Geniestreiche wie sein Debüt „Er ist wieder da“ und seine anschließende Gesellschaftssatire „Die Hungrigen und die Satten“ machten Timur Vermes einem internationalen Millionenpublikum bekannt. Doch der Bestsellerautor und Journalist kann noch viel mehr. In seinem druckfrischen „Comicverführer“ zeigt der hervorragende Kenner des Genres, was es so faszinierend macht. Eine Einladung in Vermes’ persönliches Comicuniversum – für Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene.

Bekannt sind Sie für Romane mit Mut zur Provokation. Stattdessen überraschen Sie mit Ihrem „Comicverführer“. Wie kam es dazu?
Der Verlag hat’s vorgeschlagen – ich habe ja lange Comics für die „Welt“ und „Spiegel Online“ besprochen.

Was erwartet LeserInnen Ihres „Comicverführers“?
Mit etwas Glück: der Spaß von früher. Die meisten haben ja Comics mal geliebt, doch irgendwann aufgehört. Es gibt aber viele Comics, in denen Erwachsene genauso versinken können wie damals. 

Sie legen sich ins Zeug für das Image des Comics. Was veranlasst Sie dazu und was möchten Sie ins rechte Licht rücken?
Wenn ich einen guten Film sehe, ein gutes Buch lese, will ich es jemandem empfehlen. Und es ist einfach ein Jammer, wie so viele Leute an so vielen spannenden, lustigen, berührenden Geschichten vorbeigehen, nur weil sie als Text-Bild-Mix erzählt werden.

Mit welchen Comic-HeldInnen sind Sie aufgewachsen?
Wie die meisten anderen: Mit Asterix, den Peanuts, Batman. Der war eindeutig mein Favorit.

„Solche Perlen gibt es also auch im Comic-Markt zu entdecken.“

Manche Uneingeweihten halten Comics ja für „Kinderkram“. Sie sind nicht nur der lebende Gegenbeweis, sondern empfehlen auch kühn Comics ohne Altersgrenze nach oben. Aus welcher Überzeugung?
Meine Überzeugung ist: Wenn ein Markt groß genug ist, dann MUSS auch was Gutes dabei herauskommen. Das Fernsehen produziert viel Mist, aber auch „Stromberg“, „Futurama“, die „Simpsons“, die „Sopranos“. Solche Perlen gibt es also auch im Comicmarkt zu entdecken.

Sie bieten verschiedene „Wiedereinstiegsdrogen“, d.h. spezielle Comic-Empfehlungen für Erwachsene. Wie haben Sie die ausgewählt?
Die stammen aus meiner eigenen Comic-Geschichte: Ich hab ja auch mal aufgehört. Die „Wiedereinstiegsdrogen“ haben mich wieder überzeugt.

Wie würden Sie Ihren Comic-Geschmack beschreiben?
Wie beim Fernsehen: „Stromberg“, „Simpsons“, „Breaking Bad“ – das ist Mainstream. Die Geschichte darf nicht zu verkopft sein. Bei Zeichnungen bin ich heute offener: Realismus ist schön, aber oft erreichen Bilder mehr, die reduziert sind oder verfremdet.

Sie erwähnen, wie verräterisch Comic-Vorlieben sein können. Inwiefern könnte man Ihr Buch also auch als Autobiografie lesen?
Naja, verräterisch: Als Kind zeigen Comics eben, wovon man träumt. Und diese Träume sind oft so typisch, da finden viele ihre Biografie wieder.

Auch in Ihrer eigenen Comic-Fan-Biografie gibt es Brüche. Wieso eigentlich?
Weil der deutsche Comic-Markt immer noch recht klein ist. Beim Fernsehen, Kino, Internet, ist das anders: Wenn Sie für ein Format zu alt sind, drängt sich sofort das nächste auf. Bei Comics nicht, und in den 80ern und 90ern noch weniger: Wenn Sie „Clever & Smart“ nicht mehr komisch fanden, war im Prinzip erst mal Schluss.

„Ein Held geht da hin, wo er nicht hin will.“

Superman weiß: “There is a Superhero in all of us, we just need the courage to put on the cape”, also: In jedem von uns steckt ein Superheld, wir brauchen nur den Mut, uns den Umhang überzuwerfen. Wann und in welcher Situation haben Sie zuletzt den Superhelden in sich entdeckt?
Ein Held geht dahin, wo er nicht hin will, er macht, was schwerfällt. Er bringt den Müll runter, isst weniger Fleisch, nimmt die Treppe, nicht den Lift, alles ohne zu nölen. Ich war gestern wieder Lift-Held, aber bin es viel zu oft nicht.

Und in welcher Situation haben Sie eine Superman-Chance zu Ihrem Bedauern versäumt?
Eine Superman-Chance? Ach so, einfach mal Cape und so: Jede Chance, zu der man sich vernetzen muss. Ich mache Vieles, wenn mich wer anspricht, aber ich stoße so gut wie nie etwas an.

Von Anfang an kommen Sie immer wieder und jedes Mal mit Begeisterung auf einen gewissen Frank Miller zu sprechen. Welchen Status hat er in der Comic-Welt und was zeichnet ihn aus?
Millers Blick für die Zukunft ist oft präzise und erfrischend boshaft. Mit seinem Batman sah ich erstmals, wie jemand den Superhelden-Gedanken ernsthaft durchspielt. Wie reagieren Medien, Leute, was ist Batman für einer? Ein kranker Typ, mit dem die Polizei nicht zusammenarbeiten kann.

Welche weiteren Comic-KünstlerInnen und / oder -HeldInnen hatten oder haben in Ihrer Comic-Fan-Biografie Schlüsselrollen?
Bastien Vivès gehört dazu: Eine fantastische Liebesgeschichte aus dem Nichts. Junge soll mehr schwimmen, geht ins Hallenbad, trifft Mädchen. Das Bad ist fad, das Rückenschwimmen öde – dann kommt das Mädchen, und alles ist verzaubert.

Einen Hype gibt es um Graphic Novels. Was ist für Sie das Besondere daran und was die Meisterklasse?
Es geht darum, dass Comics mehr als nur Heftchen können. Letztlich ist es dasselbe, das wir grad im TV erleben: Serien können nicht nur 45- oder 90-Minuten-Episoden erzählen, sondern auch über eine ganze Staffel fesseln. Und da hält einer „Breaking Bad“ für meisterlich, der andere „Game of Thrones“.

Wie ist es im Comic-Genre um Gleichberechtigung bestellt? Wer sind für Sie die imponierenden Heldinnen?
Imponierend? Weiß nicht. Aber faszinierend: Aster aus „Mechanica Caelestium“. Riad Sattoufs Esther mit ihren Tagebüchern. Und „Hit-Girl“! Die gehört freilich in eine geschlossene Anstalt. Gleichberechtigung: Wenn Leserinnen ihre Marktmacht ausspielen, werden ihre Wünsche auch berücksichtigt, mit Storys und Charakteren. Die Mangas nutzen das geradezu gespenstisch professionell.

„Ich möchte überrascht werden.“

Welche Ansprüche hat der Schriftsteller Timur Vermes an die Geschichten und die Sprache in Comics?
Ich möchte überrascht werden. Und es soll zügig losgehen, nicht erst auf Seite 87.

Hätten Sie selbst mal Lust auf einen Ausflug als Szenarist ins Comic-Genre? Und vielleicht sogar schon die eine oder andere Idee im Kopf?
Ich freue mich, wenn jemand meine Romane umsetzen will (wollte aber noch niemand). Szenarios wären sicher reizvoll, weil man dann öfter im Team arbeitet.