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Worte finden für das, was sprachlos macht: Das gehört zu den besonderen Talenten von Tanja Szewczenko, mehrfache deutsche Meisterin im Eiskunstlauf, beliebte TV-Schauspielerin und nun auch Autorin, weil sie „eine Stütze sein möchte für Leidensgenossinnen mit unerfülltem Kinderwunsch“. Ihre eigene Kinderwunsch-Odyssee – fünf Jahre und mehrere Fehlgeburten – erzählt die inzwischen dreifache Mutter schonungslos und ermutigend zugleich in ihrem Buch „Durch die Hölle zum Glück“.
Inzwischen haben Sie eine „kleine Großfamilie“. Wie geht es Ihnen?
Auch wenn ich seit fünfzehn Monaten nicht durchgeschlafen habe, manchmal nicht weiß, wo mir der Kopf steht und unser Zuhause zu einer Chaos-Bude mutiert ist (weil die Zwillinge mittlerweile laufen, klettern und Schränke öffnen können) könnte ich glücklicher nicht sein. Gerade in diesem Moment turnt Leo auf meinem Schoß herum und Luis nimmt neben mir den Korb mit dem Hundespielzeug auseinander. Aber genau für solche Momente, in denen diese vielen kleinen Nichtigkeiten passieren, die zu meinen Wichtigkeiten werden, bin ich unendlich dankbar! Das Schicksal war mir schlussendlich wohl gesonnen und hat mich, nach vielen Rückschlägen, mit zwei wundervollen Seelen beschenkt. Ich kann bis heute kaum glauben, dass ich Mama von drei Kindern bin.
Haben Sie nach dem jahrelangen Auf und Ab noch damit gerechnet, dass sich Ihr Kinderwunsch erfüllt?
Ich habe es gehofft und mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass es möglich ist. Allerdings hat der Verstand irgendwann begonnen, daran zu zweifeln.
Was macht es Ihnen wichtig, Ihre Erfahrungen zu teilen?
Ich möchte eine Stütze für Leidensgenossinnen sein und die Gesellschaft für die Themen Fehlgeburt und Kinderwunschbehandlung sensibilisieren. Ich denke, hier besteht noch viel Aufklärungsbedarf. Vielleicht kann mein Buch auch eine Stimme für Betroffene sein, denn ich weiß, wie schwierig es ist sich, mitzuteilen, wenn man eigentlich sprachlos ist.
„Sich zu öffnen kostet Kraft und man braucht Mut.“
Sie zeigen in Ihrem Buch viel Gefühl und in Ihren Videos mitunter auch Tränen. Warum liegt Ihnen an dieser Offenheit?
Gefühle zuzulassen ist wichtig. Wichtig, um Geschehenes verarbeiten zu können. Ich habe mich irgendwann entschlossen, meine Maske abzulegen und zu zeigen, was dahinter verborgen ist. Mein Schmerz, meine dunklen Erinnerungen, meine Verletzlichkeit und meine Hilflosigkeit. Das half mir, aber auch anderen, mich zu verstehen. Sich zu öffnen kostet Kraft und man braucht Mut, aber es ist machbar und unfassbar heilsam. Vielleicht motiviert mein Vorgehen andere Frauen, sich ebenfalls zu öffnen, damit die Seele heilen kann und sie von ihrem Umfeld verstanden werden.
Wie kamen Sie auf den Begriff „Kinderwunschreise“?
Ich habe die fünf Jahre wie eine lange Reise ins Ungewisse empfunden. Wir sind an viele Stationen gelangt. Wir haben gehofft, sind gescheitert, gestürzt, aufgestanden und weitergelaufen. Wir haben versucht, die Zusammenhänge zu erkennen, um dann irgendwann ans Ziel zu gelangen.
Familiengründung war für Sie lange kein Thema. Was war entscheidend, dass sich das im Dezember 2009 änderte?
Mein Mann. Da war dieses Bauchgefühl und die gemeinsame Arbeit mit Kindern. Plötzlich wusste ich, dass Norman der Vater meiner Kinder werden soll.
Schon bald nach Ihrer Entscheidung waren Sie mit Ihrer ersten Fehlgeburt konfrontiert. Viele Frauen in dieser Situation machen sich zuallererst leider selbst Vorwürfe. Was hat Ihnen geholfen?
Ich habe damals Halt in anonymen Foren gesucht. Ich habe nach Leidensgenossinnen gesucht und viele gefunden. Versteckt hinter einem freigewählten Benutzernamen, konnte ich mich offen austauschen. Mehr habe ich mich damals nicht getraut.
Sie machen deutlich, wie facettenreich die medizinischen Möglichkeiten sind. Wie haben Sie Orientierung gewonnen?
Durch die Erfahrungen, die ich gemacht habe und durch die Zeit. In fast mehr als fünf Jahren, mit mehreren Rückschlägen, kann man vieles ausprobieren und lernen.
Auf Ihrem langen Weg standen Sie immer wieder vor großen Entscheidungen. Was hat Sie dabei geleitet? Kopf oder Herz? Medizinische Empfehlungen oder Ihr Bauchgefühl?
Von allem ein bisschen. Aber ein bisschen mehr das Herz.
Gerade bei so dramatischen Erfahrungen wie Fehlgeburt oder Kinderwunschbehandlung kommt es darauf an, die im individuellen Fall „richtigen“ ÄrztInnen zu finden. Wie sind Sie vorgegangen?
Wir hatten keinen konkreten Plan. Gerade anfangs folgt man meistens einer Empfehlung. Das muss auch nicht falsch sein, kann aber trotzdem erfolglos bleiben. Ich habe mich zum Beispiel im Kinderwunschzentrum meiner Wahl gut aufgehoben gefühlt, trotzdem war es schlussendlich nicht mein Weg.
„Einmal hätte ich das fast mit meinem Leben bezahlt.“
Was haben Sie als die größten Herausforderungen auf dem langen Weg empfunden? Was fällt in die Kategorie „Hölle“?
Es gab Erlebnisse, die für mich die Hölle waren und mich an meine körperlichen und seelischen Grenzen brachten. Der Traum Kinderwunsch wurde für mich zweimal zum absoluten Alptraum. Einmal hätte ich das fast mit meinem Leben bezahlt.
In manchen Momenten haben Sie sich gefühlt wie eine „Meisterin im Schwarzmalen“. Wie ist es Ihnen gelungen, immer wieder zum Positivdenken zurückzufinden?
Irgendwann kann man nicht mehr glauben, dass irgend etwas noch gut ausgehen wird. Das passiert immer dann, wenn sich die negativen Geschehnisse häufen. Alles, was das Thema Kinderwunsch anging, verlief lange in den verschiedensten Sackgassen. Aufgeben war aber für mich keine Option, weil ich dazu nicht stark genug war. Das hätte ich nicht ertragen können. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Ich bin ein Mensch, der alles versucht haben muss.
Ein unerfüllter Kinderwunsch kann für Paare zur Zerreißprobe werden. Wie haben Sie und Ihr Ehemann Norman es geschafft, das gemeinsam durchzustehen?
Wir waren eine Einheit. Wir hatten einen gemeinsamen Wunsch, ein gemeinsames Problem. Norman hätte mir gerne den physischen Schmerz abgenommen. Er war immer für mich da und stützte mich. Es gab bei diesem Thema kein Ich, immer nur ein Wir.
Welche Bedeutung hat für Sie der Austausch mit anderen Frauen oder Paaren, die eine ähnliche Krise durchleben?
Es hat für mich einen großen Stellenwert. Jemandem in der Krise seine Aufmerksamkeit zu schenken, kann dem Betroffenen gut tun. Vielleicht finden Paare durch meine Erfahrungen neue Ansätze auf ihrer Reise zum Wunschkind – und ja, ich kann mit Stolz sagen, dass mir schon einige Frauen geschrieben haben, das sie nun schwanger sind. Manchmal einfach so und manchmal, weil sie einer Empfehlung gefolgt sind.
„Ich habe gemerkt, dass sich Kämpfen lohnen kann.“
Wie haben die heftigen Erfahrungen Sie verändert?
Ich bin noch emotionaler als früher. Was ich aber positiv finde. Das Leben ist unberechenbar, im positiven wie auch im negativen Sinne. Ich habe wieder einmal gemerkt, dass sich Kämpfen lohnen kann. Dass es gut ist, seinem Bauchgefühl zu vertrauen. Und das der Sinn des Lebens darin besteht, was wir daraus machen. Mein Sinn liegt darin, eine Familie zu haben und das große Ganze miteinander teilen zu können.
Welchen Tabus möchten Sie entgegenwirken und wozu einen Perspektivenwechsel anstoßen?
Ich möchte die Gesellschaft für das Thema Fehlgeburt, aber vor allem auch für das Thema Kinderwunschbehandlung sensibilisieren. Viele schämen sich zu erzählen, dass sie mit Unterstützung ihr Wunschkind bekommen haben. Außerdem möchte ich aufklären, was eine Frau, ein Paar, in dieser Zeit durchmacht. Oft hat die Seele in dieser Zeit eine Erkältung und darf sich nicht offiziell auskurieren. Viele Aussenstehende können den Prozess, verständlicherweise, nicht nachvollziehen.
Wie ist es Ihnen beim Schreiben ergangen, als Sie alles noch einmal durchlebt und bestimmt auch durchlitten haben?
Mehr als einmal habe ich geweint. Alte Sprachmemos, die ich in meiner Verzweiflung aufgenommen hatte, ließen mich im Jetzt bestürzt zurück. Mein damaliges Ich ist mit heute nicht mehr zu vergleichen. Das hat mir einmal mehr aufgezeigt, dass es der richtige Weg war, dies öffentlich zu kommunizieren.
Was möchten Sie Ihren LeserInnen am meisten ans Herz legen?
Nimm das aus meinem Buch mit, was dich in deinem Tun bestärkt und dir hilft. Ich bin eine von vielen. Und auch, wenn wir alle etwas gemeinsam haben, ist unser Weg immer individuell. Dafür wünsche ich dir, liebe(r) Leser(in), viel Glück!