Kein Zweifel, das Allgäu ist der Nabel der Regionalkrimi-Welt. Deren Urknall haben Michael Kobr und Volker Klüpfel 2003 initiiert, mit „Milchgeld“, dem ersten Fall für Kommissar Kluftinger. Längst hat er einen riesigen Sprung in seiner Evolution gemacht – zur Kultfigur und zum wohl berühmtesten Sohn der Region. Sein Revier ist Ziel zahlloser-Klufti-Fans, die zu Schauplätzen der Krimis pilgern: von Altusried über Kempten bis Buxheim bei Memmingen und nun auch Pforzen, wo durch die Ausgrabung des Urzeit-Affen „Udo“ das Allgäu nicht nur um eine Attraktion reicher wurde, sondern auch zur mutmaßlichen Wiege der Menschheit. Klar, dass Kluftingers Erfinder – inzwischen Deutschlands erfolgreichstes Autorenduo – da sofort Inspirationen für Verbrechen und andere spannende, aber auch äußerst lustige Verwicklungen witterten.

In Ihrem Buch jubeln die Paläontologen von der Universität Tübingen über den Hominiden-Fund in Pforzen als Missing Link der Evolution. Was fasziniert Sie daran persönlich?
VK: Dass wir so nah an so einem für die Menschheitsgeschichte entscheidenden Fundort wohnen.
MK: Das Allgäu als Wiege des aufrechten Gangs – schon irgendwie erhebend!

Und was inspirierte Sie dazu, diesen Sensationsfund kriminalistisch zu verarbeiten?
VK: So ein Stoff direkt vor der Haustür – da müsste man schon sehr ignorant sein, um das nicht zu nutzen. Das Allgäu hat ja nicht gerade Weltsensationen am laufenden Meter – bis auf Neuschwanstein, das haben wir aber auch schon genutzt. Und diese besondere Atmosphäre bei Ausgrabungen, diese Detailversessenheit bei der wissenschaftlichen Arbeit war für uns hochinteressant und wir vermuten, dass es auch für die Leser interessant sein wird, diese neue Welt kennenzulernen.

„Die Faszination der Normalität.“

Kluftinger kommt bei Literaturexperten genauso gut an wie bei der riesigen Lesergemeinde – obwohl er eigentlich nichts Spektakuläres an sich hat. Worin sehen Sie sein Erfolgsgeheimnis?
VK: Die Faszination der Normalität. Er freut sich auf seinen Feierabend, ist nicht so ein manischer Kommissar, der kein Privatleben haben will.
MK: Kluftinger ist zwar manchmal schrullig, aber er steht dazu, dass er nicht jeden Trend mitmacht, sich nicht in jede Richtung verbiegen lässt. Das macht ihn einfach authentisch. Ja, er hat sogar nicht einmal ein Problem damit, dass die Leute ihn für ein bisschen verschroben halten. Manchmal setzt er bei den Ermittlungen auch darauf, dass sein Umfeld ihn unterschätzt, um quasi aus dem Hinterhalt agieren zu können.

„Kluftinger ist dem Zeitgeist auf der Spur.“

Und wo sehen Sie im aktuellen 12. Band Ihren Kommissar Kluftinger in seiner persönlichen Evolution?
VK: Er ist dem Zeitgeist auf der Spur. Eröffnet sogar ein Konto bei Facebook, weil er merkt, dass da alle außer ihm schon drin sind. Das ist natürlich nicht nur für ihn, sondern auch für uns spannend.
MK: Kluftinger wird regelrecht weltoffen. Er hilft zum Beispiel beim Flohmarkt zugunsten Geflüchteter – zwar auch, weil Erika es von ihm erwartet, aber eben auch aus Überzeugung, dass es eine gute Sache ist und man da helfen muss. Er bekommt es ansonsten immer mehr mit neuen, anderen, diverseren Lebensentwürfen zu tun, die er nicht etwa abtut oder verurteilt, sondern mit Interesse betrachtet.

Kluftinger bekommt im Laufe der Handlung immer mehr Einblick in die Welt der Archäologe und der Paläontologie. Welche Einblicke haben Sie selbst bei der Recherche gewonnen? Was war am beeindruckendsten?
MK: Die Forscher finden im Ton winzige Knochenfragmente – und können die mit einem Blick nicht nur einer Gattung zuordnen, sondern wissen sogar noch, wo im Skelett das Teil hingehört. Was für eine Expertise …
VK: Man steht da in einer Grube und schaut auf Sedimente, die das Leben dort vor elf Millionen Jahren hinterlassen hat. Und durch die Plastizität der Funde wird es plötzlich greifbar. Gleichzeitig erscheint die eigene Lebensspanne angesichts dieser unvorstellbar langen Zeit irrwitzig kurz …

„Unbedingt mal bei einer Bürgergrabung mitmachen.“

Ihr Tipp für alle, die sich mit eigenen Augen ein Bild vom Grabungs- und Fundort in der Hammerschmiede bei Pforzen machen wollen?
VK: Unbedingt mal bei einer Bürgergrabung mitmachen. Wer nicht extra anreisen will: Unter https://blickfang-360.de/udo-ausgrabung gibt es einen tollen virtuellen Rundgang. Das ist fast so gut wie vor Ort zu sein.

Wie im Begrüßungsdialog von Kluftinger und dem Ministerpräsidenten setzen Sie in diesem 12. Band auch wieder stark auf Situationskomik. Warum spielt der Humor bei Ihnen so eine tragende Rolle?
MK: Die Komik ist ein wunderbarer Gegenpol zum ernsten, tragischen Kriminalfall. Er schafft eine Fallhöhe zur Spannung, wodurch Abwechslung beim Lesen entsteht. Und beim Lachen kann man doch einfach am besten entspannen.

Welche Szenen haben Ihnen selbst am meisten Spaß gemacht beim Ausdenken und Schreiben?
VK: Die Recherche an der Ausgrabungsstätte.
MK: Klufti beim Drohnenflug mit Doktor Martin Langhammer. Bei einer solchen Szene kann man einfach in die Vollen gehen, was die Dynamik zwischen Kluftinger und seinem Widerpart Langhammer angeht. Kluftinger bekommt hier so einen Lausbubencharme, weil er – für seine Verhältnisse – auch mal über die Stränge schlägt und sich nicht um irgendwelche Vorschriften und Verordnungen schert.

„Dr. Langhammer ist ein ausgewiesener Modernist.“

Dr. Martin Langhammer hat – zu Kluftingers Leidwesen – wieder seine großen Auftritte im neuen Buch. Was ist seine Funktion im Kluftinger-Universum? Worin sehen Sie seine Bedeutung?
MK: Langhammer ist ja ein ausgewiesener Modernist, der jedem Trend hinterherjagt, und sei er noch so lächerlich. Damit ist er ein wunderbarer Gegenpol zum Kommissar – und fordert ihn aber auch heraus, nicht zu sehr im Althergebrachten zu verharren.

Auch privat stellen Sie Klufti vor eine heikle Observierungsaufgabe. Was treibt ihn dazu, solch drastische Methoden zu ergreifen?
VK: Die Sorge ums Enkelkind. Alle Großeltern werden wissen, was wir meinen.
MK: Um es klarer zu machen: Weil Yumiko und Markus arbeiten müssen, soll Kluftingers Enkelin von einer Tagesmutter betreut werden, was für Kluftinger ein echtes No-Go darstellt. Wer weiß schon, an wen man bei so etwas gerät? Und so beschließt er eben, den Leumund dieser Dame auf eigene Faust zu überprüfen – mit zweifelhaftem Erfolg …

Obwohl Kluftinger und seine Erika glückliche Großeltern sind, hängt der Familiensegen manchmal schief. Was ist für Sie das Interessante an den atmosphärischen Störungen und Streitpunkten?
MK: An diesen kleinen Kabbeleien lassen sich die Figuren wunderbar in ihren psychologischen Besonderheiten, mit ihren Macken und Kanten beschreiben.

Besonders am Herzen zu liegen scheint Ihnen die Vater-Sohn-Beziehung. Warum?
VK: Die kennen wir aus dem eigenen Erleben so gut. Wenn wir solche Szenen schreiben, haben wir immer unsere Väter vor Augen. Mein Vater liefert auch tolle Bonmots, wenn es um neue Technik geht. Etwa: Hast du das jetzt schon auf dem Internet drauf? Oder, was er gern fragt, wenn ich mich etwas abseits der Norm kleide: Gibt’s das auch für Männer?

Ihr Krimititel „Affenhitze“ weckt unterschiedliche Assoziationen. Was verbinden Sie damit?
VK: Mir gefällt die Leichtigkeit, die Heiterkeit, die er aussendet. Aber wie immer ist er doppeldeutig.

Wie lauten Ihre drei wichtigsten Tipps und Hotspot-Empfehlungen für Allgäu-Urlauber in der warmen Jahreszeit?
MK: Ganzkörper-Abkühlung im Moorbad Oberjoch / Oberallgäu, die Kletterwald am Söllereck / Oberallgäu und in Illerbeuren / Unterallgäu der Biergarten im Museumsgasthaus Gromerhof
VK: Ein Bad im sehr kühlen Alatsee bei Füssen. Eine Wanderung durch die Starzlachklamm. Ein Eis beim Gelato-Weltmeister im „Venezia“ in Kempten.

Original-Rezepte aus Kluftingers Küche:

Im kulinarischen Himmel auf Erden fühlt sich Kommissar Kluftinger, wenn seine Erika Kässpatzen für ihn zubereitet.

Fast genauso gern mag er im Sommer zünftigen Schweizer Wurstsalat. Hier teilen wir das wunderbar unkomplizierte Lieblingsrezept.