Die sagenhafte Leichtigkeit, mit der sie Sinnfragen und Situationskomik zusammenbringt, macht Monika Peetz so schnell niemand nach. So wurden schon ihre Romane um „Die Dienstagsfrauen“ zu Millionenbestsellern und auch die Verfilmungen Publikumshits. Nun zieht die Autorin mit Wahlheimat in Amsterdam erneut alle ihre literarischen Register. In ihrem Bravourstück „Sommerschwestern“ führt sie ihre vier Titelheldinnen an deren Schicksalsort – nach Bergen aan Zee an der niederländischen Nordseeküste.

Sie sind auch Drehbuchautorin. Wie beeinflusst Sie das beim Romanschreiben?
Beim Film hat man in der Regel keinen inneren Monolog zur Verfügung. Man muss in Bildern und Aktion denken, um die Gefühlswelt der Figuren nach außen zu stülpen. Das prägt auch meine Romane.

Ihren neuen Roman könnte man fast als Heimspiel bezeichnen, denn Sie haben schon lange eine Wahlheimat in Amsterdam. Was lieben Sie am Lebensgefühl?
Holländer haben ein bisschen mehr Talent zum Glücklichsein. Die Hierarchien sind so flach wie die Landschaft. Jeder duzt jeden, und es wird auch in der Arbeitswelt viel Wert auf ein Miteinander gelegt. Holländer haben es eben gerne „gesellig“. Ein einziger vorsichtiger Sonnenstrahl reicht und alle Terrassen sind voll.

Und was macht das Seebad Bergen aan Zee für Sie zum idealen Romanschauplatz?
Bergen ist magisch: Der weite Himmel über der Nordsee, die Dünen, die eigentümlichen Wälder mit ihren verwunschenen Bäumen, der ewige Wind über den Feldern der Polderlandschaft. Bergen bietet eine einzigartige Mischung aus Landschaft, künstlerischem Ambiente, Geld und Tourismus. Das macht es als Ort unendlich spannend.

Welche Idee stand am Anfang der „Sommerschwestern“?
Nach den „Dienstagsfrauen“ wollte ich unbedingt etwas über Schwestern erzählen. Diese einzigartige Dynamik aus gemeinsamer Vergangenheit, Liebe, Nähe, aber auch Konkurrenz fasziniert mich. Freundinnen kann man kündigen, Schwestern haben lebenslänglich.

„Jede hat einen Teil der Wahrheit in ihren Händen.“

„Sommerschwestern“ hat stellenweise etwas von einer Beschwörungsformel. Was braucht es, um aufs Neue Magie zu entfalten?
Die Sommerschwestern drehen sich um Familiengeheimnisse. Jede der vier Schwestern hat einen Teil der Wahrheit in Händen. Erst wenn sie wagen, ihr Innerstes nach außen zu kehren, haben sie eine Chance, die Wahrheit zu ergründen und können sich neu finden. Aber das ist ein langer Prozess.

Einst in ihren Kindheitsferien sind die Schwestern als „Doro und der Rest“ auf der Campingplatz-Bühne aufgetreten. Was sagt uns das?
Die Gesangstruppe meiner Tochter, damals 9, mit der sie auf einer Campingplatz-Bühne aufgetreten ist, hieß „Lotte und der Rest“. Sie schwört bis heute Stein und Bein, dass sie für diese Benennung nicht verantwortlich war. Der Rest der Familie ist sich da nicht so sicher. Das Schönste ist, dass wir heute herzhaft darüber lachen können. Vielleicht die beste Strategie.

Verstrickt sind die vier Schwestern in ein kompliziertes Beziehungsgeflecht mit ihrer Mutter Henriette Thalberg. Was interessiert Sie besonders am Mutter-Töchter-Verhältnis? Und worin sehen Sie die Lebensaufgabe für die Beteiligten?
Henriette hat wenig Talent, sich auf andere Menschen einzustellen, und neigt dazu, ihre eigenen Wünsche auf die Töchter zu projizieren. Sie liebt eben nicht bedingungslos, sondern bewertet alle und alles. Am Ende geht es für die vier Schwestern darum, sich von den Vorstellungen der Mutter freizumachen und den eigenen Weg zu finden.

Wie sehr bestimmte Kindheitserfahrungen prägen, zeigt sich z.B. an Helen, die davor zurückschreckt, eine eigene Familie zu gründen. Wie lässt sich der Bann brechen?
Helen wird sich weiterhin mit dieser Frage herumschlagen. Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden, unterliegen einem ständigen Rechtfertigungszwang. Dabei ist sie vielleicht eher als Tante geboren und nicht als Mutter.

„Familientreffen – eine großartige Arena.“

Sie versetzen Ihre Protagonistinnen auf ein Familientreffen. Was macht es zum perfekten erzählerischen Rahmen?
Nirgendwo prallen Erwartungen und ungelöste Konflikte so heftig aufeinander. Zu viele unterschiedliche Charaktere, zu viele Interessen, zu viele Empfindlichkeiten, zu viele Missverständnisse, zu viele gegensätzliche Auffassungen, zu viel Vergangenheit. Mit einem Wort: eine großartige Arena für einen Roman.

In Bergen passiert das, was die Schwestern 20 Jahre lang vermieden haben: Sie sind auf Schritt und Tritt mit Erinnerungen konfrontiert. Was steckt in dieser späten Auseinandersetzung und was macht sie so wichtig?
Sind wir nicht alle damit beschäftigt zu verstehen, warum wir so geworden sind, wie wir sind? Wir sind alle Geschichtenerzähler. Erinnerungen sind immer subjektiv, sie verblassen und verändern sich mit uns. Das macht Vergangenheitsbewältigung so schwierig und zugleich faszinierend.

Für Yella gehören zu den „tausenden wundervoller Erinnerungen“ die niederländischen Rosinenbrötchen, die „herrlich nach früher schmecken“. Wonach schmecken Ihre schönsten Ferienerinnerungen?
Nach den Keksen meiner Großmutter, die meine Schwester und ich im Strandkorb an der Ostsee knabberten, während wir ihre Schicksalsromane lasen.

„Eigenschaften und Probleme, die ich in mir selber verspüre.“

Welcher Ihrer vier Frauencharaktere ist Ihnen während des Schreibens am meisten ans Herz gewachsen?
Die vier sind wie personifizierte Vergrößerungen von Eigenschaften und Problemen, die ich in mir selber verspüre. Sie gehören einfach zusammen.

So verschieden wie die Persönlichkeiten sind auch die Lebenswelten der vier Schwestern. Welche war für Sie am spannendsten auszumalen?
Ich habe unendlich viel Freude an Doros Film- und Theaterwelt mit all ihren Eitel- und Befindlichkeiten. Da ist viel von meinen Filmerfahrungen eingeflossen.

Yellas Ehemann David hat beim Schreiben seines zweiten Romans sein Arbeitszimmer in eine Rauminstallation aus Notizen verwandelt. Wie sieht es bei Ihnen aus, wenn Sie gerade mitten in einem Romanprojekt sind?
Unordentlich, sehr unordentlich. Überall liegen Notizbücher, Zettel, Stifte und verschiedenfarbige Ausdrucke verschiedener Versionen. Nach Abgabe muss ich erst einmal aufräumen. Im Kopf und auch sonst.

Wie schätzen Sie sich selbst als Familienmensch ein?
Ich bin der Planer der Familie. Ich habe ein Sofatrauma und kann Rumsitzen nur schwer ertragen. Als Autorin ist man ohnehin in Dauerquarantäne. Wenn ich nicht arbeite, will ich etwas unternehmen.

In Ihrem Roman stellen sich nicht nur existenzielle Fragen, sondern der Standesbeamte und weitere Romanfiguren steuern auch schöne und weise Einsichten bei. Wer spricht Ihnen am meisten aus dem Herzen?
Alle Figuren, die darauf beharren, dass Humor die beste Überlebensstrategie ist. Humor hilft, wenn der Gegenwind einen wieder von den Socken bläst. In Holland besonders nützlich.