Der Name Pierre Martin ist ein Gütesiegel für südfranzösisches Savoir-vivre und Spannung – und er ist ein Pseudonym. Über seine wahre Identität schweigt der Autor hartnäckig, der durch seine Erfolgsreihe um „Madame le Commissaire“ bekannt geworden ist. Mal sehen, was er sich in Rosé-Laune entlocken lässt. Oder beim „Campari Fizz“, dem angesagten Champagner-Cocktail im Auftaktband seiner neuen Reihe um „Monsieur le Comte“. Ein unwiderstehlicher Held und ein bravouröser Start an der Côte d’Azur.

Flaubert gestand: „Madame Bovary, c’est moi.“. Also: „Madame Bovary, das bin ich.“ Welcher Ihrer Romanfiguren haben Sie am meisten von sich mitgegeben?
Mit meiner Hauptfigur Lucien teile ich zumindest einige Neigungen: Ich liebe gutes Essen und feine Weine, fahre gerne Boot, mag Vespas … Und wie er verabscheue ich es, Menschen umzubringen. Nur in meinen Büchern lasse ich mich gelegentlich dazu hinreißen.

Lüften Sie Ihr Inkognito wenigstens ein bisschen? Welche drei Eigenschaften sind typisch für Sie?
Ich habe meine Freunde gefragt – und keine vernünftige Antwort erhalten.

Was sind Ihre wichtigsten biografischen Stationen und Bezugspunkte in Südfrankreich?
Meine erste „biografische Station“ war als Student eine Autowerkstätte in Nizza. Ich verstehe bis heute nicht, warum meine Ente ausgerechnet in ihrem Herkunftsland schlapp gemacht hat. Der Liebe hat es dennoch keinen Abbruch getan.

Was ist Ihr Lieblingsort?
Fragolin aus meiner Reihe mit „Madame le Commissaire“, aber der existiert nur in meiner Fantasie. In der Realität entdecke ich ständig neue „Lieblingsorte“, die sich als Schauplätze in meinen Geschichten wiederfinden: Sanary-sur-Mer, Lourmarin, Ramatuelle, Mougins …

Wann und wie haben Sie die Region für sich entdeckt?
Als Student bei meiner ersten „Fernreise“ mit meinem 2CV. Von Menton und Nizza über Cannes und Saint-Tropez bis nach Aix-en-Provence und Marseille. Ohne weitere Motorschäden.

„Manchmal muss man sich vom Nichtstun ausruhen.“

Wie sieht für Sie ein perfekter Tag in Südfrankreich aus?
Um Jean Cocteau zu zitieren: Manchmal muss man sich vom Nichtstun ausruhen! Wie das gehen soll, lässt sich am besten bei einem Glas Rosé ergründen. Bei einem zweiten Glas Rosé fällt einem schon was ein.

Bekannt wurden Sie als Pierre Martin durch Ihre inzwischen neun Bestseller um „Madame le Commissaire“. Nun scheinen sich Ihre Wege literarisch zu trennen?
Ich will Madame le Commissaire nicht untreu werden, hatte aber Lust, mal die Seite zu wechseln: Von einer Ermittlerin als Hauptfigur zu einem „Auftragskiller“ – der sich allerdings beharrlich weigert, jemanden umzubringen. Die Figur versprach spannend zu werden.

Auch Ihre neue Reise um Monsieur le Comte ist durchflutet von Lavendelduft und südfranzösischem Flair. Was fasziniert Sie daran besonders?
Tatsächlich kommen der „Lavendelduft“ und ähnliche Klischees in meinen Büchern kaum vor. Ich glaube, die Bilder entstehen in den Köpfen der LeserInnen. Das ist wahrscheinlich die besondere Magie der Provence, dass sie genau diese Assoziationen weckt.

„Verbrechen kommt in einer romantischen Kulisse am besten zur Geltung.“

Ihre neue Reihe um Monsieur le Comte führt an die Côte d’Azur. Was macht sie zur idealen Krimikulisse?
Weil Verbrechen vor einer romantischen Kulisse am schönsten zur Geltung kommt. Das wusste schon Alfred Hitchcock, der Cary Grant und Grace Kelly vor und auf den Dächern von Nizza in Szene setzte.

Hauptschauplatz und Wohnort ihres Titelhelden ist weder Nizza noch Saint-Tropez, sondern Villefranche-sur-Mer. Welche Vorzüge hat dieser Ort?
Dass er eben kein „Glamour-Hotspot“ ist. Weshalb sich Lucien hier wohler fühlt als gegenüber auf dem sündhaft teuren Cap Ferrat, wo seine Familie ein prächtiges Anwesen besitzt. Villefranche-sur-Mer hat dennoch seine Geschichte(n). Jean Cocteau hat hier gelebt – und auch die Rolling Stones haben ihre Spuren hinterlassen.

Wie würden Sie Ihren Titelhelden Lucien vorstellen? Was für ein Charakter schwebt Ihnen vor?
Ein charmanter Filou, der plötzlich mit dem Ernst des Lebens konfrontiert wird.

Für Lucien gehört zum südfranzösischen Savoir-vivre ein entspannter Umgang mit der Zeit. Und für Sie selbst?
Ich wäre gerne so wie er, schaffe das aber nur in meinen Wunschträumen. Tatsächlich setze ich mir beim Schreiben Termine – und bin entspannt, wenn ich sie einhalte.

Lucien ist Besitzer eines kleinen Restaurants und Genussesser, aber kein begnadeter Koch. Und Sie selbst?
Das habe ich mit Lucien gemein: Ich schaue „begnadeten Köchen“ gerne über die Schulter (am liebsten mit einem Glas Wein in der Hand) und mache mich mit unqualifizierten Kommentaren beliebt. Wohl wissend, dass ich es selber nie so hinbringen würde.

Welches französische Gericht bereiten Sie am liebsten zu?
Spiegeleier mit Périgord-Trüffel. Das Rezept ist technisch zu bewältigen.

Wie würden Sie Esskultur definieren?
Dem Genuss den Vorzug geben und sich nicht von steifen Konventionen ablenken lassen.

„Bei mir geht es nicht ohne eine Prise Humor.“

Was sind für Sie die wichtigsten Zutaten eines guten Kriminalromans?
Das hängt vom Genre ab: Bei mir geht es nicht ohne eine Prise Humor. Dafür sind in erster Linie meine Sidekicks zuständig. Bei „Madame le Commissaire“ der schrullige Assistent Apollinaire. Und beim „Monsieur le Comte“ die schwerhörige Haushälterin Rosalie.

„Monsieur le Comte“ weicht vom klassischen Krimimuster ab. Welche kühne Idee steht dahinter?
Der Perspektivwechsel: Die LeserInnen bekommen die Gelegenheit, sich mit einem Auftragsmörder zu identifizieren, der sympathisch bleibt, weil er nach Wegen sucht, seine Opfer am Leben zu lassen.

Die sogenannte Familientradition von Luciens altem Adelsgeschlecht Chacarasse brachte beste Beziehungen zu den höchsten Kreisen mit sich. Was verspricht das an Erzählstoff?
Luciens Vorfahren haben der Legende nach für die Bourbonen gemordet, für die Medici und den Vatikan. Auch heute kommen die Auftraggeber aus „höchsten Kreisen“ – die anonym bleiben wollen. An Erzählstoff hat es da keinen Mangel.

Gleich am Anfang ereilt Lucien ein Schicksalsschlag, der ihn vor ein dramatisches Dilemma stellt. Was ist für Sie das Spannende daran?
Dass sich im Leben von einer Sekunde zur nächsten alles ändern kann. Lucien muss einen Weg finden, sein Versprechen zu halten, ohne sein Gewissen zu belasten. Das geht nur mit List und Improvisation.

Lucien fliegen die Frauenherzen nur so zu. Bei welcher könnte es ernst werden?
Die Geliebte seines verstorbenen Vaters würde ihm gefallen. Aber er traut sich nicht. Skrupel, die ihm sonst fremd sind.

„Rosalie kennt das dunkle Familiengeheimnis.“

Die einzige Frau, zu der Lucien in seinen 30 Lebensjahren eine Langzeitbeziehung hat, ist die betagte Rosalie. Was verbindet ihn mit ihr?
Dass sie ihm schon die Windeln gewechselt hat. Woran sie ihn gerne erinnert. Außerdem kennt sie das dunkle Familiengeheimnis.

Wenn Sie – wie Alfred Hitchcock in seinen Filmen – einen Gastauftritt in Ihren Krimis hätten: Welches Szenario und welche Rolle würden Sie wählen?
Ein „Gastauftritt“ als Leiche wäre reizvoll, aber irgendwie unbefriedigend. Dann doch lieber als Gast in Luciens Restaurant P’tit Bouchon. Ähnlich wie Madame le Commissaire bei ihrem Cameo-Auftritt in „Monsieur le Comte“ – mit einem Champagner zum Aperitif.