher zu schreiben wäre was für mich. Ich habe mit Kurzgeschichten und Gedichten begonnen. Naja, dabei fiel mir auf, dass Bücher recht lang sind und Songs eher kurz.

Was hat dich zum Lesen gebracht? Haben dir deine Eltern vorgelesen oder haben deine Lehrer dich zum Lesen ermutigt?
Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, bei uns wurde immer viel gelesen, auch vorgelesen. Und sie haben mich auch ermutigt weiterzulesen. In meinem Elternhaus stehen sehr viele Bücher. Und so habe ich gelesen, was auch immer mir in die Finger kam. Ja, auch vom Alter her unpassende Bücher, die ich mir mit sieben vorgenommen habe. Später war ich auch häufig in der Bibliothek. Und in der Schule wurden wir auch angehalten zu lesen. Und auch heute lese ich noch gerne und viel. Ich lese sogar mehr als dass ich Filme schaue. Ich weiß nicht so recht, wie ich das erklären soll, aber ich bin zu ungeduldig, als dass mir jemand die Geschichte erzählen könnte. Ich möchte die Geschichte einfach in meinem Tempo lesen.

Hätte das Album „The Good Witch“ auch ein Roman werden können?
Oh, vielen Dank für die Blumen! Ich kann nicht sagen, ob es in nächster Zeit tatsächlich einen Roman von mir geben könnte, mal sehen.

Du hast uns noch ein Buch mitgebracht. Es ist von Daphne du Maurier?
Oh ja, „Rebecca“. Empfohlen wurde es mir von einer Freundin, auch deren Mutter hatte das Buch geliebt. Ja, ich fand es toll und super inspirierend. Ich will nicht zu viel verraten, aber in der Mitte des Romans passiert eine Veränderung, die mich sehr überrascht hat. Ich habe meine Empfehlung für diesen Roman auch online gepostet und irgend jemand hat geantwortet, dass dieses Buch anscheinend auch Taylor Swift inspiriert hat …

Glaubst du, dass dein Büchergeschmack einen gewissen Einfluss auf dein eigenes Schreiben hat?
Wahrscheinlich, ja. Meine Vorlieben sind ziemlich vielfältig, ich bevorzuge belletristische Romane. Ich bin überzeugt, dass das Lesen meine Vorstellungskraft erweitert hat. Früher habe ich viel mehr geschrieben und Romananregungen verarbeitet. Das sieht man an der Menge der Lieder, die ich geschrieben habe. Ich habe einfach Welten, Menschen, Charaktere und Orte erfunden. Ja, ich glaube, dass Lesen und Schreiben definitiv miteinander zusammenhängen.

„Ich bin überzeugt, dass Lesen meine Vorstellungskraft erweitert hat!“

In einem Interview hast du einmal gesagt, dass Mythologie dich inspiriert, wenn du Song-Lyrics schreibst. Gibt es da eine bevorzugte Heldin?

Oh ja, Helena von Troja habe ich schon in der Schulzeit kennengelernt. Mir war gar nicht bewusst, welch tiefe Spuren sie bei mir hinterlassen hat. Aber sie kommt in meinem Album „The Good Witch“ in dem Lied „History of Man“ vor. Ich denke es ist interessant, Helena aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Und genau das habe ich gemacht.

Was war der Initialfunke, aus dem das Album „The Good Witch“ entstand?
Das Album ist über einen Zeitraum von einem Jahr entstanden. Ich habe an unterschiedlichen Orten und fast sporadisch an den Songs gearbeitet. Den ersten Song habe ich in Schweden verfasst. Andere entstanden in London und Suffolk und auf dem Lande in Großbritannien. Ich könnte dir also nicht wirklich sagen, woher der eine ursprüngliche Auslöser kam, weil so viele verschiedene Funken zusammenkamen. Letztlich ist es ein zusammenhängendes Ganzes geworden.

Hat du einen Lieblingsort zum Songwriten?
Nein, ich schreibe dort, wo es gerade passt. Aber deine Frage lässt mich darüber nachdenken, wie ich so einen Platz finden könnte.

Das nächste Buch, das du uns mitgebracht hast, ist „Das Jahr magischen Denkens“ von Joan Didion. Du schätzt die Autorin?
Sehr sogar. Joan Didion ist eine berühmte amerikanische Journalistin und Schriftstellerin. Leider ist sie vor ein paar Jahren verstorben. Sie hat in ihren Büchern viel von Amerika dokumentiert, von den Siebzigern bis heute. Sie schrieb Essays, aber auch Romane. Ich habe mehrere ihrer Veröffentlichungen gelesen. In diesem Buch „Das Jahr magischen Denkens“ geht es darum, wie ihr Mann plötzlich an einem Herzinfarkt starb. Und ein paar Tage vorher ihre einzige Tochter schwerkrank ins Krankenhaus gebracht wurde. Es ist im Grunde nur eine Dokumentation, wie Joan Didion das durchgestanden hat, denke ich. Es geht um Trauer, Verlust und Liebe. Und auch um die Alltäglichkeit der Trauer und des Lebens und wie es weitergeht, nachdem so schreckliche Dinge passiert sind. Und es geht darum, wie man sich immer weiter von jemandem entfernt … Einfach wirklich gut geschrieben, wirklich interessant.

Erinnerst du dich noch an dein letztes Gefühl, als du das Buch zur Seite gelegt hast? War es aufbauend oder hallte die Trauer noch nach?
Ich weiß nicht mehr, wie ich mich gefühlt habe, nicht sehr hilfreich, ich weiß. Aber ich erinnere mich, dass ich es auf einem Stuhl gelesen habe, auf dem Dach eines Hotels, was sich eigentlich sehr passend anfühlte. Jedenfalls ist dieser Roman bei mir hängen geblieben und ich empfehle ihn immer wieder.

Wie viele Bücher besitzt du?
Ich weiß nicht, wie viele Bücher ich besitze. Ich mag Bücher. Aber es ist ein Alptraum, weil man auf Tournee geht und fünf Bücher mitnimmt und dann noch zwei weitere kauft, und dann wiegt der Koffer plötzlich 100 Pfund. Privat werde ich wahrscheinlich bald umziehen, auch das wird mit den vielen Büchern ein Albtraum. Aber ich mag einfach physische Bücher und will nicht auf sie verzichten.

Findest du auch auf Tourneen Zeit zum Lesen?
Ich bin gut darin, im Flugzeug Bücher zu lesen. Während eines Fluges schaffe ich gut ein ganzes Buch.

Wie wählst du aus, was du als nächstes lesen willst?
Freunde, Empfehlungen. Es gibt eine Buchhandlung in London, in die ich oft gehe, Cooper Klein Bookshop, und die haben ein Regal mit ihren Leseempfehlungen, von denen ich definitiv ein paar gelesen habe. Und ich mag die Abteilung für empfohlene Lektüre, die eine Buchhandlung in Brooklyn anbietet. Ich danke denen vielmals.

Kommen wir zum nächsten Buchtipp. Du hast Margaret Atwood in der Hand.
„alias Grace“ habe ich verschlungen. Die Protagonistin Grace Marks ist ein Dienstmädchen, und es geht darum, ob sie des Mordes schuldig ist, und sie kommt ins Gefängnis.
Schon als Teenager habe ich beim Babysitten „Der Report der Magd“ gelesen. Ich habe den Inhalt nicht mehr präzise parat, aber ich weiß, ich war beeindruckt.

Während der Pandemie hast du einen Buchclub initiiert. Wie das?
Es war zu Beginn der Pandemie, und ich war zu Hause bei meinen Eltern und habe eigentlich nichts gemacht. Und ich dachte, das wäre eine gute Idee und habe mich mit meiner Freundin Abigail zusammengetan, die in Großbritannien im Verlagswesen tätig ist. Sie hatte also eine Menge cooler Kontakte und Leute, mit denen sie arbeitet. Und es war unglaublich. Ich glaube, das ging zwei Jahre lang so, und ich habe jeden Monat ein Buch gelesen. Dann interviewten wir den Autor am Ende des Monats in einem Livestream. Und ich habe einige erstaunliche Leute interviewt. Ich meine, das erste Buch, das wir gelesen haben, war „Aufregende Zeiten“ von Naoise Dolan, auch heute noch eines meiner Lieblingsbücher. Und das war ein wirklich stressiges Interview. Denn ich war schon nervös, weil sie eine Ikone ist und nicht viele Interviews gibt. Und dann haben wir einen Livestream auf Instagram gemacht und aus irgendeinem Grund, ich weiß nicht warum, konnte ich sie nicht sehen. Ihr Bildschirm war schwarz, aber alle anderen konnten sie sehen und sie konnte mich sehen, nur ich konnte sie nicht sehen. Furchtbar. Aber trotz allem hatten wir eine lustige Zeit miteinander. Aber dann musste ich eine Pause einlegen, weil ich einfach zu beschäftigt war und bin.